Читать книгу Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen - Katharina Becker - Страница 98
III. Vertragliche Anpassungsklauseln
Оглавление376
Die Möglichkeit zur späteren Anpassung des Verrechnungspreises ergibt sich aus Abs 3 S 11.[722] Zur Sicherstellung des Steueraufkommens vermutet das Gesetz widerlegbar in Abs 3 S 12, dass in den Fällen, in denen der Verrechnungspreis durch einen hypothetischen Fremdvergleich (Abs 3 S 5) für die Verlagerung einer Funktion (Abs 3 S 9) ermittelt wurde und die spätere Gewinnentwicklung erheblich von den Vorstellungen bei der Verrechnungspreisfindung abweicht, zu diesem Zeitpunkt Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden.[723] Unabhängige Dritte würden in diesen Fällen eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbaren.[724] Den eigentlichen Grund für die Einräumung einer nachträglichen Preiskorrektur nennt mE Schreiber:[725] „Weil die Ermittlung des Mindest- sowie des Höchstpreises auf den subjektiven Gewinneinschätzungen der beiden Konzernunternehmen für die Zukunft basiert, diese Prognosen jedoch nur schwer prüfbar sind, hat der Gesetzgeber der FinVerw die Möglichkeit eingeräumt, einen Abgleich zwischen den Gewinnprognosen und den tatsächlich erzielten Ist-Gewinnen durchzuführen und bei einem erheblichen Auseinanderfallen dieser Parameter noch zehn Jahre nach der Verlagerung eine steuerliche Korrektur durchzuführen.“[726] In der Lit[727] wird in Bezug auf die Regelung in Abs 3 S 11 darauf hingewiesen, dass diese (zunächst) nur einseitig ist, dh die FinVerw wird nur zu ihren Gunsten Anpassungen vornehmen. Nach der bisherigen Verwaltungspraxis[728] sind nachträgliche Preisfestlegungen bzw -anpassungen nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Sie sind dem Grunde nach nur anzuerkennen, wenn im Vorhinein sowohl ein entgeltliches Leistungsverhältnis als auch alle Preisbestimmungsfaktoren vereinbart werden. Nur in Ausnahmefällen sind nachträgliche Preisvereinbarungen anzuerkennen, wenn der StPfl anhand von Aufzeichnungen glaubhaft macht, dass sie in vergleichbaren Fällen auch zwischen fremden Dritten vorgenommen wären. IF der Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern bzw bei Funktionsverlagerungen macht das Gesetz die bisherige Verwaltungspraxis hinfällig und erscheint wie ein Paradigmenwechsel.[729]
377
Die Anwendung von Abs 3 S 11 setzt voraus, dass (1) der Verrechnungspreis für die Funktionsverlagerung durch einen hypothetischen Fremdvergleich ermittelt wurde, (2) wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter iSv § 1 Abs 5 FVerlV Gegenstand der Geschäftsbeziehung waren und (3) die spätere tatsächliche Gewinnentwicklung erheblich iSv § 10 FVerlV von der Gewinnentwicklung abweicht, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag.
378
Adressat der Preisanpassung ist der StPfl.Eine spätere Anpassung durch den StPfl kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn für die Funktionsverlagerung der Verrechnungspreis durch einen hypothetischen Fremdvergleich ermittelt wurde. Wurde der Verrechnungspreis aus einem tatsächlichen Fremdvergleich abgeleitet, werden auch bei späteren erheblichen Preisabweichungen keine Unsicherheiten im Hinblick auf die frühere Preisvereinbarung vermutet.[730]
379
Liegen die Voraussetzungen für die Vermutung nach Abs 3 S 11 vor, soll die FinVerw berechtigt sein anzunehmen, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten bestanden und fremde Dritte Anpassungsregelungen in ihren Vereinbarungen getroffen hätten.[731] Für den StPfl besteht aber die Möglichkeit nachzuweisen, dass voneinander unabhängige Dritte in der gleichen Situation wie die beteiligten nahe stehenden Unternehmen keine Anpassungsreglungen getroffen hätten.[732]
380
Wann eine erhebliche Abweichung, die zu einer Preisanpassung führt, vorliegt, ist in § 10 FVerlV geregelt.[733] Danach liegt eine erhebliche Abweichung vor, wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklung zutr Verrechnungspreis außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt, § 10 S 1 FVerlV. Mit dieser Regelung wird die Grenze bestimmt, wenn die Gewinnentwicklung des übernehmenden Unternehmens günstiger als vorhergesehen verläuft. In diesen (bestimmten) Fällen soll es der FinVerw erlaubt sein, die Abweichung als erheblich anzusehen.[734] Der Verordnungsgeber verfolgt mit der Regelung den Zweck, (nur) in Ausnahmefällen zu einer nachträglichen Anpassung nach Abs 3 S 12 zu kommen, um möglichst weit Planbarkeit und Vorhersehbarkeit für den StPfl und Finanzbehörden sicher zu stellen.[735]
381
Der neue Einigungsbereich wird durch den ursprünglichen Mindestpreis und den neu ermittelten Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens begrenzt, § 10 S 2 FVerlV. Zur Bestimmung des neuen Einigungsbereichs ist unverändert vom ursprünglichen Mindestpreis des verlagernden Unternehmens auszugehen, denn beim verlagernden Unternehmen kann nach der Funktionsverlagerung keine Veränderung mehr eintreten.[736] Dem entspr ist der Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens unter Berücksichtigung der erzielten Gewinne neu zu ermitteln, da insoweit erhebliche Abweichungen eingetreten sind.
