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Beispiel: Verknüpfen, Verdichten und Strukturieren

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Steiner (2006, S. 167 ff) hat die Vorstellungen Aeblis zum Zusammenspiel dieser drei interagierenden Prozesspaare anhand des Erlernens des (noch unbekannten) Begriffs »Zeuge« mit Hilfe der folgenden Satzfolge veranschaulicht:

»Ein junger Mann (1) raubt (3) einer alten Frau die Handtasche (2). Peter (4), der gerade zur Schule geht, beobachtet (5) diesen Raub (6). Er (4) berichtet (8) seine Beobachtung (7) der Polizei (9). Dieser Peter ist ein Zeuge (10).«

Wichtig für die Konstruktion des Begriffs »Zeuge« in diesem Beispiel sind nun Aebli zufolge erstens das Verknüpfen von begrifflichen Elementen durch Relationen (z. B. die Verknüpfung von JUNGER MANN und HANDTASCHE DER ALTEN FRAU durch das Verb RAUBEN oder die Verknüpfung von PETER und SCHULE durch das Verb GEHEN) und zweitens das Verdichten der Ketten verknüpfter Elemente zu Elementen oder Objekten höherer Ordnung (z. B. Verdichten der beiden gebildeten Verknüpfungen »junger Mann – rauben – Handtasche der alten Frau« und »Peter – gehen – Schule« durch RAUB [der Handtasche der alten Frau durch jungen Mann] wird von PETER [gehen zur Schule] BEOBACHTET). Aebli nennt diesen Verdichtungsprozess Objektivierung, da durch ihn neue Objekte des Denkens gebildet werden, die dann auch wieder für weitere Verknüpfungen zur Verfügung stehen.

Die weiterführenden Verknüpfungen führen beim Textlesen zum Fortschreiten der Sinn- oder Bedeutungsfindung. Die Prozesse des Verknüpfens und Verdichtens treten dabei abwechselnd in einem Umfang auf, wie es die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses des Lernenden zulässt, und in Abhängigkeit von der bereits vorhandenen Wissensstruktur. Für das im Kasten oben geschilderte Beispiel heißt das: Kannte der Lernende vorher den Begriff »Zeuge« noch nicht, dann kann er diesen neuen Begriff in das Netzwerk seiner Wissensstruktur nun leicht mit aufnehmen (Strukturieren) oder aber er wird bislang vorhandene Misskonzepte (z. B. wenn er bisher dachte, ein Zeuge sei eine Person, die von Haustür zu Haustür geht, um ihre religiöse Überzeugung an andere weiter zu geben) präzisieren, erweitern oder korrigieren (Restrukturieren).

Dem ausgeführten Beispiel lässt sich entnehmen, dass der Aufbau von Wissensstrukturen durch eine Art »denkendes Lernen« erfolgt. Es gibt aber in Hans Aeblis Vorstellungen zum Begriffserwerb auch ein Pendant zum Üben und Wiederholen der verhaltensorientierten Lerntheorie, nämlich den Prozess der Konsolidierung:

Damit meinen wir, dass es einen Vorgang gibt, in dessen Verlauf eine neu entstandene Verhaltensstruktur, ein Handlungsablauf, eine Operation, eine Art des Sehens oder Deutens eines Gegenstandes, aber auch ein kognitiver Metaprozess wie derjenige des Problemlösens, »solider« werde, also prompter, sicherer und geläufiger ablaufe. (Aebli, 1981, S. 350)

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