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Warum kosten Schiffe gleicher Größe so unterschiedlich viel?

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Ein neues Boot zu bestellen, es bauen zu lassen und dann ungebraucht ausgeliefert zu bekommen, ist zweifelsohne ein unschlagbares Gefühl. Branchenüblich ist, der Werft eine erhebliche Summe direkt bei Vertragsunterzeichnung zu überweisen, und nur die finanzstärksten Werften können für die Vorauszahlung eine Bankgarantie anbieten. Ein neues Boot steht für neueste Technik und Entwicklung, innovatives Design und ein dem jeweiligen Zeitgeist entsprechendes kundenorientiertes Angebot. Aktuell sind dies oft geräumige, helle Schiffe mit einer Vielzahl von Luken und Fenstern sowie beeindruckenden Segelgeschwindigkeiten. Reparaturen sollten in den ersten Jahren kaum anfallen. Kein Wunder also, dass neue Schiffe viel Geld kosten! Aber warum so unterschiedlich viel? Was unterscheidet die Schiffe?

Die unterschiedliche Materialwahl und Ausrüstung spiegeln nur einen Teil der Antwort wider. Der Hauptgrund für den erheblichen Preisunterschied zwischen den Yachten ist in der Entstehungsweise zu finden. Werften stehen für sehr unterschiedliche Produktionsmethoden. Diese sind mit bloßem Auge auf Messen nicht immer einfach ersichtlich.

Hocheffiziente Werften brauchen oft nur wenige Tage, um aus vorgefertigten Modulen ein komplettes Boot zusammenzusetzen. Fertige Nasszellen mit vorinstallierten Toiletten und Waschbecken, Möbel mit bereits verlegten Kabeln und Beleuchtungssystemen sowie Tanks werden computergesteuert von oben zu den entsprechenden offenen Rümpfen geführt und herabgesenkt. Ist der Innenausbau komplett, kommt zuletzt das Deck wie ein Deckel oben drauf – und fertig ist das Schiff!

Für viele Eigner, die bei schönem Wetter ein paar Wochen Urlaub im Hochsommer machen wollen, sind diese Schiffe wirklich sehr gut geeignet. Sie bieten oft viel Raum zu einem verhältnismäßig günstigen Preis, sind somit sogar neu erschwinglich und gebraucht oft günstig zu haben. Wer nur selten im Frühling oder im späten Herbst unterwegs ist, vermisst wohl kaum einen isolierten Rumpf, der Kondenswasser und Feuchtigkeit vermeidet. Wer nur im Sommer oder im Mittelmeer unterwegs ist, braucht weder ein geschütztes Cockpit mit Glasscheibe oder Hardtop noch eine Dieselheizung; wer nicht bei hohen, steilen Wellen segeln wird, benötigt keinen besonderen Rumpftyp.

Es gibt jedoch auch Käufer, die von Emotionen geleitet sind, die von weiteren Zielen träumen, die das Gefühl haben wollen, dass sie auch bei Sturm sicher segeln könnten. Und wenn es sich um ein älteres Schiff handelt, wünschen sie sich, dass es nach wie vor so stark ist wie am ersten Tag. Für solche Käufer ist zum Beispiel eine gute Steifheit des Schiffes relevant. Es gibt Boote, die ächzen und quietschen in jeder Welle. Es gibt Boote, denen sagt man nach, sie würden sich biegen wie eine Banane, wenn das Rigg zu sehr angespannt wird. Es gibt Boote, die nach ein paar Jahren Ermüdungserscheinungen und Risse aufweisen, dass man Angst bekommt. Und dann wieder andere, teure traditionelle Schiffe, die sich keinen Millimeter verdrehen oder verbiegen, egal, wie alt sie sind oder wie stark das Rigg angespannt ist. Diese sogenannte Steifheit ist vor allem bei Gebrauchtbooten ein wichtiger Kostenfaktor, der vielen nicht bewusst ist.

Einige Segler wollen möglichst eine lange Saison genießen und sich dennoch in ein möglichst wohlig warmes und trockenes Boot zurückziehen können. Ein Wohnschiff für viele Monate des Jahres eben. Diese Kunden suchen Fahrtenschiffe, die oft von kleineren Werften gebaut werden, da die Nachfrage hier im Vergleich zu massenproduzierten Schiffen für den Chartermarkt eher begrenzt ist. Auch hier werden Schiffe nach Tradition produziert, was mehr Zeit in Anspruch nimmt und daher trotz gleicher Größe mehr Geld kostet.

So werden immer noch einige Boote auf die traditionelle Weise gebaut. Hierbei werden das Deck und die Schotten erst am Rumpf festlaminiert, und erst danach wird alles durch den Niedergang reingebracht. Diese Bauweise hat den weiteren Vorteil, dass das Austauschen von Material und Innenausbau deutlich einfacher möglich ist, denn alles, was durch den Niedergang hereingekommen ist, kommt auch dort wieder hinaus. Anders bei den günstiger produzierten Booten, die erst die Innenausstattung erhalten und bei denen zum Schluss das Deck aufgesetzt wird. Zusätzlich haben traditionell gebaute Boote häufig isolierte Rümpfe, die für eine ganzjährige Nutzung des Bootes wichtig und notwendig sind. Die traditionelle Bauweise kostet natürlich in der Produktion mehr als ein seriell produziertes Boot. Allerdings ist zu bedenken, dass ein einfach zu refittendes und traditionell gebautes Boot gleichzeitig eine deutlich bessere Anlage bietet, da es in den meisten Fällen seinen Wert auf dem Gebrauchtbootmarkt behält.

Preisunterschiede

–Die eigentlichen Kosten sieht man erst nach vielen Jahren, wenn die Refitkosten und der Verkaufserlös das Gesamtbild zeigen

–Für wenig Geld erstandene Schiffe können sich durch die über die Jahre anfallenden Reparaturkosten am Ende doch als sehr teuer erweisen

–Populäre Modelle können leichter wieder verkauft werden als weniger bekannte Modelle

–Schiffe kosten sehr unterschiedlich viel, sowohl neu als auch gebraucht

–Schiffe werden sehr unterschiedlich produziert (von Massenanfertigung bis Einzelstückherstellung)

–Ein Schiff auf traditionelle, stabile Art und Weise mit isoliertem Rumpf zu bauen, ist sehr teuer

Praxisguide Fahrtensegeln

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