382
Eine erhebliche Abweichung liegt auch vor, wenn der neu ermittelte Höchstpreis niedriger ist als der ursprüngliche Mindestpreis des verlagernden Unternehmens. Damit regelt die FVerlV einen zweiten Fall einer erheblichen Abweichung. § 10 S 3 FVerlV betrifft den Fall, dass die Gewinnentwicklung des übernehmenden Unternehmens so ungünstig verläuft, dass kein Einigungsbereich mehr angenommen werden kann.
383
Tritt eine spätere erheblich abw Gewinnentwicklung ein und hat der StPfl keine dieses berücksichtigende Anpassungsregelung bei Vertragsabschluss vereinbart, sieht Abs 3 S 12 für eine deshalb vorzunehmende Berichtigung vor, dass ein angemessener Anpassungsbetrag auf den ursprünglichen Verrechnungspreis der Besteuerung des Wirtschaftsjahres zugrunde zu legen ist, das dem Jahr folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist. Der FinVerw ist die einmalige Berichtigung aber nur erlaubt, wenn die erhebliche Abweichung innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach Geschäftsabschluss eingetreten ist. Die Frist ist taggenau nach den §§ 187 ff BGB zu berechnen. Unter Berücksichtigung der hohen Wettbewerbsintensität in praktisch allen Branchen und die daraus resultierenden kurzfristigen Veränderungen im Geschäft ist die Frist von zehn Jahren als zu lang und damit hinderlich anzusehen.[737]
384
Die angemessene Anpassung wird durch § 11 FVerlV konkretisiert.[738] Die Anpassung ist angemessen, wenn sie in den Fällen des § 10 S 1 FVerlV dem Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen und dem neu ermittelten Verrechnungspreis entspricht oder, wenn sie in den Fällen des § 10 S 3 FVerlV dem Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen Verrechnungspreis und dem Mittelwert zwischen dem neuen Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens und dem ursprünglichen Mindestpreis des verlagernden Unternehmens entspricht.[739] IF des § 10 S 1 FVerlV ist der aufgrund der tatsächlichen Gewinnentwicklung „zutr“ neu ermittelte Verrechnungspreis für die Funktionsverlagerung nach den allg Regeln abzuleiten (neuer Einigungsbereich, Mittelwert, falls kein anderer Wert glaubhaft gemacht wird).[740] Der Unterschiedsbetrag zum früheren Verrechnungspreis ist als Anpassungsbetrag in dem Wj zu erfassen, das dem Wj folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist. IF des § 10 S 3 FVerlV ist der Mittelwert zwischen dem früheren Mindestpreis des übertragenden Unternehmens und dem jetzigen Höchstbetrag des übernehmenden Unternehmens zu ermitteln; dieser Wert ist kleiner als der frühere Mindestpreis und größer als der jetzige Höchstpreis.[741] Der Unterschiedsbetrag zum früheren Verrechnungspreis ist als Anpassungsbetrag in dem Wj zu erfassen, das dem Wj folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist.
