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Was erleichtert den Erwerb von Wissen?

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Drei der vier allgemeinen Prinzipien der Informationsverarbeitung (Aufmerksamkeit zuwenden, hinreichende Wiederholung und Übung, Abgleich mit vorhandenem Wissen) sind Ausgangspunkt vieler Ansätze der angewandten Lernforschung geworden, in denen nach erleichternden Bedingungen des Erwerbs von Wissen gesucht wurde. Um Lernende dazu zu bringen, der dargebotenen Information erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden, findet sich in der einschlägigen Literatur eine Reihe von Empfehlungen. Sie reichen von einander widersprechenden Aufforderungen wie »hin und wieder etwas Unerwartetes zu tun«, bei der Verwendung von Beispielen zur Vertiefung eines Lerngegenstandes aber »stets auf bereits Bekanntes zurückzugreifen« (Gage & Berliner, 1996, S. 383 f), bis hin zum Ratschlag, möglichst viele Modalitäten der Informationsdarbietung und -verarbeitung zu nutzen.

Eine hinreichende Wiederholung und Übung der relevanten Information wird am ehesten durch Formen des aktiven Lernens erzielt. Zu den schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als empirisch erfolgreich belegten Einprägungshilfen gehört das laute Aufsagen (Rezitieren), das nochmalige Durcharbeiten und Wiederholen von bereits Gelerntem (Überlernen) und die Anwendung spezifischer Erinnerungshilfen beim Enkodieren (Mnemotechniken). Bei den Mnemotechniken handelt es sich um besondere Methoden zur Förderung des Erlernens und Behaltens von Lerninhalten, die auf den ersten Blick nicht leicht zu behalten sind (z. B. eine Telefon- oder eine Kontonummer, ein Name, eine Formel oder ein fremdsprachliches Wort). Viele dieser Techniken wurden schon in der Antike benutzt (z. B. die Loci-Methode) und werden auch von Gedächtniskünstlern unserer Tage noch angewandt und weiterentwickelt. Die meisten Mnemotechniken basieren auf Verknüpfungen bildhafter Vorstellungen (zum Überblick: Metzig & Schuster, 2016).

In der wissensorientierten Lernforschung am ausführlichsten untersucht sind jedoch Hilfen, die das Verknüpfen neuer Wissenselemente mit bereits vorhandenem Wissen befördern, um den Wissenserwerb zu optimieren. Die bekanntesten Techniken dieser Art sind die Vorstrukturierung des Lernstoffs durch eine geeignete vorangestellte Zusammenfassung, die Bedeutungsanreicherung des Lernmaterials durch das gezielte Anbieten von Assoziationen ( Kap. 1.1) sowie die hierarchische Gliederung von Lernmaterial und Lernabfolge (vom Einfachen zum Komplexen).

Die Anregung, neue Lernprozesse durch eine »erzwungene« Aktivierung bereits vorhandener Wissensinhalte zu optimieren, stammt von David Ausubel (1960). Er plädierte für die Verwendung sogenannter Einordnungshilfen vor der Lektüre eines neuen Textes. Diese Einordnungshilfen führten zu besseren Verstehens- und Behaltensleistungen. Da es Ausubel versäumte, das Konzept der Einordnungshilfen (Advance Organizer) genauer auszuführen und deren Wirkmechanismen theoretisch zu präzisieren, ist es zu verschiedenen Irritationen im Zusammenhang mit der Frage gekommen, wie eine für den Wissenserwerb besonders günstige Vorstrukturierung oder Einordnungshilfe auszusehen habe. Eine eher triviale Fehlauffassung entstand z. B. dadurch, dass Ausubels Begriff des »Advance Organizer« bei manchen Autoren zum »Advanced Organizer« mutierte, also zu einer fortgeschrittenen, anstelle einer vorangestellten Ordnungshilfe. Dies trug zu der irrigen Überzeugung bei, dass vorangestellte Zusammenfassungen des Lehrstoffs auf einem hohen Abstraktionsniveau besonders lernförderlich seien. Kurzum, es entstand ein Wildwuchs an pädagogischen Überzeugungen über die Art geeigneter vorangestellter Einordnungshilfen, so dass es nicht allzu sehr überrascht, dass Barnes und Clawsen (1975) bei einer kritischen Auswertung vorliegender Wirksamkeitsstudien zu dem Schluss gelangten, die lernförderliche Wirkung der Advance Organizer sei vernachlässigbar gering.

Mayer (1979) griff das Konzept des Advance Organizer wieder auf und brachte es mit schematheoretischen Erklärungen des Textverstehens in Zusammenhang. Er wies darauf hin, dass vorangestellte Einordnungshilfen wirksam sind, wenn sie beim Lernenden die verfügbaren Vorkenntnisse (geeignete Schemata) aktivieren, die es ermöglichen, die neuen Informationen an diese Schemata anzupassen (zu assimilieren) oder – wie Derry (1984) zu Recht hinzufügte – die vorhandenen Schemata korrigierend zu erweitern (akkommodieren). So verstandene Advance Organizer sind also wichtige »Überbrückungshilfen«. Sie sind lernförderlich, wenn sie

• Beziehungen zwischen dem neu zu lernenden Material und bereits Bekanntem herstellen,

• die Aufmerksamkeit des Lernenden wecken und

• eher konkret als abstrakt formuliert sind.

Corkill (1992) hat eine zusammenfassende Übersicht zur Wirksamkeit vorstrukturierender Hinweise sensu Ausubel vorgelegt. Besonders effektive Formen der Vorstrukturierung sind danach solche, die vornehmlich Begriffe und Konzepte verwenden, mit denen die Lernenden mit großer Wahrscheinlichkeit bereits vertraut sind. Hattie (2009) identifizierte 11 Metaanalysen und 577 Studien zur Wirksamkeit von Advance Organizers, die einen mittlereren Effekt (ES = .41) von vorangestellten Einordnungshilfen auf die Lernleistung belegen.

Pädagogische Psychologie

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