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Graue Prioritäten
ОглавлениеDie Möglichkeiten, neue Produkte und Dienstleistungen für den »Markt der Grauhaarigen« zu entwickeln, sind ungeheuer groß. Doch muss man vor allem verstehen, wie ältere Menschen ihr Geld ausgeben werden. Dabei genießt der Aspekt der Lebensqualität, wenig überraschend, eine hohe Priorität. Der AARP zufolge sehen die meisten Senioren ihre Lebensqualität im Großen und Ganzen optimistisch. Sie sind finanziell gut gestellt, erfreuen sich geistiger und körperlicher Gesundheit und wollen sich jetzt vor allem erholen und ihre Freizeit im Kreis der Familie verbringen. Fast drei von vier erwarten, dass sich ihre Lebensqualität verbessert oder gleichbleibt (wobei diese Form des Optimismus nach Erreichen des siebzigsten Lebensjahres nachlässt). Zunehmend wird sie auch als Unabhängigkeit, Autonomie, Mobilität und Konnektivität definiert. Und es geht nicht nur darum, mit dem Verlust körperlicher und kognitiver Fähigkeiten umzugehen, auch der Kampf gegen Einsamkeit und eine anhaltende Lebensfreude sind von Bedeutung. Der schwedische Regisseur Ingmar Bergman hat diese ganz spezielle Gemütslage in Wilde Erdbeeren beeindruckend eingefangen. In diesem Film von 1957 bricht ein mürrischer siebenundachtzigjähriger Arzt zu einer sechshundert Kilometer langen Autofahrt auf, um einen Preis für sein Lebenswerk entgegenzunehmen. Auf dem Weg trifft er auf Personen, die ihn an beunruhigende Ereignisse und an Enttäuschungen aus seinem Leben erinnern. Einige schließen sich ihm auf seiner Reise an. Es ist eine Odyssee, die das ganze Ausmaß seiner Einsamkeit offenlegt.
Weil der Markt der Grauhaarigen wächst, werden Gesundheitsfürsorge, häusliche Pflege, betreutes Wohnen und andere Dienstleistungsbranchen boomen. Auch wird man Freizeit und Unterhaltung großschreiben. Doch die größten Möglichkeiten liegen womöglich innerhalb des Bereichs der Lebensqualität, der von kreativen und innovativen Lösungen profitieren wird.
Nehmen wir Schuhe. Was Design, Qualität und Preis angeht, gibt es unendlich viele Möglichkeiten. In der Schuhbranche gibt es Tausende von Firmen und Marken, und außer Nike hat keine von ihnen einen wesentlichen Marktanteil. Ziehen wir jetzt noch die Bedürfnisse der Senioren in Betracht: Schuhe, die Knie- und Hüftschmerzen lindern, sind heute schon stark gefragt. Wichtig wird es sein, Schuhe zu entwerfen, die sowohl geschmackvoll aussehen als auch leicht zu tragen sind. Verbraucher, die heute körperlich gesund und fit sind, denken womöglich nicht daran, aber es existiert ein Interesse für Schuhe, bei denen der linke unabhängig vom rechten je nach Bedürfnis modifiziert werden könnte. Mit derartigen verbraucherorientierten Details kann eine Firma Millionen von möglichen Kunden gewinnen – wenn sie bereit ist, anstehende demographische Veränderungen in ihre Markenstrategie zu integrieren.
Wie sieht es mit dem Einkaufserlebnis aus? Was können Einzelhändler tun? Nun, sie könnten ihre Geschäfte früher öffnen, da Senioren eher früh aufstehen. Sie könnten den ersten Kunden des Tages Rabatte gewähren. Sie könnten Treueprogramme anbieten, sicherstellen, dass es genügend Sitzmöglichkeiten gibt, und Mitarbeiter anstellen, die darauf geschult sind, die Bedürfnisse und Sorgen der Älteren zu verstehen.
Viele Möglichkeiten bieten sich selbstverständlich im Gesundheits- und Fitnesssektor. Fitness- und Yogastudios haben sich vor allem an Standorten niedergelassen, wo viele (junge) Leute arbeiten. Eine einfache Internetsuche auf der Website des »International Council on Active Aging« (ICAA) ergibt, dass es in der US-Postleitregion 77494 von Katy, in Texas, wo etwa 105000 Anwohner leben, nur fünf seniorenfreundliche Fitnessstudios gibt – also Einrichtungen, die für aktive, jedoch alternde Kunden in allen Bereichen zugänglich sind. Nur zwei liegen innerhalb meiner Postleitregion in Downtown Philadelphia, wo 20000 Menschen leben, und nur eines in Lexington, in Virginia, wo das Durchschnittsalter der Bevölkerung zu den niedrigsten in den Vereinigten Staaten zählt. In Sumter County in Florida, wo das mittlere Alter der Bevölkerung höher ist als irgendwo sonst im Land, gibt es nur sieben seniorenfreundliche Fitnessstudios für 125000 Bewohner. Jetzt ist die Zeit, darüber nachzudenken, ob man nicht ein paar mehr in Gegenden eröffnen sollte, in denen Senioren leben (oder gerne leben würden).
