Читать книгу Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band - Marisa Brand - Страница 41
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ОглавлениеSie promenierten am Hafenkai entlang. Ein spanischer Degenträger und ein Jüngling, der sein Page hätte sein können. Ein gefälliges Paar, dem die Blicke von Mägden so sehnsüchtig folgten wie die der Bürgersfrauen. Jedes Mal, wenn Gabriel Zimenes Sidonia ansah, musste er gegen seinen Willen schmunzeln.
Die Beinkleider und das Samtwams standen ihr gut. Sie trug das Barrett so tief in der Stirn, dass es ihre helle Haut verschattete. Nie war ihm eine Frau von solcher Keckheit begegnet, oder handelte es sich doch nur um die Leichtfertigkeit eines verzogenen Kindes?
»Du bist ein appetitlicher Kerl, Lambert van Berck.«
Sidonia runzelte die Stirn. »Wenn dich jemand hört, könnte er meinen, wir seien Anhänger des verkehrten Amors.«
»Und solche Sünde wäre dir als fromme Kirchgängerin ein Gräuel! Männer, die einander lieben. Nein, das darf es nicht geben unter der Sonne, und es gibt es doch, glaube mir. Gerade auf Schiffen und im Schiff der Mutter Kirche.«
Sidonia fand seinen Blick beunruhigend. Zimenes lächelte, aber seine Augen machten nicht mit. Sie schluckte und schaute einer Möwe nach, die herabstach, um sich einen Hering aus einer Schubkarre zu stibitzen.
»Lass uns das Thema wechseln, mich interessiert weder die Liebe zwischen Männern und Frauen noch die zwischen Männern und Männern.«
Zimenes verneigte sich. »Ich vergaß, dass dein Herz unberührbar ist und dass du mittellose Frauen, die mit allen Sinnen einen Mann lieben, für Huren hältst.« Herrje, was trieb ihn zu diesem Geplänkel? Sie war ein törichtes Kind, mehr nicht. Hübsch, aber unbedeutend. Was wusste sie schon von der Liebe? Nichts, auch wenn ihr voller Mund die Begabung zur sinnlichen Lust versprach. Ach was, törichte Kinder gaben einem törichte Gedanken ein. Gabriel Zimenes zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden.
Er sah nicht, wie Sidonia errötete: »Verzeih mir meine Worte gegen deine Schwester, ich bin nicht unberührbar, im Gegenteil, ich ...«, sie brach ab. Sie wollte Zimenes nicht ihre wahre Not verraten. Die letzten Tage hatten sie gelehrt, niemandem zu vertrauen. Man konnte keinem Menschen hinter die Stirn blicken, und schon gar nicht Gabriel Zimenes. Doch sie musste sein Vertrauen gewinnen, wenn sie seine Hilfe wollte.
»Wie kommt es, dass du hier bist? Ich hörte, die Delegation zum Kaisers reist erst in zwei Wochen von Köln ab«, fragte sie wie beiläufig.
»Ich habe meine Dienste als Dolmetscher aufgekündigt. Und falls du dir noch immer Sorgen um mein Auskommen als kleiner Quacksalber machst, so tröste dich, ich bin als Schiffsarzt untergekommen. Ein schlecht bezahltes Geschäft, aber es gibt Wichtigeres als Geld.«
Sidonia biss sich auf die Lippen. Gabriel Zimenes hatte ihre lächerlichen Worte über seinen niederen Stand nicht vergessen. »Es tut mir leid, was ich über dich gesagt habe. Ich bin nicht so gefühllos, wie du glaubst, aber wer in dieser Welt zu viel Herz besitzt, ist ein Narr!«
»Oder ein Heiliger, was das Gleiche ist, pflegte mein Lehrer Fadrique zu sagen.«
Sidonia umklammerte Zimenes’ Hand. »Fadrique? Meinst du Padre Fadrique?«
Spielerisch verschlang Gabriel seine Finger mit den ihren und zwang sie auseinander.
»Du hast die bedauerliche Angewohnheit, mich in der Öffentlichkeit unziemlich anzufassen. Lass los, bevor die beiden Hübschen da vorne vor Schreck das Gleichgewicht verlieren.«
Er deutete mit dem Kopf in Richtung zweier Milchmägde, die auf Tragjochen schwappende Eimer übers Pflaster trugen.
