Читать книгу Zweihundertneunundneunzig - Lorens Tabert - Страница 6

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Es war Sonntagmorgen. Irgendwo in der schlafenden Stadt rief ein Telefon: „Rrring! Rrring! Rrring!“ Eine Frau hob den Hörer ab: „Ja? ... bin unterwegs.“ Kaum zehn Minuten später fuhr die Kriminalrätin Wiebke Schill durch menschenleere Straßen zum Polizeiquartier, in dem auch die Mordkommission untergebracht war. Vor dem Gebäude sprang ein junger Mann zu ihr ins Auto, der nach knapper Begrüßung routiniert Rapport ablegte: „Wir fahren in Richtung Osten, am besten über ... in das Städtchen ... Unfall oder Gewalttat ... Streife vor Ort ... Fundstelle gesichert ... Notarzt ... Tod festgestellt ... ungewöhnliche Begleitumstände … Die Kriminaltechniker aus der Bereitschaft müssten jeden Augenblick eintreffen.“ Kriminalkommissar Streller schilderte, dass ein Hausmeister am Sonntagmorgen sein Schulgelände aufgesucht hatte, um die Heizungsanlage zu überprüfen: Der Wetterbericht hatte eine Kaltfront angekündigt. Er hatte auch einen Rundgang um das Schulgebäude unternommen, um nach offenen Türen und Fenstern zu sehen. Dabei war er in einem offenstehenden Schacht auf einen leblosen Körper gestoßen, bei dem es sich möglicherweise um eine Lehrkraft handelt. Die Schill holte Einzelheiten ein: „Was für eine Schule?“ „Das Sankt-Ignatius-Gymnasium, die Einheimischen sagen aber einfach SIG.“ „Eine kirchliche Schule?“ „Das könnte man annehmen, aber die kirchliche Schule im Städtchen nennt sich Maria-Hilf-Gymnasium.“ „Wieso Sankt Ignatius?“ „Einen Augenblick ...“ Streller beugte sich wieder nach vorn und tippte mit flinken Fingern: „... Sankt Ignatius ... Ignatius von Loyola ... baskisches Adelsgeschlecht ... Kriegsverletzung ... Krankenbett ... Bibel ... Bekehrung ... Priesterweihe ... Jesuitenorden ... Zentralfigur der Gegenreformation.“ Während des Restes der halbstündigen Fahrt kramte Streller alles über den Zielort heraus: Dass das Städtchen etwas mehr als zehntausend Einwohner hatte, dass es zwar zentral im Kreis lag, aber nicht die Kreisstadt war, dass die Stadt stolz auf ihr frühes Mittelalter blickte. Krankenhaus, Kapelle, Wanderwege. Als der Wagen in die Abfahrt einschwenkte, bemerkte Streller beiläufig: „Einen hab’ ich aber noch.“ - Er wartete, blickte nach links. Die Schill gönnte ihm die Pause: „Nun, was?“ „Dort, wo wir hinfahren, soll die Welt noch ganz in Ordnung sein.“ „Wer sagt das?“ „Die gute Frau Helle, die Sekretärin in der Telefonzentrale, hatte Nachtschicht und wollte mich nicht ohne diesen Tipp zu Ihnen lassen. Sie ist im Städtchen aufgewachsen ...“ „... und ist aufs SIG gegangen?“ „Nein, das gab es so noch nicht. Damals hieß es noch städtisches Bürgergymnasium und war eine reine Jungenschule.“ „Na, dann war sie auf dieser anderen Schule?“ „Nein, das war zwar eine Mädchenschule, aber - wie sie meinte - nicht für Mädchen aus einfachem Hause wie unsere Frau Helle. Sie war auf der Volksschule, doch im Städtchen kennt man sich eben - so oder so.“ Während Streller sie auf den Parkplatz an der Bahnhofsstraße lotste, zog die Kriminalrätin einen Schlussstrich unter das Gespräch: „Dann wollen wir mal dort, wo die Welt noch in Ordnung ist, nach der Leiche schau’n.“

Zweihundertneunundneunzig

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