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1.4 Lernen als Konstruktion von Wissen

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Unsere Darstellung der Auffassungen von Lernen als Erwerb von Wissen wäre nicht vollständig, wenn wir nicht auf eine wichtige Differenzierung in der Vorstellung darüber, was genau Wissenserwerb eigentlich ist, aufmerksam machten. Kognitionspsychologisch betrachtet wird Wissen erworben, indem mentale Abbilder (Repräsentationen) des Reizmaterials als Resultate der Informationsverarbeitung in Form von Regeln und Konzepten produziert und gespeichert werden. Aber erfolgt aller Wissenserwerb nach dem mechanischen Regelwerk unseres Informationsverarbeitungssystems? Ist unser Wissen tatsächlich ein abgeleitetes Produkt, das sich aus den objektiven Reizinformationen, die wir wahrnehmen und verarbeiten, und aus den Mechanismen des Gedächtnisses eindeutig vorhersagen lässt? Sind wir den äußeren Reizen und den inneren Verarbeitungsmechanismen »hilflos« ausgeliefert?

Viele kognitive Lerntheoretiker haben darauf aufmerksam gemacht, dass die informationstheoretische Lernvorstellung alleine nicht ausreicht, um das behavioristische Erbe eines »passiven Menschenbildes« zu überwinden. In der Tradition der Gestaltpsychologie, wie sie von Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Lewin vertreten wurde, der Schematheorie von Frederic Bartlett mit der Betonung des rekonstruktiven Charakters unserer Erinnerungen sowie der strukturgenetischen Sichtweise Jean Piagets zur ontogenetischen Entwicklung der Erkenntnismöglichkeiten des Menschen, verwiesen Lerntheoretiker zu allen Zeiten stets auch auf den aktiven und vom lernenden Individuum selbst kontrollierten Charakter des Wissenserwerbs. Um das damit verbundene »aktive« und selbsttätige Menschenbild besonders hervorzuheben, spricht man in diesem Zusammenhang von einem konstruktivistischen Lernverständnis.

Obwohl die Auffassung vom Lernen als Konstruktion individuellen Wissens eher eine Variante denn eine Alternative zur Auffassung vom Lernen als Wissenserwerb ( Kap. 1.3) darstellt, hat die mit ihr verbundene Grundauffassung des Konstruktivismus in der Psychologie eine weitaus längere Tradition. Im Folgenden skizzieren wir zunächst diese Tradition über die Gestaltpsychologie und die Schematheorie Bartletts bis hin zur strukturgenetischen Sichtweise Piagets. Es folgen eine beispielhafte Darstellung konstruktivistischer Vorstellungen des Wissenserwerbs anhand der von Hans Aebli (1980, 1981) vertretenen Auffassung sowie einige abschließenden Anmerkungen über die Kernannahmen der Auffassung vom Lernen als Konstruktion von Wissen.

Pädagogische Psychologie

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