Читать книгу Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts - Manuel Jäger - Страница 27
C. Überbetriebliche Mitbestimmung
ОглавлениеNeben der betrieblichen Mitbestimmung kommen die arbeitsrechtlichen Bezugnahmeobjekte vor allem im Zuge der überbetrieblichen Mitbestimmung zustande. Gegenstand der überbetrieblichen Mitbestimmung ist das Aushandeln von Arbeitsrechtsbedingungen betreffend Inhalt, Abschluss und Beendigung von kirchlichen Arbeitsverhältnissen. Ausgangspunkt der überbetrieblichen Mitbestimmung im kirchlichen Arbeitsrecht ist das „Regeln der eigenen Angelegenheiten“ im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsgarantie nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV.100 Wegen der Bedeutung des Mitbestimmungsgedankens im staatlichen Arbeitsrecht dient die überbetriebliche Mitbestimmung dem Ausbau einer Konkordanz zwischen kirchlicher und staatlicher Ordnung.101 Zur Sicherstellung dieser Konkordanz und der überbetrieblichen Mitbestimmung im kirchlichen Bereich haben die Kirchen für ihren Sektor unterschiedliche Beteiligungsverfahren eingeführt, aufgrund derer die kollektiven Arbeitsrechtsregelungen beschlossen werden.
Trotz mehrerer Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung der Beteiligungsverfahren stimmen die evangelische und katholische Kirche insoweit überein, als es dem Wesen des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft nicht (mehr) entspricht, wenn der Inhalt der Dienstverhältnisse einseitig durch die Dienstgeber oder kirchlichen Leitungsorgane festgelegt wird, sog. „Erster Weg“.102 Ursprünglich hat aber sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche ihre Arbeitsverhältnisse auf diese Weise gestaltet.103
In der evangelischen Kirche sind die Beteiligungsverfahren zur überbetrieblichen Mitbestimmung einheitlich im ARGG geregelt. In diesem Statut sind zwei unterschiedliche Beteiligungsmodelle zur Schaffung kollektiver Arbeitsbedingungen normiert, zwischen denen ein Wahlrecht besteht.
Aufseiten der katholischen Kirche hat der VDD zur Regelung der überbetrieblichen Mitbestimmungen für den diözesanen Bereich die „Rahmenordnung für die Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts“ (Bistums-/Regional-KODA-Ordnung104) und für den überdiözesanen Bereich die „Ordnung für die Zentrale Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts im kirchlichen Dienst“ (Zentral-KODA-Ordnung) beschlossen. Die Zentral-KODA-Ordnung geht inhaltlich nur selten über Empfehlungen hinaus. Sie hat einen Richtliniencharakter und kann die jeweiligen diözesanen Ordnungen nicht ersetzen.105 Für Einrichtungen der Caritas gilt die „Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes“ (AK-Ordnung Caritas).
Die Intention der Kirchen zur Schaffung eigener Verfahren zur überbetrieblichen Mitbestimmung geht primär auf die Ablehnung des weltlichen Tarifvertragssystems zurück. Nach Auffassung der katholischen und evangelischen Kirche beruht dies auf „dem Antagonismus von Arbeitgebern und Arbeitnehmern“106. Im Rahmen des Tarifvertragssystems können Änderungen der Arbeitsbedingungen als ultima ratio mit dem Druckmittel des Arbeitskampfes durchgesetzt werden. Ein Arbeitskampf steht jedoch im Widerspruch zum Leitbild der Dienstgemeinschaft in der Kirche. Nur wenn Dienstgeber und Dienstnehmer gemeinsam die kirchlichen Tätigkeiten wahrnehmen, ist die Parität und Partnerschaft gewährleistet. Das kirchliche Selbstverständnis beruht auf dem Gedanken, dass alle in den kirchlichen Einrichtungen Tätigen dazu beitragen können und müssen, durch ihre Arbeit – ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung – den kirchlichen Sendeauftrag zu erfüllen.107 Diese Gemeinschaft schließt aus, dass durch offenen Druck der Arbeitsvertragsparteien, wie es im weltlichen Tarifvertragssystem üblich ist, Änderungen der Arbeitsbedingungen erzwungen werden können.108 Deshalb tritt an die Stelle des weltlichen Tarifvertragssystems die überbetriebliche Mitarbeiterbeteiligung der Kirchen nach den Modellen des sog. „Zweiten Weges“ und sog. „Dritten Weges“. Die auf Grundlage des „Zweiten oder Dritten Weges“ geschaffenen Arbeitsbedingungen stellen die primären Bezugnahmeobjekte der Bezugnahmeklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht dar.