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Vorwort zur deutschen Ausgabe

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Während wir noch sehr unter den Auswirkungen einer Jahrhundert-Epidemie leiden, zeichnet sich heute bereits ab, dass mit Covid-19 eine Epoche des technologischen Wandels begonnen hat. Selbsternannte Experten verkünden darüber hinaus den Niedergang des Einzelhandels, das Ende des Personennahverkehrs und die Umkehrung der Globalisierung. Zwar glaube auch ich, dass die Narben dieser Krise noch lange spürbar sein werden, doch ist es wichtig, nicht zu übertreiben und mit den Prognosen vorsichtig zu sein, solange wir nicht alle Fakten beisammenhaben. E-Commerce, Homeoffice und antiglobale Tendenzen wie etwa Protektionismus und Ausländerfeindlichkeit sind derzeit in der Tat vorherrschende Trends, doch führen sie nicht unbedingt in jene Richtung, die diese Experten vorhersagen.

Anders als frühere Pandemien wird diese vorrangig bereits existierende Trends beschleunigen, sei es die Übernahme technologischer Neuerungen, die Alterung der Bevölkerung, den Aufstieg von Frauen in bedeutende gesellschaftliche Positionen oder die Transformation von Schwellenländern in die größten Verbrauchermärkte der Welt. Deutschland wird von der Beschleunigung jener Trends, die ich in diesem Buch im Detail beschreibe, sehr wahrscheinlich eher profitieren als darunter leiden. Seine Wirtschaft ist sowohl im europäischen als auch im globalen Kontext konkurrenzfähig, und das Land besitzt eine hochqualifizierte Bevölkerung, ein wichtiger Faktor in der Transformation der Wissensökonomie. Doch fehlt es nicht an Herausforderungen, denen es sich stellen muss, darunter eine alternde Bevölkerung, Energieabhängigkeit und eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen Ost und West sowie Nord und Süd.

Ich erinnere mich an meine Reisen nach Deutschland Ende der achtziger und in den neunziger Jahren. In meiner Studentenzeit verbrachte ich zwei Sommer als Stipendiat in Gießen und Wuppertal. Es war eine Zeit des Wandels und der Hoffnung mit der deutschen Wiedervereinigung und dem europäischen Integrationsprozess. Die Wirtschaft war nicht unbedingt in bester Verfassung, um es milde auszudrücken. Der Technologie-Sektor wuchs nicht in demselben Maß wie in den Vereinigten Staaten und Japan. Südkorea und zunehmend auch China stellten eine ernstzunehmende Bedrohung für den traditionell starken Produktionsstandort Deutschland dar. Lohnzurückhaltung, Automatisierung und Produktivitätszuwachs standen auf der Tagesordnung. Um die Jahrhundertwende wuchs die Wirtschaft zwar stark, jedoch nur, um sich inmitten einer europäischen Malaise wiederzufinden, die mit den zunehmenden Problemen der südlichen und östlichen Randgebiete ihren Anfang nahm. Trotz dieser Schwierigkeiten erfreute sich die deutsche Wirtschaft weiterhin einer niedrigen Arbeitslosigkeit und eines globalen Wachstums. Heute rühren die Probleme von den rasch wachsenden Volkswirtschaften in den Schwellenländern Asiens mit ihrer neuen Betonung des Inlandsverbrauchs, während Europa als Ganzes stagniert.

Um die Herausforderungen und Chancen zu erkennen, die durch die globalen Transformationen des kommenden Jahrzehnts in großem Stil auf uns zukommen werden, möchte ich auf einige der auffälligsten Trends eingehen, die in diesem Buch beschrieben werden: auf die bereits erwähnte Tatsache, dass wir auf eine Welt zusteuern, in der es mehr Großeltern als Enkelkinder geben wird. In Deutschland wird die Zahl der über Sechzigjährigen von 24 Millionen im Jahr 2020 auf 28,2 Millionen im Jahr 2030 steigen. Diese Bevölkerungsgruppe wird bis 2030 den weltweit größten Verbrauchermarkt stellen. Etwa 60 Prozent des gesamten Vermögenswerts werden Menschen gehören, die über sechzig sind, und der durchschnittliche Sechzigjährige in Europa wird sich einer Lebenserwartung von weiteren vierundzwanzig Jahren erfreuen. Hieraus erwachsen Chancen, die kaum eine Firma oder Marke verstreichen lassen wird.

