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2. Vorgaben zur Anwendung der Regelungen zum Transferpaket

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Die Regelungen über die Funktionsverlagerung in Abs 3 S 9–12 gelangen nur zur Anwendung, wenn der Verrechnungspreis für die Funktion anhand durch einen hypothetischen Fremdvergleich ermittelt werden muss. Dieses ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift in Abs 3 S 9, wenn es dort heißt: „Wird in den Fällen des S 5 …“. Verdeutlicht wird die Anwendungsbegrenzung der S 9–12 des Abs 3 auch durch § 2 Abs 1 S 1 FVerlV, der die vorrangige Bestimmung des Verrechnungspreises bei einer Funktionsverlagerung nach Abs 3 S 1–4 durch uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichspreise festschreibt. Damit wird der systematische Ansatz des Abs 3 S 1–4 aufgenommen, um auch bei einer Funktionsverlagerung die nachrangige Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs zu verdeutlichen.[628]

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Die Preisbestimmung für das Transferpaket hat mithin vorrangig nach den S 1–4 des Abs 3 zu erfolgen, wenn für das Transferpaket (Funktion als Ganzes) uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Werte ermittelt werden können. Dieses dürfte mE die Ausnahme sein, denn für eine Transferpaktsbetrachtung, die auf sehr individuellen Grundlagen aufbaut, werden regelmäßig keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Daten ermittelbar sein.[629] Die Ermittlung des Verrechnungspreises für das Transferpaket wird somit in den überwiegenden Fällen entspr dem hypothetischen Fremdvergleich nach Abs 3 S 5 ff vorzunehmen sein, wobei die Bestimmung des Verrechnungspreises nach Abs 3 S 10 unberührt bleibt, so dass die Öffnungsklausel für Fälle, in denen eine Wertermittlung für das Transferpaket als Ganzes nicht erforderlich ist, anwendbar ist. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 2 Abs 1 S 2 und 3 FVerlV.

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Eine Ausnahme von der Transferpaktbestimmung sieht § 2 Abs 2 S 1 FVerlV trotz Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung vor. Übt das übernehmende Unternehmen danach die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen aus und ist das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entspr Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln, ist davon auszugehen, dass mit dem übergehenden Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden, so dass Abs 3 S 10 erste Alternative (Möglichkeit zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für alle betroffenen einzelnen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen) anwendbar ist.[630] Damit sucht der Verordnungsgeber[631] eine ausufernde Einordnung von Geschäftvorfällen als „Funktionsverlagerungen“ zu verhindern. Es sollen Fälle erfasst sein, in denen das übernehmende Unternehmen sein Entgeltsanspruch zu Recht nach der Kostenaufschlagsmethode bestimmt. Die Kostenaufschlagsmethode ist insb dann anzuwenden, wenn es sich bei dem übernehmenden Unternehmen um ein Unternehmen mit Routinefunktion handelt,[632] das nur geringe Risiken trägt. In solchen Fällen besteht das Entgelt für die Leistungen des übernehmenden Unternehmens nur aus einer Vergütung für die Tätigkeit. Auf das übernehmende Unternehmen gehen aber keine Chancen und Risiken aufgrund der Funktionsverlagerung über. Es ist daher nicht gerechtfertigt, ein Entgelt an das verlagernde Unternehmen für die Übertragung oder Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter oder sonstiger Vorteile zu leisten.

