Читать книгу Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen - Katharina Becker - Страница 91
2. Verlagerung
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In welchem Fall eine Verlagerung der Funktion iSd Abs 3 S 9 ff anzunehmen ist, ist in § 1 Abs 2 S 1 FverlV näher bestimmt.[602] Eine Funktionsverlagerung in diesem Sinne liegt vorbehaltlich des § 1 Abs 6 und 7 FVerlV vor, wenn ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahe stehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betr Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird. Eine Funktionsverlagerung kann auch vorliegen, wenn das übernehmende Unternehmen die Funktion nur zeitweise übernimmt, § 1 Abs 2 S 2 FVerlV. Geschäftsvorfälle, die innerhalb von fünf Wirtschaftsjahren verwirklicht werden, sind zu dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen des S 1 durch ihre gemeinsame Verwirklichung wirtschaftlich erfüllt sind, als einheitliche Funktionsverlagerung zusammenzufassen, sog Funktionsverdoppelung[603] (vgl Rn 329 ff). Voraussetzung für eine Funktionsverlagerung ist mithin, dass mit der organisationsrechtlichen Einheit Funktion dem verlagernden Unternehmen zuzurechnende Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile auf die (ausl) nahe stehende Person übergehen. Mangelt es an dem Übergang von Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen, kann folglich keine Funktionsverlagerung vorliegen.[604] Unter „sonstigen Vorteilen“ verstehen Baumhoff/Ditz/Greinert[605] in diesem Zusammenhang „sog singuläre oder unternehmerische Geschäftschancen dh die Möglichkeit, aus einem Geschäft oder einer betrieblichen Funktion zukünftig einen weitgehend konkretisierten Gewinn zu erzielen“.
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Zweifelsohne ist für die Ermittlung des Einigungsbereichs zwischen Mindest- und Höchstpreis des Transferpakts Voraussetzung, dass die Funktion als Ganzes (Transferpaket) dem verlagernden Unternehmen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Ist die wirtschaftliche Zurechnung nicht gegeben, hat das verlagernde Unternehmen natürlich keinen Anspruch, für die Übertragung der Funktion ein Entgelt zu verlangen. Die notwenige Zurechnung der Funktion zum verlagernden Unternehmen liegt vor, wenn und soweit das verlagernde Unternehmen selbst den erforderlichen Aufwand für die für die Funktion getragen hat, Wirtschaftsgüter und Vorteile, die Teil des Transferpakets sind, herzustellen oder zu erwerben; zB wenn eine Vertriebsgesellschaft Aufwand trägt, um einen Kundenstamm aufzubauen und nachfolgend den vorhandenen Kundenstamm mit anderen zugehörigen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen (Funktion) auf eine nahe stehende Person überträgt oder zur Nutzung überlässt. Dabei muss das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen mit den übertragenen Wirtschaftsgütern die Grundlage zu Verfügung stellt, damit das übernehmende Unternehmen die Funktion ausüben kann; hingegen ist nicht erforderlich, dass das übernehmende Unternehmen die Funktion in gleicher Weise ausübt wie das verlagernde Unternehmen.[606]
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Die Verlagerung muss in allen Fällen grenzüberschreitend sein, dh das übernehmende oder verlagernde Unternehmen müssen im Ausland (Inland) ansässig sein. Dieses Erfordernis wird in § 1 Abs 2 FVerlV zwar nicht ausdrücklich genannt, folgt aber unmittelbar aus Abs 1 des Gesetzes.
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Funktionsverlagerungen können in folgenden Formen gegeben sein:[607]
– | Funktionsausgliederung, bei der das verlagernde Unternehmen die konkreten Funktionen vollständig aufgibt und diese Funktionen mitsamt den dazugehörigen Chancen und Risiken (Gewinnpotenzial) auf das übernehmende Unternehmen überträgt; zB Aufgabe der gesamten Produktion im Inland und Verlagerung auf eine ausl nahe stehende Person (et vice versa);[608] |
– | Funktionsabschmelzung, bei der die konkrete Funktion und das damit zusammenhängende Gewinnpotenzial verkleinert bzw vermindert wird; zB ein Eigenhändler wird zum Kommissionär;[609] |
– | Funktionsabspaltung, bei der ein Teil der konkreten Funktion auf einen nahe stehenden Auftragnehmer abgespalten wird; zB Verlagerung der Produktion einer bestimmten Ware (Teile der Produktion) mit dem dazugehörigen Gewinnpotenzial auf einen Lohnfertiger; |
– | Funktionsausweitung, bei der eine weitere Funktion übernommen wird; zB Auftragsfertiger wird zum Eigenproduzenten. |