Und wie sieht es beim Online-Shopping aus? Die Geister scheiden sich an der Frage, ob Senioren E-Commerce-Websites als die bessere, weil bequemere Einkaufsmöglichkeit akzeptieren werden. Dem Marktforschungsunternehmen eMarketer zufolge liegen Amerikaner, die sechzig Jahre und älter sind, nur wenige Prozentpunkte hinter anderen Altersschichten, wenn es darum geht, Amazon Prime zu nutzen, Online-Informationen über Produkte einzuholen, bevor man sie in Läden oder auch direkt auf Online-Plattformen kauft. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Smartphone verwenden, um einen Kauf durchzuführen, oder dass sie über Social-Media-Plattformen von einem Produkt gehört haben, geringer. Obwohl sie ganz und gar keine »digitalen Nachzügler« sind, zeigen ergrauende Konsumenten eine gewisse Vorliebe für Einkäufe in der Nachbarschaft. Sie gehen lieber in kleinere Geschäfte, wo sie persönlich beraten werden. Daten des Beratungsunternehmens Nielsen zeigen, dass Senioren sehr viele verschiedene Geschäfte aufsuchen, öfter als andere Altersgruppen, insbesondere Lebensmittelläden. Doch das eine schließt das andere nicht aus. Tatsächlich könnten E-Commerce und konventionelle Einkaufsformen komplementär aufgefasst werden, wobei wir nicht vergessen sollten, dass ein großer Anteil der Senioren stärker auf Preise achtet, um sicherzustellen, dass die Ersparnisse im Alter ausreichen.
Auch im Bereich der Ermessensausgaben – also Ausgaben für andere Dinge als Wohnen, Lebensmittel, Wohnnebenkosten, Krankenversicherung, Transport und Erziehung – offenbart der Markt der Grauhaarigen Steigerungspotential. In den Vereinigten Staaten erreichen Ermessensausgaben bei Menschen zwischen Mitte dreißig bis Mitte fünfzig etwa 40 Prozent der Gesamtausgaben. Senioren reduzieren ihre nicht notwendigen Ausgaben jedoch schrittweise aufgrund der abnehmenden Mobilität und des höheren Bedarfs an Pflegediensten. Für die über Fünfundsiebzigjährigen sinkt der Anteil auf weniger als 33 Prozent.
Wenn man global über Ermessensausgaben nachdenken will, gibt es jedoch einen Haken. In Europa, Kanada und Japan ist der Anteil an Ermessensausgaben aufgrund eines niedrigeren Eigenanteils an den Gesundheitskosten bis zu 12 Prozent höher als in den Vereinigten Staaten. Mit anderen Worten: Die Krankenversicherung hat Einfluss auf die Höhe der nicht notwendigen Ausgaben. So gibt etwa ein fünfundsechzigjähriger US-Bürger im Schnitt 14 Prozent seiner Einnahmen für die Krankenversicherung aus, während es im Vereinigten Königreich weniger als 3 Prozent sind. Dies ermöglicht es britischen Senioren, proportional doppelt so viel für Dinge wie Kleidung, Restaurants und Reisen auszugeben.
Was den Freizeitbereich angeht, herrscht oft die falsche Vorstellung, dass Senioren mehr als andere Altersgruppen ausgeben, weil sie hierfür mehr Zeit haben. Tatsächlich geben ergrauende Konsumenten nicht unbedingt mehr Geld für Reisen und Unterhaltung aus als andere Altersgruppen, und je länger sie sich gesund und fit fühlen, desto mehr gehen sie auch anderen Beschäftigungen nach: Sie gehen weiterarbeiten (zumindest in Teilzeit), versuchen sich auf Online-Plattformen als Freiberufler oder übernehmen ein Ehrenamt. Darüber hinaus ist die Kategorie »Freizeit« so heterogen, dass sie tatsächlich gewisse wichtige Trends unterschlägt. Senioren verbringen einen größeren Teil ihrer Freizeit mit Fernsehen, Lesen, Entspannen oder Nachdenken als etwa Vierzig- oder Fünfzigjährige. Wenn es um kostenpflichtige Freizeitangebote geht, sind Senioren von heute eher bereit, Geld für Reisen auszugeben als frühere Generationen, weil sie gesünder und in besserer körperlicher Verfassung sind. Die Gesamtausgaben von Senioren für touristische Ziele sind in Europa, China und Japan höher als in den Vereinigten Staaten, was bedeutet, dass die Chancen für ein künftiges Wachstum dort größer sind als anderswo – vorausgesetzt, die Kosten für die Gesundheitsvorsorge steigen nicht. Und angesichts der Tatsache, dass Ältere eher kürzere Entfernungen bevorzugen, werden mit einer steigenden Nachfrage im Bereich des Seniorentourismus vor allem Jobs innerhalb des eigenen Landes geschaffen.