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Bei der Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern zu der Funktion im Rahmen einer Funktionsverlagerung ergeben sich gem Abs 3 S 10 Besonderheiten, die in § 1 Abs 5 FVerlV konkretisiert sind. Das Gesetz macht die Anwendung von Abs 3 S 10 ua davon abhängig, dass der StPfl glaubhaft macht, das keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter mit der Funktion übertragen worden sind.[633] Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine Funktionsverlagerung nur vorliegen kann, wenn wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter von einem Unternehmen auf eine nahe stehende Person verlagert werden. Die Wesentlichkeit liegt vor, wenn die immateriellen Wirtschaftsgüter für die verlagerte Funktion erforderlich sind (funktionale Betrachtung) und der Fremdvergleichspreis für die immateriellen Wirtschaftsgüter mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt (quantitative Betrachtung) und dies unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsverlagerung, die aus den Aufzeichnungen iSd § 3 Abs 2 S 2 FVerlV hervorgehen, glaubhaft ist. Beide Voraussetzungen – funktionale und quantitative – müssen (kumulativ) vorliegen, damit das jeweilige immaterielle Wirtschaftsgut als wesentlich iRd Funktionsverlagerung eingeordnet werden kann.

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Die Glaubhaftmachung der quantitativen Wesentlichkeit hat mittels der nach § 90 Abs 3 AO iVm § 3 Abs 2 GAufzV zu erstellenden Unterlagen zu erfolgen. Ersichtlich müssen die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gründe für die Vornahme der Funktionsverlagerung ersichtlich sein. Insb ist das Verhältnis der Übertragung oder zur Nutzung der zu überlassenden immateriellen Wirtschaftsgüter zum Wert der Summe der Bestandteile des Transferpakets glaubhaft zu machen.[634] Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass nach Auffassung des BMF[635] eine präzise Wertberechnung für das Transferpaket nicht erforderlich ist.

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Eine Einschränkung der Ausnahme enthält § 2 Abs 2 S 2 FVerlV:[636] Erbringt das routinefunktionausübende übernehmende Unternehmen die bisher ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen erbrachten Leistungen eigenständig, ganz oder teilw, gegenüber anderen Unternehmen zu Preisen, die höher sind, als das Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode oder die entspr dem Fremdvergleichsgrundsatz höher anzusetzen sind, ist zum Zeitpunkt der erstmaligen Erbringung gegenüber dem anderen Unternehmen für bisher unentgeltlich vom verlagernden Unternehmen für die Leistungserbringung zur Verfügung gestellte Wirtschaftsgüter und Vorteile die Preisbestimmung für das Transferpaket vorzunehmen und zu verrechnen; die betr Wirtschaftsgüter und Vorteile gelten – sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – als ein Transferpaket, § 2 Abs 2 S 2 FVerlV. In solchen Fällen nimmt das übernehmende Unternehmen eigene Chancen und Risiken unter Einsatz von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen des übergebenden Unternehmens wahr. Der Fremdvergleichsgrundsatz gebietet für solche Fälle regelmäßig eine Entgeltpflicht des übernehmenden Unternehmens gegenüber dem verlagernden Unternehmen für die Nutzung der Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile, die unter Anwendung der allg Regeln als Transferpaket anzusehen sind.[637]

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Eine weitere Ausnahme von der Bestimmung des Einigungsbereichs bei einer Verlagerung der Funktion als Ganzes unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze ist in Abs 3 S 10 zweite Alternative enthalten. § 2 Abs 3 FVerlV konkretisiert die in Abs 3 S 10 geregelte Möglichkeit zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für alle betroffenen einzelnen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen, wenn das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmungen, gemessen an der Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes, dem Fremdvergleichspreis entspricht. Danach sind sowohl der Einigungsbereich als auch der Wert für das Transferpaket als Ganzes nach Abs 3 S 7 und 9 (ggf unter Ansatz des Mittelwertes) zu ermitteln. Zur Ermittlung der Einzelpreise ist für jedes der übertragenen oder zur Nutzung überlassenden Wirtschaftsgüter und Vorteile und für die erbrachten Dienstleistungen eine Verrechnungspreisbestimmung nach Abs 3 S 1–5 erforderlich, dh auf der Grundlage von uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werten – soweit solche Werte vorhanden sind – oder aufgrund des hypothetischen Fremdvergleichs wird, ausgehend vom jeweiligen Gewinnpotenzial, der Fremdvergleichspreis ermittelt. Das Erg der Einzelverrechnungspreise für die Übertragung bzw Verlagerung der Wirtschaftsgüter und Vorteile ist nur dann als zutr Verrechnungspreis anzuerkennen, wenn der StPfl glaubhaft[638] macht, dass das ermittelte Erg dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Dies ist insb dann anzunehmen, wenn das Erg der gesonderten Preisermittlung für jedes Wirtschaftsgut oder sonstigen Vorteil entspr Abs 3 S 7 dem Fremdvergleichsgrundsatz am besten wiedergibt.[639] Der StPfl muss dann glaubhaft[640] machen, dass nach Vornahme sachgerechter Anpassungsrechnungen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert für das Transferpaket (Bewertung der Funktion als Ganzes) und der Summe der Einzelpreise begründet ist und den Unterschiedbetrag aufklärt.[641] Die ermittelten Einzelpreise müssen mithin folgende zwei Voraussetzungen erfüllen, damit sie für steuerliche Zwecke anerkannt werden:

