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Verschwenden Sie Ihr Marktgeschrei nicht an ergrauende Konsumenten

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»Ich rechne damit, dass die Midlife-Crisis schon bald zuschlägt, dass die Haare grau werden und der körperliche Niedergang beginnt«, schreibt der britische Journalist und Zeitungsmacher Stefano Hatfield. »Und dann erwarte ich, dass die Werber anfangen, mich zu umgarnen, mit einem Blick auf mich einreden, der mir zeigt, wie sehr sie mich wollen.« Umfrageergebnisse zeigen, dass sich satte 96 Prozent der Briten über fünfzig von der Werbung vernachlässigt fühlen. »Die Babyboomer haben das Geld, doch die Werbung scheint das nicht zu interessieren«, heißt es in einem neueren Artikel der Verbandszeitschrift der »American Association of Retired Persons« (AARP). Und wenn schon die über Fünfzigjährigen so denken, kann man sich gut vorstellen, wie sich die Über-Sechzig- oder Siebzigjährigen fühlen müssen. Während das Bevölkerungswachstum bei Jungen sowohl ab- als auch zunimmt, wächst auf der ganzen Welt die Bevölkerung der über Sechzigjährigen.

Halten wir uns an die Zahlen.

In China feiern täglich etwa 54000 Menschen ihren sechzigsten Geburtstag. In den Vereinigten Staaten beläuft sich diese Zahl auf etwa 12000. Auf der ganzen Welt sind es erstaunliche 210000. Solchen Zahlen können nur wenige Unternehmer und Firmen widerstehen. Bis 2030 wird die Zahl der Menschen in dieser Altersgruppe weltweit etwa 1,4 Milliarden betragen – in den Vereinigten Staaten werden 14 Millionen mehr von ihnen leben (und damit insgesamt 90 Millionen), in Mexiko 6 Millionen, im Vereinigten Königreich 3 Millionen, in Indien 50 Millionen und in China sage und schreibe 113 Millionen mehr. Selbst unterentwickelte Länder werden hohe Zuwächse in dieser Bevölkerungsgruppe erleben, insbesondere wenn man sie relativ betrachtet. Die Zahl der über Sechzigjährigen wird in Bangladesch etwa von 13 auf 21 Millionen Menschen steigen.

Die entscheidende Maßzahl für jene, die die gesellschaftlichen Folgen dieses demographischen Wandels analysieren, ist der Anteil an der Gesamtbevölkerung, den diese Gruppe besitzt. Bis 2030 wird er in Japan 38 Prozent erreicht haben, in Deutschland 34 Prozent, im Vereinigten Königreich 28 Prozent, in den Vereinigten Staaten 26 Prozent und in China 25 Prozent.

Werden unsere Renten- und Gesundheitssysteme damit zurechtkommen?

Dies ist eine berechtigte Frage. Doch wir sollten diese Zahlen lateral betrachten und sehen, welche Möglichkeiten sich bieten. Im Jahr 2018 bezeichnete Forbes eine alternde Bevölkerung als »Segen für Unternehmen«. Der Economist argumentierte kürzlich seinerseits: »Ältere Konsumenten werden die Unternehmenslandschaft neu formen«. Wir alle stehen vor dem Anbruch eines »Marktes der Grauhaarigen«, eines Marktes, dessen Kaufkraft insbesondere in den Schwellenländern steigen wird. Und doch schätzt die Boston Consulting Group, dass nur eines von sieben Unternehmen darauf vorbereitet ist. Es ist kein Geheimnis, dass in den Technologie-, Marketing- und Verkaufsabteilungen sowohl etablierter Firmen als auch von Start-ups zumeist junge Leute sitzen, denen es, wenig überraschend, schwerfällt, die Gewinnchancen in einem grauen Markt zu erkennen. Doch das ist ein Fehler. Nicht nur ist der »Markt der Grauhaarigen« gesünder, als er es in der Vergangenheit war, einige schätzen die Kaufkraft älterer Konsumenten im Jahr 2030 gar auf 20 Billionen US-Dollar.

Die Bedürfnisse und Wünsche ergrauender Konsumenten anzusprechen ist nicht leicht. So betont Maria Henke, stellvertretende Dekanin der School of Gerontology an der University of Southern California: »Senioren sind eine schwierige Gruppe. Jede Marktschreierei ist an ihnen verschwendet. Wenn es um Werbung geht, haben sie alles schon gesehen.« Schließlich sind sie als Babyboomer zwischen 1944 und 1964 geboren und haben alle Revolutionen in der Werbung, von Radio-Jingles bis zum viralen Marketing, hautnah miterlebt. Da bleiben Abnutzungserscheinungen und eine gewisse Skepsis nicht aus: »Brauche ich das wirklich?«

