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V.Fazit
ОглавлениеEs ist also nicht ausschließlich die Kirche, die bestimmt, wer kirchlich ist. Vielmehr legt der Staat den äußeren Rahmen für eine Zuordnung zur Kirche fest; die konkrete Ausgestaltung der Zuordnungsfrage erfolgt dann aber durch die Kirchen.
Bedienen sich die Kirchen und die ihr zugeordneten Einrichtungen zur Begründung von Arbeitsverhältnissen der jedermann offenstehenden Privatautonomie, können die Kirchen ihr Arbeitsrecht auch nur im Rahmen des säkularen Arbeitsrechts gestalten.94 Dies legt einerseits die Grenzen der kirchlichen Autonomie fest, ermöglicht es ihnen andererseits aber auch, auf fest etablierte Grundsätze des staatlichen Arbeitsrechts zurückzugreifen. Die im weltlichen Arbeitsrechts allgemein anerkannten Bezugnahmeklauseln können dementsprechend auch Gegenstand von Vereinbarungen kirchlicher Arbeitsverhältnisse auf privatrechtlicher Grundlage sein. Ausgangspunkt für die Beurteilung kirchlicher Bezugnahmeklauseln ist grundsätzlich die Handhabung der Bezugnahmeklauseln im weltlichen Arbeitsrecht. Zu beachten sind aber die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts, wie Selbstbestimmungsgarantie und Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip. Diese Umstände können in den verschiedensten Bereichen zu einer vom weltlichen Arbeitsrecht abweichenden Beurteilung der Bezugnahmeklauseln im Kontext kirchlicher Arbeitsverhältnisse führen.
1Für viele Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 445.
2Vgl. RGBl. 1918, S. 1456. Ausführlich zur Tarifvertragsordnung der Weimarer Republik, Hopfer, Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 207 ff.
3Vgl. Heine, Auslegung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln im Wandel der Rechtsprechung, S. 10; Dietz, Die Berufung auf den Tarifvertrag, S. 5 ff.; Otto, Bezugnahmeklauseln, S. 24; Willemsen, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag bei Tarifwechsel, S. 63.
4Vgl. Däubler/Lorenz, TVG, § 3 Rn. 222.
5Dietz, Die Berufung auf den Tarifvertrag, S. 2 ff.
6Vgl. WiGBl. S. 55 (68).
7Vgl. BGBl. Nr. 83 1969, S. 1323.
8BAG v. 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, S. 1286; BAG v. 04.08.1999 – 5 AZR 642/98, RdA 2000, S. 178.
9Däubler/Lorenz, TVG, § 3 Rn. 217; Kempen/Zachert/Brecht-Heitzmann TVG § 3 Rn. 173; Berg/Kocher/Schumann-Dierßen/Schoof, TVG, § 3 Rn. 247; Seibert, NZA 1985, S. 730 (731).
10So bereits v. Hoyningen-Huene, RdA 1974, S. 138 (139).
11BAG v. 11.11.1968 – 1 AZR 16/68, NJW 1969, S. 861; HWK/Henssler, § 3 TVG, Rn. 18; Wandtke/Bullinger/Marquart, Urheberrecht, § 5 Rn. 9.
12BAG v. 16.03.2016 – 4 AZR 461/14, BB 2016, S. 1780; BAG v. 24.02.2016 – 4 AZR 990/13, NZA 2016, S. 557; BAG v. 21.10.2015 – 4 AZR 649/14, BB. 2016, S. 1082; BAG v. 15.03.2006 – 4 AZR 75/05; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 445; Preis, FS Wiedemann, S. 425 (427); Tiedemann, ArbRB 2016, S. 83 (83); Waas, ZTR 1999, S. 540 (546).
13V. Hoyningen-Huene, RdA 1974, S. 138 (142 ff.), der die Ansicht vertritt, dass Tarifverträge möglichst auf alle Arbeitsverträge normativ einwirken sollten, und zwar gerade dann, wenn eine Bezugnahme auf den gesamten Tarifvertrag vorliege. Vgl. hierzu auch Heine, Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme im Wandel der Rechtsprechung, S. 11 ff.
14Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 445.
15Hachmacher, Deklaratorische und konstitutive Klauseln in Tarifverträgen, S. 125; Heine, Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme im Wandel der Rechtsprechung, S. 11 ff.
16Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.
17Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.
18Die Frage des Arbeitgebers im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers ist unzulässig, da hierin ein Verstoß gegen die in Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG verankerte Koalitionsfreiheit liegt, vgl. BAG v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, NZA 2015, S. 306; BAG v. 28.03.2000 – 1 ABR 16/99, NZA 2000, S. 1294; ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 92; HWK/Thüsing, § 123 BGB, Rn. 14.
19Vgl. Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.
20Vgl. Kempen/Zachert/Stein TVG, § 3 Rn. 174 ff.