Zu den Folgen dieser Entwicklung gehört es, dass jenes Stufenmodell (Kindheit – Arbeit – Ruhestand), dem Otto von Bismarck vor 140 Jahren den Weg bahnte, an seine Grenzen stoßen wird. Das Modell erscheint aufgrund zweier Entwicklungen unzeitgemäß: Zum einen leben wir heute länger. Zu Bismarcks Zeiten betrug die Lebenserwartung in Deutschland weniger als fünfzig Jahre, heute liegt sie bei über achtzig Jahren. Zum anderen altert das Wissen, das wir uns in Schule und Studium aneignen, aufgrund des technischen Fortschritts immer schneller. Wir werden künftig nicht nur einmal im Leben die Schule besuchen, sondern mehrmals dorthin zurückkehren müssen. Die Menschen werden sogar mehrere berufliche Laufbahnen einschlagen und immer seltener bei einer bleiben. Staaten wie Unternehmen werden sich auf diese neue Wirklichkeit einstellen und auf völlig neue Weise über Arbeit nachdenken müssen.

Eine weitere demographische Verschiebung, die die Welt verändern wird, hat mit den Frauen zu tun. Ich habe bereits angedeutet, dass der Geburtenrückgang in erster Linie mit dem Zugang von Frauen zur Bildung zusammenhängt, was ihnen wiederum neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Infolgedessen verdienen heute mehr Frauen ihr eigenes Geld, sparen es und legen es gut an. Zudem leben Frauen im Schnitt sechs Jahre länger als Männer. Dies alles führt dazu, dass der Wohlstand in den kommenden Jahren bei Frauen insgesamt schneller wachsen wird als bei den Männern. Meine Prognose lautet, dass bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte des Weltvermögens in den Händen von Frauen liegen wird. Man bedenke die Folgen für die Wirtschaft (angesichts der Tatsache, dass Männer und Frauen zum Beispiel unterschiedliche Konsummuster aufweisen), für zwischenmenschliche Beziehungen und sogar für die Politik. Das Ende des Patriarchats wurde schon viele Male ausgerufen. Doch jetzt ist es so weit. In 41 Prozent aller amerikanischen Haushalte verdient die Ehefrau heute bereits mehr als ihr Ehemann. Für das Jahr 2030 schätzt die Regierung der Vereinigten Staaten, dass dies in mehr als 50 Prozent aller Haushalte der Fall sein wird. Diese Situation unterscheidet sich radikal von jener, in der ich aufgewachsen bin.

Nirgends ist das Ausmaß dieser Transformation sichtbarer als in der Welt der Technologie. Durch die Pandemie hat der Gebrauch von digitalen Plattformen in Schule, Studium und Arbeit sowie beim Konsum und in der Freizeit rasant zugenommen. Doch dies sind nicht die einzigen Technologien, deren Entwicklung durch Corona beschleunigt wurde. Der Ansporn zur Automatisierung ist größer geworden. Unternehmen haben verstanden, dass auf Roboter in Zeiten von Naturkatastrophen – und dazu zählen auch Notfälle im Gesundheitswesen – mehr Verlass ist als auf Menschen. Im Zeitalter des »Social Distancing« müssen sich auch die Beziehungen zwischen Kunden und Angestellten im Dienstleistungssektor ändern. Die Automatisierung eröffnet hier neue Möglichkeiten. Wir sind also Zeugen einer Trendwende, die dazu führen wird, dass es schon bald mehr Roboter als Angestellte geben wird.