das ermittelte Erg der Einzelpreisbestimmung muss im festgestellten Einigungsbereich liegen;[642]
der StPfl macht glaubhaft, dass die Summe der gesondert ermittelten Einzelpreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.

Nach dem Willen des Gesetzgebers[643] ist bei Ansatz der Einzelpreise als zutreffender („besserer“) Verrechnungspreis gleichwohl eine Bewertung der Funktion als Ganzes vorzunehmen.[644] Dieses folgt aus dem Umstand, dass andernfalls nicht der Vergleich zwischen beiden Erg vorgenommen werden kann. ME drängt das die Möglichkeit zur Einzelpreisermittlung nach Abs 3 S 10 zweite Alternative in seinem Anwendungsbereich stark zurück. Der Gesetzgeber geht selbst davon aus, dass die Möglichkeit zur Einzelpreisbestimmung in Fällen geringer Bedeutung, in denen keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftgüter oder Vorteile Gegenstand der Geschäftsbeziehung sind, anzuwenden sein wird.[645] Gleichwohl wird von dem StPfl verlangt, für beide Alternativen – Bewertung der Funktion als Ganzes oder Einzelpreisbestimmung – den Fremdvergleichspreis zu ermitteln und anschließend auch noch den Unterschiedsbetrag zu begründen und aufzuklären. Der tatsächliche Aufwand wird in diesen Fällen regelmäßig den Nutzen für den StPfl übersteigen, so dass es bei einer Bewertung der Funktion als Ganzes sein Bewenden haben wird.

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Nach § 1 Abs 3 S 10 HS 2 muss zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung sein. Was unter einem wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgut zu verstehen ist, wird in der Regelung nicht definiert. Auch § 1 Abs 5 FVerlV lässt sich zur Begriffsbestimmung nicht direkt heranziehen, da die Vorschrift ausdrücklich nur auf § 1 Abs 3 S 10 Alt 1 und damit auf den ersten HS der Neuregelung Bezug nimmt.[646]. Für Baumhoff/Ditz/Greinert[647] sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, hier eine spezifische Auslegung anzuwenden, die von dem generellen Verständnis eines immateriellen Wirtschaftsgutes abweicht. Nach Auffassung des BMF[648] scheint diese Auffassung treffsicher, denn weitergehende Ausführungen zum Verständnis des Begriffs sind in dem Anwendungsschreiben nicht enthalten. Das Vorliegen eines immateriellen Wirtschaftsguts ist daher anhand der umfangreichen BFH-Rspr zur Definition immaterieller Wirtschaftsgüter heranzuziehen.[649]