21Kempen/Zachert/Stein, TVG, § 3 Rn. 174 ff.; vgl. auch Willemsen, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag bei Tarifwechsel, S. 45 ff.
22Berg/Kocher/Schumann-Dierßen/Schoof, TVG, § 3 Rn. 254 f
23Hanau/Kania, FS Schaub, S. 239 (240 f.); Willemsen, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag bei Tarifwechsel, S. 63; Heine, Die Auslegung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln im Wandel der Rechtsprechung, S. 19.
24Vgl. Kempen/Zachert/Brecht-Heitzmann TVG § 3 Rn. 174f; HWK/Henssler, § 1 TVG, Rn. 110.
25BAG v. 18.03.2009 – 4 AZR 64/08, NZA 2009, S. 1028 ff. Hier hat das BAG eine jährliche Sonderzahlung i.H.v. 535 Euro ausschließlich an Mitglieder der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft als „einfache Differenzierungsklausel“ für wirksam befunden. Eine einfache Differenzierungsklausel liegt vor, wenn eine Gewerkschaftsmitgliedschaft ausdrücklich eine anspruchsbegründende Voraussetzung für die Gewährung bestimmter tariflicher Leistungen ist, vgl. Ebert, ArbRB 2015, S. 205 (205).
26Qualifizierte Differenzierungsklauseln gehen über den Regelungsgehalt, bestimmte tarifliche Leistungen nur den Mitgliedern der tarifschließenden Gewerkschaft zukommen zu lassen, hinaus. Durch sie wird in unzulässiger Art und Weise in die individualvertragliche Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitsvertragsparteien eingegriffen, ausführlich dazu, Ebert, ArbRB 2015, S. 205 (205 f.).
27BAG (GS) v. 29.11.1967 – GS 1/67, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG. Die Zulässigkeit der Differenzierungsklauseln ist dennoch umstritten und vom Einzelfall abhängig.
28Zur restriktiven Rechtsprechung vgl. BAG v. 23.03.2011 – 4 AZR 366/09, NZA 2011, S. 920. In diesem Fall hat das BAG eine Klausel, die tarifgebundenen Gewerkschaftsmitgliedern dann eine Sonderzahlung zusichert, wenn der Arbeitgeber niedrigere Leistungen an Außenseiter kompensiert, für unwirksam erklärt. Vgl. auch Fischer, NZA 2015, S. 662 (664 f.).
29Unbeschadet der systematischen Stellung innerhalb des GG handelt es sich bei den Artikeln der WRV um vollgültiges Verfassungsrecht, vgl. nur BVerfG v. 14.121965 – 1 BvR 413/60, BVerfGE 19, 206; vgl. Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 140 GG, Rn. 8.
30Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 30.
31Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 20.
32Vgl. v. Tiling, Die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs, S. 75; Mohr/v. Fürstenberg, BB 2008, S. 2122 (2123).
33Siehe zur Zuordnung kirchlicher Einrichtungen sogleich 1. Kapitel B, IV.
34Sachs/Ehlers, Grundgesetz, Art. 137 WRV, Rn. 7; Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 72.
35Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 72.
36Kocher/Krüger/Sudhof, NZA 2014, S. 880 (881).
37BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, S. 1387.
38BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138; Sachs/Ehlers, Grundgesetz, Art. 137 WRV, Rn. 9 f.; Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen/Unruh, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 74.
39Mohr/v. Fürstenberg, BB 2008, S. 2122 (2123).
40Vgl. v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 104.
41BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, S. 1387; vgl. auch BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138 unter Bezugnahme auf BVerfG v. 16.10.1968 – 1 BvR 241/66, NJW 1969, S. 29.
42Siehe hierzu § 135 S. 2 BRRG.
43V. Campenhausen, Axel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 137 WRV, Rn. 236.
44Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 1, Rn. 1.
45So auch Kalb, HdbKathKR, § 20, S. 253.
46Siehe zum steigenden Druck auf das kirchliche Arbeitsrecht Tillmanns, NZA 2013, S. 178 (178); zum Spannungsverhältnis zwischen Staat und Kirche, Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 1.
47Mohr/v. Fürstenberg, BB 2008, S. 2122 (2123), ausführlich Richardi, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 69 ff.
48BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138.
49Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 24.
50BVerfG v 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138. Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG die Rechtsprechung des BAG, wonach der bei einer Kündigung eines Arbeitnehmers im kirchlichen Dienst nur gestufte Loyalitätspflichten gelten sollten, je nach Nähe der Tätigkeit des Arbeitnehmers zum Verkündungsauftrag der Kirche, beendet. Ausführlich dazu Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 15. Nach Ansicht von Kocher/Krüger/Sudhof, NZA 2014, S. 880 (882) falle der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Beschäftigten, der nicht verkündigungsnah tätig ist, nicht mehr unter die eigenen Angelegenheiten der Selbstverwaltungsgarantie.