385
Möchte der StPfl einer möglichen Anpassung entgehen, muss er entweder die Vermutung in Abs 3 S 11 widerlegen oder tatsächlich eine Anpassungsregelung vereinbaren.[742] Hinsichtlich der Möglichkeit zur Widerlegung der Vermutung kritisieren Wassermeyer/Baumhoff/Greinert[743] der Gesetzgeber habe völlig offen gelassen, anhand welcher Argumente die Widerlegung erfolgen könne. Zweckmäßigerweise sollten die Geschäftsführer von Konkurrenzunternehmen als Zeugen dafür benannt werden, dass der Abschluss von vertraglichen Anpassungsklauseln unüblich sei. In der Tat scheint es nahezu unmöglich, die Vermutung widerlegen zu können. Erforderlich sind dafür Detailkenntnisse aus den Vertragsunterlagen fremder Unternehmen, die regelmäßig auch noch in Konkurrenz stehen werden. Auf die Detailkenntnisse werden aber regelmäßig nur die an der Geschäftsbeziehung beteiligen Unternehmen Zugriff haben. Nun könnte man dem Gesetzgeber unterstellen, dass er diese Schwierigkeit gesehen hat und deshalb von Konkretisierungen der Möglichkeit zur Widerlegung der Vermutung abgesehen hat. Der StPfl kann aber auch eine Anpassungsregelung, die nachträgliche Anpassungen iSv Abs 3 S 11 und 12 ausschließt, vereinbaren.[744] Eine solche liegt gem § 9 FVerlV auch dann vor, wenn im Hinblick auf wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Lizenzvereinbarungen getroffen werden, welche die zu zahlende Lizenz vom Umsatz oder Gewinn des Lizenznehmers abhängig machen oder für die Höhe der Lizenz Umsatz und Gewinn berücksichtigen. Zu weiteren Gestaltungsmöglichkeiten einer Preisanpassungsklausel schreibt der Verordnungsgeber[745] lediglich vor, dass diese darauf zu prüfen ist, ob sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Unter Beachtung dieser Grenze ist der StPfl hinsichtlich des Inhalts einer Preisanpassungsklausel frei. Möglich ist damit auch eine Vereinbarung, welche Anpassungen nur in engen Grenzen zulässt.[746] Erforderlich ist zB nicht, dass die Preisanpassungsklausel eine Laufzeit von zehn Jahren hat; als ausreichend wird eine Laufzeit von drei Jahren angesehen.[747]
386
Weitere Möglichkeiten, eine nachträgliche Preisanpassung durch die FinVerw zu verhindern bestehen nach Auffassung Schreibers[748] darin, (1) den Verrechnungspreis auf zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremddaten zu stützen, (2) darzulegen, dass Abweichungen nicht vorgekommen sind, bzw nicht erheblich sind, (3) glaubhaft machen, dass im Zeitpunkt der Funktionsverlagerung keine Bewertungsunsicherheiten bestanden oder dass unabhängige Dritte in einer vergleichbaren Situation trotz bestehender Bewertungsunsicherheiten keine Preisanpassungsklausel vereinbart hätten, (4) das Transferpaket nicht zu übertragen, sondern gegen eine umsatz- bzw gewinnabhängige Lizenz zu überlassen oder (5) das Transferpaket auf gesellschaftsrechtlicher Ebene außerhalb einer Geschäftsbeziehung überlässt. Auch soll durch die Wahl eines geeigneten Kapitalisierungszinssatzes iRd Ermittlung des Einigungsbereichs für die Bewertung des Transferpakets die Bandbreite bei Beibehaltung desselben Mittelwerts erweitert und damit das Risiko einer nachträglichen erheblichen Abweichung und damit der Anwendung der Preisanpassungsklausel vermieden werden können.[749]
387
Eine für den Steuerpflichtigen positive Möglichkeit zur Änderung der Verrechnungspreise sieht Engler[750] resultierend aus einer Rezession, die bei den meisten Unternehmen zu Umsatz- und Gewinneinbußen führt. Sind die Gewinnminderungen bzw Verluste Folge einer Rezession bzw Wirtschaftskrise, sind sowohl aus zivilrechtlicher als auch aus steuerrechtlicher Sicht Anpassungsmöglichkeiten für den Steuerpflichtigen gegeben, und zwar auch unterjährig. Inhaltlich wird man die Änderungen an den Margen an dem unteren bzw oberen Ende der eingeengten Bandbreite orientieren; auch können neue Benchmarkanalysen oder ein Verzicht auf die Verrechnung von Gewinnaufschlägen oder Lizenzen mit der Vereinbarung, in Betracht kommen.