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Die Anwendung der dritten Öffnungsklausel erfordert weiterhin, dass das immaterielle Wirtschaftsgut „wesentlich“ ist. Dieses Merkmal liegt vor, wenn bezogen auf dieses Wirtschaftsgut, in sinngemäßer Anwendung des § 1 Abs 5 FVerlV sowohl das qualitative Merkmal erfüllt als auch die quantitative Grenze iHv 25 % überschritten ist.[650] Demnach werden immaterielle Wirtschaftsgüter als wesentlich eingestuft, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind und ihr Fremdvergleichspreis insg mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt. Im Dunkeln bleibt, wie der Wert der sonstigen Vorteile ermittelt werden soll. Versteht man den Begriff der sonstigen Vorteile als Synonym für einzelne geschäftswertbildende Faktoren bzw Bestandteile des Geschäftswerts, lässt sich bereits aus § 255 Abs 4 HGB ableiten, dass ihre Ermittlung als Residualgröße nicht losgelöst vom übrigen Transferpaket erfolgen kann.[651] Mithin wird man regelmäßig auch bei Anwendung der dritten Öffnungsklausel nicht ohne eine Gesamtbewertung, dh die Ermittlung des fremdüblichen Verrechnungspreises auf Grundlage des Transferpakets auskommen. In diese Richtung scheint auch das BMF[652] zu tendieren: Bei Vorliegen eines wesentlichen immateriellen Wirtschaftsguts wird regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden sein, weil dieses häufig hochwertig und einzigartig sein wird. Bei der notwendigen Einbeziehung der Gewinnerwartungen des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens können geschäftswertbildende Faktoren und Standortvorteile Auswirkungen auf die Verrechnungspreisbestimmung haben, wenn voneinander unabhängige Unternehmen sie für ihre Preisfindung einbeziehen würden. Eine Unterstellung dahingehend, dass dieses der Regelfall sei, sei hingegen nicht angezeigt.

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Es muss zumindest ein wesentliches Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung sein. Das Wort „zumindest“ lässt erkennen, dass für die Anwendung der Öffnungsklausel auch mehrere (wesentlich) immaterielle Wirtschaftsgüter Gegenstand der Funktionsverlagerung sein können, die auf Grundlage der Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs 3 AO iVm der GAufzV vollständig und genau bezeichnet werden müssen.[653] Damit ergänzt die Regelung in § 1 Abs 3 S 10 zweiter HS (dritte Öffnungsklausel) die Regelung im ersten HS (erste Öffnungsklausel); letztere kommt zur Anwendung, wenn kein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut übertragen wird und erstere kommt zur Anwendung, wenn ein oder mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter (Wesentlichkeit!) Gegenstand der Funktionsverlagerung sind. In Bezug auf die übertragenen immateriellen Wirtschaftsgüter sind mithin alle möglichen Konstellationen abgedeckt.[654] Durch die Ergänzung von § 1 Abs 3 S 10 2. HS besteht nun regelmäßig die Möglichkeit, mittels Anwendung einer der Öffnungsklauseln eine Einzelbewertung der übertragenen Wirtschaftsgüter vorzunehmen, wodurch die ursprüngliche Ausnahme (Einzelbewertung statt Gesamtbewertung als Transferpaket) nunmehr die Regel darstellt:[655]