Sidonia ließ Zimenes los. Sie hasste diesen Kerl, wenn er auf ihre Kosten spottete, und noch mehr hasste sie es, dass sie ihm so oft Gelegenheit dazu gab. Er behandelte sie wie ein albernes Mädchen. Doch das war sie nicht mehr.
»Lenk nicht ab. Was weißt du von Padre Fadrique? Ich muss ihn finden! Er könnte wissen, ob Adrian noch lebt und wo er sich aufhält.« Das hatte Doña Rosalia gesagt.
»Immer noch auf der Jagd nach dem Ritter? Aber warum in dieser Verkleidung?«
»Ich musste mich aus Köln fortstehlen, weil ...«, Sidonia biss sich auf die Lippen, dann fand sie eine Geschichte, die als Begründung herhalten konnte, ohne etwas von ihrer eigenen Lage zu verraten.
»... weil mein Bruder in Not ist. Man hat ihn wegen Ketzerei verhaftet. Das Vermögen meines Vaters wurde beschlagnahmt. Er darf die Stadt nicht verlassen. Nun ruht all unsere Hoffnung auf dem Einfluss der Löwensteins beim Kaiser!«
Zimenes’ Miene erkaltete. »Und auf Adrians Vermögen, wie ich annehme.«
»Er hat keins, wie du weißt.«
»Du irrst dich. Seine Fahrt in die Neue Welt war mehr als lohnend – bis auf die Tatsache, dass sie ihn wahrscheinlich das Leben kostete. Was wiederum beweist, dass es für jeden Menschen Wichtigeres als Geld gibt.«
Sidonias Augen wurden rund vor Staunen: »Ihr meint, der Ritter ist reich?«
Zimenes seufzte übertrieben. »Du scheinst meine Beweisführung nicht zu teilen. Ich korrigiere mich: Für dich ist Geld das Wichtigste auf der Welt.«
»Lass deine dummen Scherze. Wo ist dieses Vermögen, wenn sein Schiff gesunken ist? Du weißt nicht, was für mich und meine Familie davon abhängt.«
In ihren grünen Katzenaugen lag ein Flehen, das man beinahe für echt halten konnte. Doch ihre Geschichte über ihren verhafteten Bruder war nicht ihr einziger Beweggrund, das sah Zimenes genau. Zögernd sagte er schließlich: »Die Wellen spülten neben mir auch einen Teil der Ladung an Land. Löwensteins Gold ist an einem sicheren Ort!«
Sidonias Katzenaugen begannen zu seiner Verblüffung zu funkeln. »Es ist also an einem Ort, den du kennst? Du hast den Ritter bestohlen!«
Zimenes’ Miene veränderte sich schlagartig. Vom Lächeln bis zum Dolch gab es bei ihm nur die Breite eines Messerrückens. »Mich interessiert dieses Vermögen nicht, es klebt zu viel Blut daran. Der heilige Franziskus sagte zu Recht: Jeder Reiche ist ein Dieb oder Erbe eines Diebes.«
»Oh, tu nicht so fromm. Du bist gewiss kein Heiliger!«
»Nein. Ich möchte nicht als Märtyrer verbrannt werden. Übrigens fehlte in Franziskus’ Fall nicht viel dazu. Der damalige Papst hat lange überlegt, ihn als Ketzer hinrichten zu lassen. Der Unterschied zwischen einem Heiligen und einem Gottlosen ist oft haarfein.«
Sidonia schnappte nach Luft. Was wagte dieser Mann! In solcher Offenheit diskutierte man keine Fragen der Religion. Das kam einem Selbstmord gleich, so wie das Gerede ihres Bruders ihn ins Verderben gestürzt hatte. Und doch war dieser Spanier anders als Lambert. Nicht hitzköpfig und verführbar, kein Schwärmer, sondern, so gestand sich Sidonia widerwillig, ein Mann, dessen Geist scharf und leicht war. Ärgerlich schob sie ein Gefühl der Faszination beiseite.
