Читать книгу Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band - Marisa Brand - Страница 30

22

Оглавление

Sidonia erwachte im Morgengrauen. Benommen richtete sie sich in ihrem Bett auf, sah die zerwühlten Laken, spürte den Schmerz zwischen ihren Beinen und riss die Decke fort. Ein Blutfleck verschaffte ihr Gewissheit. Nein, sie hatte nicht geträumt. Sie war entjungfert. Und der Ritter war noch in der Nacht verschwunden. Mit nichts als der Ankündigung, dass er heute ihren Vater aufsuchen würde.

Mit angstvoll klopfendem Herzen schob Sidonia sich im Bett hoch, betrachtete die Striemen, die sein Ledergurt auf ihren Handgelenken hinterlassen hatte. Ihre Demütigung hätte nicht vollkommener sein können.

Sie stand auf und lief zu einer Schüssel mit Wasser, begann sich mit einem Tuch die Scham zu waschen. Jede Berührung erneuerte den Schmerz, den der Mann ihr gestern verursacht hatte. Sie achtete nicht darauf, rieb immer heftiger und kämpfte mit den Tränen. Was hatte sie getan! Entsetzt sah sie, dass das Wasser eine rote Farbe annahm. Sie packte die Schüssel, öffnete ein Fenster und entleerte sie über die Dachschindeln. Zwei Tauben flogen mit schlagenden Flügeln auf.

Sidonia atmete gierig die Morgenluft ein und versuchte sich zu beruhigen. Sie hatte nur getan, was ihr künftiger Mann von ihr verlangt und was ihm Lust bereitet hatte. Eine Lust, die sie nicht teilen konnte, auch wenn es vor der brutalen Vereinigung Momente gegeben hatte, die erregend gewesen waren.

Vielleicht war das alles, was Frauen von der sinnlichen Liebe erwarten konnten. Waren ihr nicht viele Freundinnen am Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht merkwürdig vorgekommen? Hatten sie nicht alle rasch das Gespräch auf die Morgengabe gelenkt, die ihnen der Gemahl präsentiert hatte, und mit den Ringen, Ketten und Geldgeschenken geprahlt?

Natürlich sprach man nicht darüber, was Vermählte nach dem Tausch von Ring und Treuegelöbnis in den Betten trieben. Sicher hatte sich keine ihrer Freundinnen zuvor ausgemalt, dass die fleischliche Vereinigung dem Treiben von Gassenkötern glich. Genauso wenig wie sie selbst. Und vielleicht kannten alle Frauen dieses Gefühl von Scham, Demütigung und Ernüchterung nach der ersten Nacht.

Traurig ließ sie ihren Blick über den Hof schweifen und stutzte. Die dunkle Gestalt Doña Rosalias überquerte den Hof, nicht stolz und mit gemessenen Schritten, wie es ihre Art war. Nein, sie huschte an den Wänden des Pulverlagers entlang. Sie war nicht allein. An einer Hand hielt sie Lunetta! Das Mädchen taumelte mehr, als dass es ging. Die Witwe blieb kurz stehen, sprach eindringlich auf das Mädchen ein! Dann liefen beide weiter. Doña Rosalia verabschiedete das Kind beim Tor, das in die Gasse führte. Lunetta schmiegte sich an sie, die Witwe erwiderte die Umarmung und küsste ihr Haar. Dann lief das Kind auf die Gasse, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sidonia wandte sich mit gerunzelter Stirn ab.

Du bist eine Torin, schalt sie sich. Was kümmern dich diese kleine Gauklerin, ihre Gefühle und ihre seltsamen Andeutungen noch? Nichts als Unglück hat dir deine Zuneigung zu diesem Kind eingebracht, genau wie die Kartenleserei. Hatte Lunetta ihr nicht die Karte der Liebenden gezogen? Was für eine elende Täuschung! Der du in deiner gedankenlosen Eitelkeit nur allzu gerne geglaubt hast, meldete sich eine Stimme in ihr zu Wort. Sidonia biss sich auf die Lippen. War es eine solche Sünde, auf Liebe zu hoffen? Vielleicht keine Sünde, aber eine Dummheit!

Nachdenklich ging sie zu ihrem Bett zurück und fühlte unter ihren nackten Fußsohlen die Karte, die sie gestern hatte zu Boden fallen lassen. Erschöpft bückte sie sich danach und drehte sie um.

Sie schlug die Hand vor den Mund, als sie das nackte Paar wiedererkannte, das ihr bereits die Karte der Liebenden gezeigt hatte. Es war dasselbe Paar, bis auf wenige Unterschiede: Der Mann und die Frau trugen Hörner und brennende Schweife. Sie standen vor nachtschwarzem Hintergrund und waren mit einer Kette aneinandergeschmiedet. Über ihnen hob kein segnender Engel die Hände, sondern Satan. El diabolo war ihre Morgengabe, und Sidonias Verstand widersetzte sich genau wie ihre Gefühle allen Versuchen, dieser Karte eine freundliche Seite abzugewinnen. Allzu genau spiegelte sie wider, was ihre Seele sprach.

Nur ein Gedanke hielt sie aufrecht: Ihr Pakt mit dem Teufel, der ihr Bräutigam war, würde ihre Familie vor dem Untergang und Lambert vor einer Anklage als Ketzer bewahren.

Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band

Подняться наверх