Doch geht es um viel mehr, als einfach nur die richtigen Kommunikations- und Werbestrategien zu finden. Einige Menschen altern schneller als andere. Ihre Bedürfnisse und Vorlieben entwickeln sich unterschiedlich. Sie fühlen sich nicht alt oder denken nicht so von sich. So bemerkt etwa Stefano Hatfield: »Die meisten Werbetreibenden und vor allem die Medien haben nicht verstanden, dass das Fünfzig von heute nicht mehr das Fünfzig unserer Eltern ist.« Doch Menschen lassen sich nicht so einfach in fein säuberlich getrennte, durch das Alter definierte Kategorien einteilen. Coco Chanel hat den berühmten Satz gesagt: »Über vierzig ist niemand mehr jung, und doch kann man in jedem Alter unwiderstehlich sein.« Aber, wie Jeff Beer im Magazin Fast Company bemerkt: »Werbung, die sich an ältere Konsumenten richtet, neigt dazu, im besten Fall herablassend, schlimmstenfalls beleidigend zu sein.« Sarah Rabia, Global Director für kulturelle Strategien der Werbeagentur TBWA, bringt das Problem auf den Punkt: »Entweder man entscheidet sich für eine inklusive Strategie, definiert nicht nach Alter, sondern betrachtet die Werte und Ähnlichkeiten der Zielgruppe, weil es genügend Dinge gibt, die Babyboomer und Millennials gemeinsam haben, oder man fokussiert sich ganz eng auf das ältere Publikum, allerdings in einem Ton, der zugleich optimistisch, modern und progressiv ist.«

»Die große Mehrheit von Menschen sagt, gut zu altern bedeute, Zeit mit Leuten zu verbringen, die sowohl älter als auch jünger sind als man selbst«, heißt es in einer Studie der global agierenden Werbeagentur McGann. Nadia Tuma, Vizepräsidentin der Forschungsabteilung von McGann, fügt an: »Es geht um intergenerationale Verbindungen, etwas, das viel stärker ist, als einfach nur eine gute Feuchtigkeitscreme zu finden.« Das ist der entscheidende Punkt: Die Kategorien der Vergangenheit werden 2030 niemandem mehr nützen. »Es ist fast so, als wären die Demographien, die wir entwickelt haben, nur hinderlich, wenn es darum geht, Menschen besser zu verstehen«, schreibt Tuma.

Ich will ein weiteres Beispiel anführen, um zu zeigen, warum es schwierig ist, den ergrauenden Konsumenten zu »kategorisieren«. Langlebige Gebrauchsgüter – wie Elektrogeräte, Werkzeuge, Autos – stellen eine enorme Herausforderung dar. Sie werden entwickelt und hergestellt, um idealerweise fünf, zehn oder sogar zwanzig Jahre zu halten. Während dieser Zeit könnten sich die Bedürfnisse und Fähigkeiten alternder Verbraucher auf eine Weise verändern, die das Produkt für diesen Verbraucher tatsächlich unbrauchbar machen. Man darf nicht vergessen, dass ergrauende Konsumenten es vorziehen, langlebige Güter weniger häufig zu ersetzen als jüngere Leute, insbesondere wenn sie sicherstellen wollen, dass ihre Ersparnisse für den Ruhestand ausreichen. Wie könnte also die ideale Waschmaschine für Sechzigjährige aussehen? Noch werden Frontlader einfach zu bedienen sein, und sie verbrauchen weniger Energie als andere Waschmaschinentypen. Doch womöglich empfindet eine Person im Alter von siebzig oder achtzig einen Toplader angenehmer (wenngleich die Stromrechnung ein wenig höher ausfallen wird). Die Knöpfe sollten leichter zu drücken, Symbole und Textanzeigen besser zu erkennen sein. »Ein einfach zu erreichender Türgriff einer Toplader-Waschmaschine ist die optimale Lösung für Menschen, die Probleme mit den Händen haben«, heißt es in einem Artikel über altersgerechte Waschmaschinen. »Und je tiefer und breiter der Griff ist, desto einfacher ist er für Menschen mit Sehschwierigkeiten zu finden.«

Es gibt zwei mögliche Wege, Senioren davon zu überzeugen, dass Produkte nach ihren Bedürfnissen entwickelt wurden. Der erste Ansatz ist es, Leasingangebote zu machen, die es Konsumenten erlauben, alle paar Jahre auf neue Produkte umzusteigen. Für Menschen, die befürchten, das Produkt nicht zu überleben, ist dies attraktiver als ein Kaufangebot. Ein zweiter Weg wäre, Produkte zu entwerfen, die das Nachlassen der Gesundheit, der körperlichen Kräfte und kognitiven Fähigkeiten der Konsumenten, berücksichtigen. Im Fall der Waschmaschine wäre es durchaus möglich, einige generationenbedingte Präferenzen zu integrieren, indem man etwa die Geräte mit veränderbaren digitalen Displays und Bedienungselementen ausstattet.

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