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Unser schwindendes Interesse an Sex

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Die menschliche Bevölkerungsentwicklung neigt dazu, chaotisch zu verlaufen. Über Jahrtausende war das Bevölkerungswachstum an den Zugang zu Nahrung, den Ausbruch von Kriegen, die Verbreitung von Krankheiten und die Auswirkungen natürlicher Katastrophen geknüpft. Philosophen, Theologen und Wissenschaftler haben Jahrhunderte mit der Frage gerungen, wie viele Menschen von den Ressourcen der Erde ernährt werden können. Im Jahr 1798 warnte Reverend Thomas Robert Malthus, ein britischer Professor für politische Ökonomie und Ahnherr der modernen Demographie, vor einem exponentiellen Anstieg der Weltbevölkerung. Zu Malthus’ Zeit betrug die Weltbevölkerung unter einer Milliarde (heute 7,5 Milliarden). Malthus – wie viele seiner Zeitgenossen – fürchtete, die Gattung Mensch riskiere durch Überbevölkerung die eigene Auslöschung. »Die Bevölkerungszahl«, schrieb er, »übersteigt die Möglichkeiten der Erde, die Lebensgrundlagen der Menschen zu sichern, in einem solche Maße, dass ein vorzeitiger Tod des menschlichen Geschlechts auf die eine oder andere Art die Folge sein wird.«

Im Nachhinein können wir sagen, dass Malthus das Potential von Erfindungen und Innovationen unterschätzt hat, die letztlich zu einer erstaunlichen Erhöhung der Agrarerträge geführt haben. Zudem sah er nicht die enormen Möglichkeiten internationaler Handelsbeziehungen, die dank schnellerer und billigerer überseeischer Transportwege zu einer verbesserten Lebensmittelversorgung führten. Er betonte allerdings zu Recht, dass Bevölkerung und Nahrung zwei Seiten einer Medaille sind.

Was Malthus sich aber wohl nie hätte träumen lassen, ist die Tatsache, wie sehr moderne Technologien unser Bedürfnis nach Sex verringern sollten. Die Verbindung zwischen beiden ist verblüffend einfach. Je mehr alternative Unterhaltungsformen uns zur Verfügung stehen, desto weniger häufig haben wir Sex. Moderne Gesellschaften bieten eine ganze Palette an Unterhaltungsmöglichkeiten, von Radio und Fernsehen bis hin zu Videospielen und Social Media. In einigen entwickelten Ländern wie den Vereinigten Staaten ist die Häufigkeit sexueller Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurückgegangen. Eine in der Fachzeitschrift Archives of Sexual Behavior veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass »amerikanische Erwachsene 2010 etwa neunmal weniger Sex im Jahr hatten als in den späten 1990er Jahren« – ein Rückgang, der sich vor allem unter verheirateten Amerikanern und solchen mit festen Partnern bemerkbar machte. Im entsprechenden Alter hatten »jene, die in den 1930er Jahren geboren wurden (die sogenannte ›stille Generation‹), am häufigsten Sex, jene, die in den 1990ern geboren wurden (die ›Millennials‹ und die sogenannte Generation ›iGen‹), am wenigsten.« Die Studie schloss mit dem Ergebnis, dass »Amerikaner weniger häufig Sex haben aufgrund einer zunehmenden Anzahl an Individuen ohne feste Partner oder Ehepartner und einer rückläufigen Sexualfrequenz unter jenen mit Partnern«.

Ein amüsantes Beispiel, das die Bedeutung alternativer Unterhaltungsformen für unseren Geschlechtstrieb zeigt, hat mit einem Stromausfall zu tun. Im Jahr 2008 brach auf der ostafrikanischen Insel Sansibar einen ganzen Monat lang die Stromversorgung zusammen. Betroffen war allerdings nur jener Teil der Insel, in dem die Häuser mit dem Stromnetz verbunden waren. Die restliche Bevölkerung verwendete weiter ihre Dieselgeneratoren. Diese Situation verschaffte Forschern ein einzigartiges »natürliches Experiment«, anhand dessen sie die Wirkung des Stromausfalls auf das Zeugungsverhalten der Menschen studieren konnte: Die »Experimentalgruppe« der Stromnetzkunden musste einen Monat ohne Elektrizität auskommen, für die »Kontrollgruppe« mit ihren Dieselgeneratoren änderte sich nichts. Neun Monate später wurden innerhalb der »Experimentalgruppe« 20 Prozent mehr Babys als üblich geboren, während ein vergleichbarer Anstieg in der »Kontrollgruppe« ausblieb.

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