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Ebenfalls Voraussetzung zur Anwendung der dritten Öffnungsklausel ist, dass der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist. Glaubhaftmachung erfordert nach Auffassung des BMF[656] die Darlegung durch den Steuerpflichtigen, dass für die behauptete Tatsache eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die behauptete Tatsache ist nur zugrunde zu legen, wenn ihr Bestehen wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen, ansonsten ist die Behauptung schon begrifflich nicht „glaubhaft“ gemacht. Beachtlich ist, dass bei einer Glaubhaftmachung nur ein herabgesetztes Beweismaß zum Tragen kommt.[657] Nach der genannten Literaturmeinung sind mithin keine zu umfangreichen Anforderungen an die Ausführungen des Steuerpflichtigen zu stellen. Erkennbar muss nur sein, dass nicht nur die Funktion selbst (zB Produktion), sondern auch ein funktional mit der verlagerten Funktion zusammenhängendes immaterielles Wirtschaftsgut (zB Patent) übertragen wurde. Baumhoff/Ditz/Greinert[658] weisen weiter darauf hin, das Kriterium der Glaubhaftmachung sei insgesamt nicht bedeutsam. Sollte es dem Steuerpflichtigen nämlich nicht gelingen, die Übertragung zumindest eines immateriellen Wirtschaftsguts glaubhaft zum machen, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass kein immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung gewesen sei. In diesem Fall könne auf die erste Öffnungsklausel zurückgegriffen werden. ME ist dieser Auffassung konsequent und vom Gesetzeswortlaut gedeckt. Auch die Herabsetzung des Beweismaßes scheint tragfähig zu sein, denn nach Auffassung des BMF[659] erfordert die Glaubhaftmachung in der dritten Öffnungsklausel keine präzise Wertberechnung für das Transferpaket.

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Weitere Voraussetzung der neu eingefügten Vorschrift ist, das wesentliche immaterielle Wirtschaftsgut genau zu bezeichnen. Eine genaue Bezeichnung ist gegeben, wenn es aufgrund der Angaben des Steuerpflichtigen so eindeutig identifiziert werden kann, dass entweder ausreichende Vergleichswerte ermittelt werden können (§ 1 Abs 3 S 1–4) oder eine sachgerechte Preisbestimmung nach dem hypothetischen Fremdvergleich (§ 1 Abs 3 S 5–8) möglich ist.[660] Baumhoff/Ditz/Greinert[661] sehen es als hilfreich dafür an, in bekannte Systematisierungen von immateriellen Wirtschaftsgütern anzuknüpfen und unterscheiden marketingbezogene (zB Marken, Geschmacksmuster, Internet Domains), technologiebezogene (zB Patente, Gebrauchsmuster, Erfindungen, Rezeptoren, Software), kundenbezogene (zB Kundenstamm, Auftragsbestand), vertragsbezogene (zB Lizenzen, Belieferungsrechte, Konzessionen) oder kunstbezogene (zB Zeitschriften, Bilder, Schauspiele). Dies solle den Anforderungen des genauen Bezeichnens genügen.

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Die Rechtsfolge der dritten Öffnungsklausel besteht in dem Ansatz von Einzelverrechnungspreisen. Durch die Verwendung des Plurals ordnet das Gesetz gleichzeitig an, dass die Verwendung von Einzelverrechnungspreisen nicht nur für das genau bezeichnete wesentliche immaterielle Wirtschaftsgut gilt, sondern für alle Wirtschaftsgüter, die Teil der Funktionsverlagerung sind.[662] Die Einzelverrechnungspreise sind sodann auf Grundlage der allg Vorschriften zur Verrechnungspreisermittlung aufzustellen.

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In der Lit[663] wird die zutr Auffassung vertreten, bei Inanspruchnahme der dritten Öffnungsklausel ist kein Ansatz des Geschäfts- oder Firmenwerts angezeigt. Zwar ergibt sich das nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, kann jedoch aus der Entstehungsgeschichte ableiten. Allerdings ist die Übertragung von Geschäftschancen zu prüfen.

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Die zeitliche Anwendung bestimmt § 21 Abs 16 und erstreckt diese rückwirkend auf den Veranlagungszeitraum 2008, was eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen bedeutet. Mithin kann bei bereits verwirklichten Funktionsverlagerungen, soweit bereits ergangene Bescheide noch änderbar sind, rückwirkend der Ansatz mit dem Transferpaket durch den Ansatz von Einzelverrechnungspreisen ersetzt werden.