51BVerfG v. 21.09.1976 – 2 BvR 350/75, JuS 1977, S. 258.
52Joussen, RdA 2011, S. 173 (174).
53Joussen, Ad Legendum 2015, S. 19 (19).
54BAG v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, S. 448.
55Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 49.
56Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 53.
57Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 49 f. mit Hinweis auf die Übersetzung des griechischen Textes in 2 Kor 8, 4.
58Ensinger, Betriebliche Mitbestimmung in Kirche und Diakonie, S. 61.
59Ensinger, Betriebliche Mitbestimmung in Kirche und Diakonie, S. 61.
60Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 49 f.
61MüArbR/Richardi, § 327 Rn. 51.
62MAVO/Thiel Präambel MAVO, Rn. 32 f.
63MüArbR/Richardi, § 327 Rn. 50.
64Vgl. Willemsen/Mehrens, NZA 2011, S. 1205 (1207).
65Joussen, RdA 2007, S. 328 (333); Willemsen/Mehrens, NZA 2011, S. 1205 (1207).
66Vgl. BAG 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, S. 448; BAG 20.11.2012 – 1 AZR 611/ 11, NZA 2013, S. 437.
67Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 56.
68Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 57.
69So auch BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138.
70Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 57.
71MüArbR/Richardi, § 327 Rn. 57.
72Stellvertretend für eine Vielzahl von Musterdienstverträgen in der katholischen und evangelischen Kirche. Abrufbar unter: http://regional-koda-nw.de/regional-koda-nw/medium/2014.10.01%20Muster-arbeitsvertrag%20Endfassung.doc?m=131032 (Stand: November 2017).
73Vgl. zur Dienstgemeinschaft als Rechtfertigungselement für die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts, Joussen, RdA 2007, S. 328 (331).
74Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 145 f.
75Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 33.
76Die heutige Diakonie ist aus einem Zusammenschluss des Diakonischen Werks der EKD e. V. und dem Evangelischen Entwicklungsdienst e. V. entstanden. Siehe hierzu auch § 3 Satzung Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
77Dass die Wahl der Rechtsform keine Rolle spielt, ergibt sich auch aus § 118 Abs. 2 BetrVG. Die Vorschrift ordnet an, dass das BetrVG für alle kirchlichen Einrichtungen, ungeachtet der konkreten Rechtsform, unanwendbar ist. Zu den Rechtsformen zählen insbesondere der private Verein sowie die rechtsfähige juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts. Vgl. Schaumberg, Inhaltskontrolle im kirchlichen Arbeitsrecht, S. 52.
78Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, S. 26; Schaumberg, Inhaltskontrolle im kirchlichen Arbeitsrecht, S. 52 f.
79Ausführlich dazu BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, S. 1387.
80BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, S. 1387.
81BVerfG v. 11.10.1977 – 2 BvR 209/79, BVerfGE 46, S. 73.
82BAG v. 06.12.1977 – 1 ABR 28/77, DB 1978, S. 943.
83BVerfGE v. 25.03.1980 – 2 BvR 208/76, BVerfGE 53, S. 366; BAG v. 24.07.1991 – 7 ABR 34/90, NZA 1991, S. 977; BAG v. 09.02.1982 – 1 ABR 36/80, BAGE 41, S. 5.
84Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 39.
85Sowohl die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) als auch der Evangelische Presseverband Nord e. V.(epd Hamburg und Kiel) sind als kirchliche Einrichtungen anerkannt, vgl. für den Evangelischen Presseverband e. V. BAG v. 24.07.1991 – 7 ABR 34/90, NZA 1991, S. 977.
86So auch Isensee, der bereits 1995 eine „kalte Säkularisierung der Caritas“ hervorgehoben hat, Isensee, HdbStKirchR Bd. 2, § 59, S. 665 (685).
87Riechert/Stomps, NZA 2012, S. 707 (707).
88Riechert/Stomps, NZA 2012, S. 707 (707).
89Nach § 2 Abs. 1 lit b), c), d) GrOkathK zählen dazu vor allem Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen sowie Verbände von Kirchengemeinden und die Diözesancaritasverbände.
90Ausführlich dazu Tillmanns, NZA 2013, S.178 (180 f.).
91Vierte Tagung der Elften Synode der EKD in Magdeburg vom 06. – 09.11.2011.
92Punkt 6 der Kundgebung zu „Zehn Forderungen zur solidarischen Ausgestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts“ im Rahmen der Elften Synode der EKD, abrufbar unter: https://www.ekd.de/synode2011/beschluesse/beschluss_XI_4_kundgebung_ausgestaltung_kirchliche_arbeitsrecht.html (Stand: November 2017).
93Rüfner, KuR 2005, S. 11 (20), der daraus schlussfolgert, dass es kein evangelisch-katholisches Kirchenarbeitsrecht geben könne.
94BVerfG v. 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83, BVerfGE 70, S. 138.