»Ein Dieb bleibt ein Dieb!«
Zimenes lächelte wieder. »Sag das deinem Ritter, wenn du ihn triffst! Er ist alles in allem ein edler Mann, aber die Indios gaben ihm und seinesgleichen ihr Gold nicht freiwillig. Äonenlang haben sie von den Früchten ihres Landes gelebt, jetzt müssen sie in Bergwerken graben und ihre Feinde lieben, sonst werden sie von Bluthunden und Soldaten gehetzt und zerfetzt! Weißt du übrigens, wie die Indios ihr Gold nennen? Exkremente der Sonne oder kurz Götterdreck. Eine weise Bezeichnung, wie ich meine.«
Sidonia hob trotzig das Kinn: »Diese Menschen sind gottlose Heiden.«
Zimenes lachte bitter auf: »Dieser Satz passt zu dir wie kein zweiter! Leider dürfte Löwensteins Gold ein weiterer Grund sein, warum er dich nicht zu heiraten braucht, falls er noch lebt.«
Du Narr, das hat er bereits. Sidonia senkte die Augenlider. Bestürzt stellte sie fest, dass ihr das Blut ins Gesicht stieg.
»Weine nicht, mein Kind, wenn es dir nur um Geld geht, so wirst du einen Weg finden, welches zu bekommen. Den Gierigen steht die Welt offen, und ein kaltes Herz ist die beste Ausrüstung. Du solltest es allerdings in Frauengewändern versuchen, nicht jeder Mann schätzt die Schauspielkunst.«
Ein kaltes Herz! Wenn dieser Mann nur wüsste ... Aber nein, sollte Zimenes doch von ihr glauben, was er wollte! Sie hatte andere Sorgen. Aleander schien nichts von dem Gold seines Bruders zu wissen, sonst hätte er sich nicht die Mühe gemacht, sie ins Unglück zu stürzen und ihren Vater zu erpressen.
Er hätte einfach seinen Bruder getötet, um reich zu werden. Sie musste Adrian finden, bevor Aleander es tat. Auf einen Mord mehr oder weniger kam es dem Dominikaner sicher nicht an. Erst recht nicht, wenn noch mehr Geld dabei heraussprang.
Zimenes betrachtete Sidonia nachdenklich. »Und, ist er schuldig?«
»Wer?«
»Dein Bruder natürlich. Ist er ein Ketzer?«
Sidonia trat gegen einen faulenden Apfel, sodass er ins Meer kollerte. »Es spielt keine Rolle, ob er ein Ketzer ist. Ich liebe ihn, auch wenn du mir so ein Gefühl nicht zutraust! Er ist mein Bruder.«
Zimenes sog scharf die Luft ein. »Deine Gefühle in Ehren, aber ich denke, du irrst dich. Wenn er gottlos in dem Sinne ist, dass er die Menschen und das Gesetz der Barmherzigkeit verachtet, sie zerstört, statt ihnen zu dienen, und sich für einen Meister des Schicksals hält, dann ...«
»Du zeichnest ein genaues Bild von einem Mönch, den ich kenne«, entschlüpfte es Sidonia.
Zimenes schaute alarmiert auf: »Ein Mönch? Wen meinst du?«
Sidonia fasste nach einem salzfeuchten Tau, das um eine Mole gewunden war, und schalt sich für ihre Unbedachtheit. »Das tut nichts zur Sache. Mein Bruder jedenfalls schwärmt von Luther und der Wahrheit des Wortes.«
»Armer Kerl, er wechselt einen uralten Irrtum gegen einen neuen Wahn und tauscht einen faulenden gegen einen lecken Kahn.«
»Du redest schon wieder leichtfertig vom Glauben!«
»Ich nehme den Glauben aller Menschen ernst, nicht ihre Kirchen.«
Sidonia stemmte die Hände in die Hüften: »Mir ist dieses religiöse Gezänk zuwider! Warum darf nicht jeder auf seine Weise selig werden?«
Der Degenträger betrachtete sie mit echter Aufmerksamkeit. Dieses Gespräch nahm eine merkwürdige Wendung. »Das ist eine kluge Frage!«
Natürlich hatte dieses Kind keine Ahnung davon, wie tief greifend der Religionsstreit das Schicksal der Welt veränderte, aber ihr naiver Zorn war erfrischend.
Sidonia ärgerte sich über Zimenes’ überraschten Ton und registrierte zugleich seine Ernsthaftigkeit. Sie wusste, dass er diese Seite seines Charakters gewöhnlich gut verbarg. War er ein Ketzer, der prüfen wollte, ob sie zu den Hochverrätern gehörte? Das wäre ihre Chance, sein Vertrauen zu gewinnen! Diese Verschwörer schienen sehr aneinander zu hängen.