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Einen Sonderfall bildet die Funktionsverdoppelung. Vom Wortlaut des Gesetzes „Verlagerung“ kann die Funktionsverdoppelung nicht unter die Regelung fallen, denn eine Verlagerung setzt begrifflich die Beendigung der Funktion im Inland und Übertragung auf eine ausl nahe stehende Person voraus.[610] Dieses Verständnis entspricht § 1 Abs 6 S 1 FVerlV. Dort ist bestimmt, dass eine Funktionsverlagerung iSv § 1 Abs 2 FVerlV nicht vorliegt, wenn es trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs 2 FVerlV innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das nahe stehende Unternehmen zu keiner Einschränkung der Ausübung der betr Funktion durch das in § 1 Abs 2 S 1 FVerlV zuerst genannte Unternehmen („verlagerndes“ Unternehmen) kommt (Funktionsverdoppelung). Kommt es innerhalb dieser Frist zu einer solchen Einschränkung, liegt zum Zeitpunkt, in dem die Einschränkung eintritt, insgesamt eine einheitliche Funktionsverlagerung vor, es sei denn, der StPfl macht glaubhaft, dass diese Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht, § 1 Abs 2 S 2 FVerlV.[611] Ist eine einheitliche Funktionsverlagerung anzunehmen, sind gem § 4 Abs 3 FVerlV die Verrechnungspreise für die Geschäftsvorfälle, die dazu geführt haben, dass eine Funktionsverlagerung vorliegt, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspr so anzusetzen, dass sie zusammen mit dem ursprünglich bestimmten Verrechnungspreisen dem nach § 3 Abs 1 FverlV bestimmten Wert des Transferpakets als Ganzes entsprechen. Durch die Regelung sollen Änderungen der Verrechnungspreise für die zuerst verwirklichten Geschäftsvorfälle und dadurch mögliche Probleme der Doppelbesteuerung vermieden werden, den die früheren Geschäftsvorfälle werden regelmäßig schon zu ertragsteuerlichen Konsequenzen im Investitionsstaat geführt haben.[612]
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Nach der Begr[613] zur FVerlV soll § 1 Abs 6 S 1 FVerlV klarstellen, dass in Fällen, in denen zwar wesentliche Voraussetzungen für eine Funktionsverlagerung nach § 1 Abs 2 FverlV erfüllt seien, keine Funktionsverlagerung vorliege, wenn es zu keiner Einschränkung der Funktion des bisher tätigen Unternehmens komme. Diese Fälle würden als Funktionsverdoppelungen definiert, für die die Regelungen zum Transferpaket (vgl Rn 335 ff) nicht anwendbar seien. Führe die Funktionsverdoppelung lediglich zu einer geringfügigen oder zeitlich begrenzten Einschränkung der betr Funktion beim bisher schon tätigen Unternehmen (Bagatellfälle), entfiele die Anwendung der Regelungen für Funktionsverlagerungen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs 7 S 2 2. Alt FVerlV, dh wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde.[614]
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Nach dem Verständnis des Verordnungsgebers[615] gelte für Funktionsverdoppelungen grds ebenfalls der Fremdvergleichsgrundsatz, dh für sämtliche zum Zweck der Funktionsverdoppelung übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter und Vorteile und für alle in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen seien angemessene Verrechnungspreise anzusetzen. Der sachliche Unterschied zu Funktionsverlagerungen liege hinsichtlich der Bestimmung der Verrechnungspreise darin, dass in Fällen von Funktionsverdoppelungen davon ausgegangen werden könne, dass die Summe der Einzelpreise der übertragenen bzw zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter und Vorteile und der erbrachten Dienstleistungen dem Preis für das Transferpaket entsprächen. Dies beruhe va darauf, dass keine Einschränkung der Funktionsausübung des bisher schon tätigen Unternehmens eintrete (§ 1 Abs 2 S 1 FVerlV) und deshalb typisierend davon ausgegangen werden könne, dass in diesem Zusammenhang immaterielle Wirtschaftsgüter allenfalls zur Nutzung überlassen würden und bestimmte, wichtige immaterielle Wirtschaftsgüter nicht Gegenstand des Vorgangs seien, zB der Kundenstamm oder Teile davon. Beinhalte eine Funktionsverdoppelung außerordentliche Geschäftsvorfälle, zB weil nach § 3 GAufzV wesentliche Funktions- und Risikoänderungen im Konzern eintreten, greife iÜ die Verpflichtung zur zeitnahen Erstellung von Aufzeichnungen (dazu Rn 295).
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S 2 von § 1 Abs 6 FVerlV stelle klar, dass in den angesprochenen Fällen die Geschäftsvorfälle der (bisherigen) Funktionsverdoppelung und die späteren Geschäftsvorfälle, die zur Annahme einer Funktionsverlagerung führten, insgesamt eine einheitliche Funktionsverlagerung darstellten.[616] Die Funktionsverlagerung sei in dem Zeitpunkt als solche zu behandeln, in dem – aufgrund eines der späteren Geschäftsvorfälle – feststünde, dass insgesamt eine Funktionsverlagerung verwirklicht worden sei. Hierdurch werde auch klargestellt, dass die Aufzeichnungspflichten für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle nach § 3 GAufzV (soweit die Voraussetzungen vorliegen) erst in diesem Zeitpunkt wirksam würden.
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Die Verpflichtung des StPfl zur Glaubhaftmachung sei angemessen, weil der erforderliche Sachverhalt in der Sphäre des StPfl verwirklicht werde und er den direkten Zugang zu den erforderlichen Informationen habe.[617] Die Glaubhaftmachung erfordere eine plausible Darlegung aller tatsächlichen objektiven Umstände, die den Rückschluss zuließen, dass kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der späteren Einschränkung der betr Funktion des bisher schon tätigen Unternehmens und der Aufnahme dieser Funktion durch das andere Unternehmen gegeben sei.[618]
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Die Fünfjahresfrist sei angemessen, weil einerseits innerhalb dieser Frist im Regelfall abschließend erkennbar werde, ob eine Funktionsverlagerung oder eine Funktionsverdoppelung vorliege, und andererseits ein längerer Zeitraum zu große Belastungen für die StPfl verursachen könnte.[619]