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Nach Auffassung der FV[664] ist die dritte Öffnungsklausel auch auf Funktionsverlagerungen anzuwenden, die einen Betrieb oder Teilbetrieb betreffen. Der Wortlaut der Norm enthält soweit keine Einschränkungen. Auch bei Übertragung eines Teilbetriebs, der mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter (einschließlich eines tatsächlich enthaltenen Geschäfts- oder Firmenwerts) enthält, ist eine Einzelpreisbestimmung auf Grundlage des hypothetischen Fremdvergleichs durchführbar.[665] Pohl[666] ergänzt bei der Anwendung der Regelungen im Fall von Teilbetriebsübertragungen, dass es gem § 1 Abs 1 S 2 FVerlV Funktionen um einen organisatorischen Teil ginge, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen müsse. Aus der Wortwahl „muss“ anstelle von „darf“ sei jedoch zugleich zu schließen, dass eine Funktionsverlagerung auch bei Vorliegen eines Teilbetriebs ohne Weiteres vorliegen könne. ME ist dem so nicht zuzustimmen. Per Definition wird eine Teilbetriebsübertragung auch regelmäßig eine Funktionsverlagerung darstellen, weil eine Funktion ein steuerrechtliches Weniger zum Teilbetrieb darstellt. Für Teilbetriebsübertragungen bestehen jedoch eigene Bewertungsvorschriften im EStG (zB § 16) und im UmwStG (zB § 20). § 1 tritt gegenüber diesen Bewertungsvorschriften als subsidiär zurück. Da hier die Auffassung vertreten wird, dass eine Anwendung von § 1 auf der Rechtsfolgenseite nicht angezeigt ist (vgl Rn 40) kann es zu keiner Überschneidung der Anwendungsbereiche kommen.

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Die dritte Öffnungsklausel ist nicht anwendbar, wenn mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter zwar Bestandteile des Transferpakets sind, jedes immaterielle Wirtschaftsgut für sich die Voraussetzungen der Wesentlichkeit jedoch nicht erfüllt, und zwar auch dann, wenn die Summe der Einzelwerte der betroffenen immateriellen Wirtschaftsgüter die quantitative Grenze insgesamt überschreitet.[667] Fasst der Steuerpflichtige hingegen mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter zusammen, deren gemeinsame Bewertung in Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden sachgerecht ist (zB Patent und Produktions-Know-How, dass der Herstellung desselben Wirtschaftsguts dient) und wird durch die gemeinsame Bewertung die Wesentlichkeitsgrenze überschritten, trifft dieses die Zustimmung des BMF,[668] wenn die sowohl zusammengefassten immateriellen Wirtschaftsgüter für die Verrechnungspreisbestimmung (und die entspr Bewertung) wie ein einheitliches immaterielles Wirtschaftsgut behandelt werden.

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In Betracht kommt mE noch eine vierte ungeschriebene Öffnungsklausel, die nicht nur dazu führt, dass die Verrechnungspreisbestimmung nicht auf Grundlage des Transferpakets erbracht werden muss, sondern die gesamten Regelungen des § 1 keine Anwendung finden. Dafür ist das ausländische Gesellschaftsrecht heranzuziehen und danach zu untersuchen, ob gleiche oder vergleichbare Regelungen zur Kapitalaufbringung wie in Deutschland bestehen. Ist es möglich, bei Kapitalgesellschaften und auch bei Personengesellschaften das (statuarische) Kapital im Wege einer Sachkapitaleinbringung bzw bei der Erhöhung des Kapitals dieses als Erfüllungsgegenstand für die Ausgabe neuer Anteile zu übertragen, liegt nach § 1 Abs 5 keine Geschäftsbeziehung vor. Vielmehr handelt es sich bei derartigen Vorgängen um gesellschaftsrechtliche Vorgänge, was dem Gesetz unschwer zu entnehmen ist. Wird mithin die Funktion als Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalmaßnahme auf die ausl Ges übertragen, ist eine Bewertung der übertragenen WG nach den Transferpaketsgrundsätzen und eine evt Berichtung von Einkünften iSv § 1 ausgeschlossen.

Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen

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