»Zimenes, ich brauche deine Hilfe. Ich muss auf ein Schiff nach Spanien und habe nicht genug Geld für eine Passage. Mein Bruder darf nicht sterben. Nur darum brauche ich Geld. Bitte glaube mir. Es geht um Leben und Tod.«
Zimenes’ Miene wurde noch ernster, er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Falls du ebenfalls der Ketzerei angeklagt bist, dann rate ich von Iberien als Fluchtpunkt ab. Nirgends verfährt man erbarmungsloser mit Ungläubigen. Man richtet dort sogar Träume und Kinder hin.«
»Ich muss dorthin, selbst wenn es mein Leben kostet! Wenn ich hierbleibe und nichts unternehme, wird meine ganze Familie untergehen.«
Gabriels Blick suchte den Horizont, erregt fuhr er fort. »Spanien ist ein Land der Henker. Wer im Suff ein Heiligenbild schief ansieht, ist des Todes, wer zu wenig Schweinefleisch isst, gerät in den Verdacht, ein Jude oder Maure zu sein, wer zu denken wagt, wird in die Flammen gestoßen, und selbst Fröhlichkeit kann tödlich sein, weil sie einen Mangel an Gottesfurcht verrät. Alles Lebendige ist lebensgefährlich in Spanien, und du bist ein sehr lebendiges Geschöpf, so viel steht fest, mein Kind!«
Es war die leidenschaftlichste Rede, die Sidonia je von Gabriel Zimenes gehört hatte. Wie gegen seinen Willen gab er ihr einen Einblick in seine Seele. Auch er kannte also Leidenschaft, die stärker war als sein Verstand. Hinter der Maske des überlegenen Spötters war er nackt wie sie. Stumm vor Staunen betrachtete sie den Mann. Er hatte ein Herz für Ketzer! Doch diese Offenbarung erstaunte sie weniger als seine Leidenschaftlichkeit, die ihn sehr jung aussehen ließ.
Gabriels Blick verschleierte sich, unvermittelt ließ er den Zeigefinger seiner Rechten über ihre Wange gleiten. Die Berührung ließ Sidonia zurückzucken. Sie hinterließ eine brennende Furche, traf sie wie ein Blitzschlag und ließ sie zittern. Es gab Dinge, die man besser ganz schnell vergaß und bekämpfte. So wie dieses Gefühl plötzlicher Schwäche und Schutzlosigkeit.
»Bitte, ich muss zu Padre Fadrique. Doña Rosalia sagte, dass er weiß, ob der Ritter noch lebt, und dass er mir helfen wird. Er hat schon vielen Verfolgten geholfen, sagt sie.«
Zimenes’ Miene verschloss sich, und seine Sprechweise gewann befremdliche Schärfe. Es war, als zöge er eine Klinge aus der Scheide: »Oh ja, das Wohl der Löwensteins liegt dem Padre sehr am Herzen! Er ist ein großer Menschenretter, wenn er will.« In Mariflores’ Fall hatte er nicht gewollt, dachte Zimenes, und schon gar nicht in meinem! Warum war der Padre nicht gegen Aleander angetreten? Hatte er um seinen Lehrstuhl und sein Ansehen in Santiago gefürchtet? Seine Lehren über die allgemeine Toleranz und gegen alle Todesurteile im Namen des Glaubens waren nur Papier. Wie hatte er sich in dem Padre getäuscht! Wie feige war der Mann, der einst seine Gedanken geformt und seine jugendliche Bewunderung genossen hatte.
Zornig betrachtete er Sidonia. In einem Punkt hatte dieses Kind Recht: Wer in dieser Welt ein Herz besaß, war ein Narr. Und wie ihr war auch ihm das religiöse Gezänk der Zeit zuwider. In gewissem Sinne waren sie sich ähnlich, das hatte er für einen Moment gefühlt. Doch der Unterschied war, dass Sidonia mit Gefühlen spielte, weil sie keine kannte, und er, weil das Gegenteil der Fall war. Dieses Kind weckte längst vergessene Empfindungen in ihm, die nichts als Täuschungen waren. Sie war ein blinder Spiegel, denn ihre Seele war leer, während die seine übervoll und zu alt für Leidenschaften war.
»Ich kann dir nicht helfen, Sidonia«, sagte er schroff.
