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B. Betriebliche Mitbestimmung
ОглавлениеDie betriebliche Mitbestimmung betrifft die Interessenvertretung der Dienstnehmer in den einzelnen kirchlichen Einrichtungen und stellt somit das Pendant zum säkularen Betriebsverfassungsgesetz, zum Personalvertretungsrecht und zu weiteren Mitbestimmungsgesetzen dar.
Ausgangspunkt der betrieblichen Mitbestimmung ist, dass sich trotz des den kirchlichen Anstellungsverhältnissen zugrunde liegenden Ideals der Dienstgemeinschaft ein gewisser Interessengegensatz zwischen Dienstgeber- und Dienstnehmerseite nicht leugnen lässt.96 Denn unabhängig von der durch die Dienstgemeinschaft zum Ausdruck gebrachten Parität und Partnerschaft im kirchlichen Dienst befinden sich die Dienstnehmer in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Dienstgeber. Schließlich dient ihre Tätigkeit in den weitaus meisten Fällen zuallererst der Sicherung des Lebensunterhalts der Dienstnehmer.97 Dieser Interessengegensatz führt dazu, dass auch im kirchlichen Arbeitsrecht eine Mitarbeitervertretung als Interessenvertretung der Dienstnehmer erforderlich ist, um die Geltendmachung betrieblicher Anliegen zu ermöglichen und das Abhängigkeitsverhältnis auszugleichen. Weil die Verwirklichung dieser betrieblichen Mitbestimmung nicht von der Verfasstheit der Kirche, ihrem Auftrag und der kirchlichen Dienstgemeinschaft getrennt gesehen werden kann, haben die Kirchen eigene Ordnungen für Mitarbeitervertretungen erlassen.
Die betriebliche Mitbestimmung auf katholischer und evangelischer Seite variiert zwar, Grundlage ist aber jeweils ein Kirchengesetz, das die Rahmenbedingungen einer betrieblichen Mitbestimmung der Dienstnehmer näher regelt.
Die Mitarbeitervertretung der evangelischen Kirche ist einheitlich im Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD, dem MVG-EKD, geregelt. Die katholische Kirche hat die Vorschriften der betrieblichen Mitbestimmung in der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) normiert. Die MAVO wird vom Verband der Diözesen Deutschland (VDD) als Rahmenordnung beschlossen und von den jeweiligen Diözesanbischöfen, teilweise in leicht abgeänderter Form, in Kraft gesetzt.98
Die Vorschriften der betrieblichen Mitbestimmungsstatuten in der katholischen und evangelischen Kirche regeln die Wahl und Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung und normieren ihre Zuständigkeiten sowie die rechtliche Stellung der gewählten Mitarbeitervertreter.
Im Zusammenhang mit den Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Arbeitsverhältnissen sind die Dienstvereinbarungen, welche die Mitarbeitervertretungen mit dem jeweiligen Dienstgeber auf Grundlage der Gesetze zur betrieblichen Mitbestimmung abschließen, von besonderer Bedeutung. Dienstvereinbarungen können als Bezugnahmeobjekte Gegenstand einer individualvertraglichen Bezugnahmeklausel sein und spielen eine bedeutsame Rolle bei der Frage nach der Reichweite von Bezugnahmeklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage nach der Wirkung der Dienstvereinbarungen im Individualarbeitsverhältnis. Auf die Rolle der Bezugnahmeklauseln im Zusammenhang mit den Dienstvereinbarungen nach den kirchlichen Mitarbeitervertretungsgesetzen als Bezugnahmeobjekte wird an späterer Stelle noch vertiefend eingegangen.99