In den folgenden Kapiteln werde ich außerdem zeigen, dass wir schon bald mehr Computer – oder, um genau zu sein, mehr Mikroprozessoren – haben werden als menschliche Gehirne. Das sogenannte »Internet der Dinge«, die »Blockchain-Technologie« und andere revolutionäre digitale Verfahren werden die Wirtschaft verändern, aber auch die Art und Weise, wie Unternehmen und Organisationen intern arbeiten und welche Beziehungen sie zu ihren Zulieferern und zu den Kunden pflegen. Es wird nicht so sehr darum gehen, Menschen durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zu ersetzen, sondern darum, durch die Arbeitsteilung zwischen Menschen und digitalen Geräten den Arbeitern und Angestellten höhere Lebensstandards zu ermöglichen. Es ist richtig, dass der Einsatz von Automatisierung und künstlicher Intelligenz oft Arbeitsplätze vernichtet. Technologische Arbeitslosigkeit ist nicht länger eine drohende Zukunftsperspektive, sondern oft bereits harte Realität. Deshalb diskutiere ich in diesem Buch die Vorzüge von Strategien, die Steuern auf Roboter vorschlagen und die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens fordern.

Und schließlich kommen wir noch zu einem Punkt, der die größten Transformationsbrüche hervorrufen könnte: die Möglichkeit, dass wir statt der wenigen, von Staaten und ihren Zentralbanken ausgegebenen Währungen eine Vielzahl von Kryptowährungen verwenden werden, mit denen wir unsere Rechnungen bezahlen und in denen wir unsere Ersparnisse anlegen.

Geld gehört zu einer sehr kurzen und exklusiven Liste von Erfindungen, die die Welt grundlegend verändert haben. Es steht dort in einer Reihe mit der Beherrschung des Feuers, der Erfindung des Rads, der Druckerpresse und der Dampfmaschine sowie der Entwicklung von Antibiotika. Gleichwohl glaube ich nicht, dass Kryptowährungen sich als solche durchsetzen werden, und zwar aus dem einfachen Grund, weil souveräne Staaten es nie zulassen werden, dass man sie in zu vielen Bereichen einsetzt. Sie können kein Interesse daran haben, die Kontrolle über die Geldpolitik und das Geldvolumen zu verlieren. Man stelle sich vor, wie die Bundesbank und die Europäische Zentralbank darüber denken würden. Ich glaube, Kryptowährungen werden nur dann überdauern, wenn sie mit Coupons, Anreizen, »Smart Contracts« und anderen Komponenten gebündelt werden, die wie »digitale Münzen« fungieren. Das ist die Zukunft, der sich nur wenige Staaten und Zentralbanken entgegenstellen werden, sobald sie erst einmal das gewaltige Potential erkannt haben, das eine weitaus effizientere Wirtschaft zur Folge haben wird.

Diese Transformationen werden Deutschland wie den Rest Europas und die ganze Welt verändern. Die einzelnen Staaten können auf diese Veränderung nur auf eine Weise reagieren: Sie müssen sich noch viel stärker als bisher mit dem Rest der Welt verbinden, um ihre Bevölkerung an den gewaltigen Chancen teilhaben zu lassen, die sich hier auftun. Protektionismus und Populismus – von Ausländerfeindlichkeit ganz zu schweigen – sind auf lange Sicht kontraproduktiv. Die beste Strategie besteht darin, die Gesellschaft und die Wirtschaft mit den globalen Trends in Einklang zu bringen. Davon abgesehen müssen Europa und die Vereinigten Staaten alles daransetzen, den größten politischen Fehler der letzten zwei Jahrzehnte zu korrigieren – nämlich jene zu vergessen, die bislang unter der Globalisierung zu leiden hatten.

Die Herausforderungen, die vor uns liegen, in Angriff zu nehmen, bedeutet zunächst einmal, sie als solche zu erkennen. Die Welt ist in einem grundlegenden Wandel begriffen. Das sind keine Fake News. Die Uhr kann nicht zurückgedreht werden. Die einzig mögliche Antwort auf den Wandel ist der Wandel selbst. Erst wenn wir diese Realität als solche annehmen, können wir die Entscheidungen treffen, die erforderlich sind, um unsere Zukunft zu gestalten. Das ist die Botschaft dieses Buches: Üben Sie sich in Selbsterkenntnis und werden Sie aktiv.

2030

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