»Bitte zerschlag nicht meine Hoffnung und die meiner Familie.«
»Warum sollte ich deine Familie retten?«
»Weil du keiner von diesen Ketzern bist, die die Menschen und das Gesetz der Barmherzigkeit verachten, die ...«
Diesmal nutzte ihr flehender Blick nichts.
»Du irrst, Sidonia. Frage Fradrique, falls du ihm je begegnest. Er hält mich für den ärgsten Ketzer von allen, denn ich glaube an die Nichtexistenz Gottes auf Erden!«
Sidonia fuhr zurück, stolperte beinahe über einen Steinpoller: »Du auch«, stieß sie hervor und dachte an den gemarterten Christus in der Schifferkirche. In Gedanken versunken setzte sie sich auf den Poller.
Zimenes starrte ihr widerwillig ins Gesicht. »Nein, Sidonia. Sag mir jetzt nicht, dass du deinen hübschen Kopf mit Sinnfragen quälst! Denken macht Falten. Dem Ritter würde es nicht gefallen, und mich täuschst du damit ebenso wenig wie mit deinen flehenden Blicken.«
Sidonia sprang vom Poller hoch. »Hör auf mich zu verspotten!« Sie wechselte zu dem knappen Geschäftston, den sie aus den Kontoren ihres Vaters kannte.
»Wenn du mir auf ein Schiff hilfst, verrate ich dir, wo Lunetta ist. Das willst du doch wissen. Also: Ich rette meine Familie und du die deine!«
»Ich werde dir nicht verraten, wo das Vermögen des Ritters verborgen ist.«
»Aber ihm wirst du es verraten müssen. Und wenn ich ihn finde und heirate, ist sein Vermögen auch das meine«, erwiderte Sidonia kalt.
»Das ist allein seine Entscheidung.«
»Glaube mir, er wird sich für mich entscheiden. Er muss.«
Zimenes wandte sich ab, ließ seine Augen über den Hafen gleiten, sanft schaukelten die Schiffe im Wasser, der Wind surrte in den Leinen. Endlich zog er seine Handschuhe straff.
»Das Geschäft gilt. Folge mir.«
»Wohin?«
Gabriel deutete mit dem Kopf zu einer Reihe grober Tische. Schiffsschreiber saßen unter freiem Himmel und musterten Seeleute und Schiffsjungen an.
»Ich soll als Seemann an Bord?« Sidonia riss die Augen auf.
»Wohl kaum, oder kannst du Segel reffen und in die Wanten steigen?«
Er fasste ihre Hände und drehte sie um. »Weiß wie Sahne und weich wie Saffian. Die Bedienung eines Taus würde dir die Hände bis aufs Fleisch aufreißen. Folge mir zur Negrona, ich kann dir einen erstklassigen Platz verschaffen.«
»Wie das?«
»Du reist in meiner Kajüte. Als Schiffsarzt habe ich ein Recht auf solche Unterbringung.«
Sidonia lief hinter Gabriel her, der mit ausgreifenden Schritten auf die Galeone zustrebte.
»Aber es könnten die Kölner Pilger um Sebald Rieter an Bord sein und mich erkennen, und da ist auch dieser Stadtsoldat, der mich schon in Köln verfolgt hat.« Und Aleander, doch dessen Namen verschwieg sie vorsichtshalber.
»Du wirst die Reise in meiner Koje verbringen. Die ersten Tage wirst du darunter entsetzlich leiden, aber dann wird sich dein Zustand bessern. Ich kenne Mittel, die die schlimmsten Folgen verhindern.«
Sidonia blieb stehen. »Ich denke nicht daran, das Bett mit dir zu teilen!«
»Ich auch nicht«, erwiderte Zimenes. »Ich ziehe eine Hängematte an Deck vor.«
»Wieso?« Die Frage klang empört, wie Sidonia zu ihrem Ärger feststellte.
Zimenes lachte. »Nimm einfach an, dass mich der verkehrte Amor und ein kräftiger Seemann mehr anziehen als deine Reize, die beträchtlich, aber nicht unwiderstehlich sind.«
Sidonias Herz setzte einen Takt aus.
War dieser Mann nicht nur ein Ketzerfreund, sondern auch ein völlig verdorbener Sünder? Oder scherzte er wieder? Wie sie seine Scherze verabscheute! Wie sie diesen ganzen Mann verabscheute, der mal heiß, mal kalt und ihr am Ende stets überlegen schien!