Читать книгу Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band - Marisa Brand - Страница 38

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Zur gleichen Stunde saß eine Gruppe Pilger in einer verräucherten Hafenschenke und ließ sich bei viel Wein, den ein Schiffsagent spendierte, seine Karacke schildern.

»Die Fortuna ist ein seeerprobtes Schiff! Sie verfügt über ein Zwischendeck, das neben der Ladung den Passagieren zur Verfügung steht. Drei Segel sorgen für gutes Fortkommen, unsere Trinkwassertonnen sind mit Ton gegen die Fäulnis ausgekleidet, und die Besatzung ist erfahren ...«

Ein älterer Pilger unterbrach den Redestrom des Anreißers. »Wie hoch über dem Schiffsrumpf befindet sich das Zwischendeck? Man riet uns, nicht über dem Bilgenwasser zu schlafen, das sich im Schiffsbauch fängt, da es pestilenzisch stinkt und Krankheiten überträgt.«

Der Anwerber schwieg einen Moment, um nach mehr Wein zu schnippen. »Euch stehen täglich zwei Mahlzeiten zu und ein Glas Malvasier ...«

»Wo befindet sich euer Zwischendeck«, beharrte sein Gegenüber und schob seinen Becher zur Seite.

»Nun, eh, unsere Karacke ist frisch kalfatert, es wird kaum Wasser eindringen, und die Pumpen ...«

Der Pilger verschärfte seinen Ton: »Ihr wollt uns also in ein lausiges Loch zwischen die Warenballen sperren! Fernab von der frischen Luft und direkt bei den Ratten. Dort, wo man bei Seenot als Erster ersäuft!«

Der Anwerber winkte heftiger nach Wein, doch die Pilger erhoben sich und wechselten zum Nachbartisch, an dem der Schiffsschreiber einer Galeone Platz genommen hatte.

»Komm, steh auf, Mädchen.« Ein Pilger rüttelte Lunetta wach, die auf einer Bank schlief. »Wir müssen einen anderen Schiffspatron finden.«

Der Anwerber der Karacke schickte ihnen unchristliche Flüche nach. Der Führer der Kölner Jakobspilger machte sich mit dem Vertreter der Galeone bekannt, der zunächst die Kunden reden ließ.

»Mein Name ist Sebald Rieter, ich bin Braumeister und Ratsherr und führe eine Wallfahrt nach Santiago. Wir brauchen Unterkunft für neun Männer, zwei Frauen und ein Kind. Nicht zu vergessen die Hühner und den Käse, den wir mitzunehmen gedenken, falls der Proviant knapp wird. Ist auf Eurem Schiff Platz?«

Der Angesprochene nickte knapp.

»Man sagte uns, die Passage nach La Coruña koste zwischen fünfzig und sechzig Dukaten.« Ein hoher Betrag, den der gewitzte Sebald um zehn Dukaten abgerundet hatte, um Verhandlungsspielraum zu behalten. Diesen nutzte der Galeonen-Anwerber sofort aus.

»Auf der Negrona sind es siebzig Dukaten, schließlich handelt es sich um ein ganz neues Schiff. Venezianische Dukaten, versteht sich.« Die Goldmünzen der italienischen Republik waren seit Jahrhunderten die verlässlichste Welthandelswährung. Ihr Goldgehalt wurde streng überwacht und Münzschaber, die sich Goldstaub von den Rändern abfeilten, streng bestraft.

»Siebzig Dukaten!« Der Pilgerführer gab sich erstaunt. »Dafür darf man einiges erwarten.«

»Mehr als euren Käse. Drei Feldschlangen, sechs Falkonetts auf Rädern, dazu acht Böcklein und Eisenbüchsen, die Steine im Kaliber einer Kartaunenkugel fassen.«

»Ihr sprecht von der Bewaffnung?«

Der Galeonenwerber nickte. »Die Negrona ist ein kriegstaugliches Kauffahrtschiff. Vor Spaniens Küsten kreuzt eine Menge Seeräuberpack. Und die haben es nicht auf das Leben eurer Hühner abgesehen. Mit drei besegelten Masten nimmt die Negrona auch das kleinste Lüftchen an und kann auf Blauwasser fern der Küste segeln. Die Karavellen der Korsaren geraten auf offener See schnell in Not.«

Sebald Rieter strich sich den Bart. Die Argumente des Mannes waren einleuchtend. »Und wie viele Schlafplätze habt ihr noch?«

»Wenn ihr an Deck bleiben wollt, wozu ich rate, weil ihr dort raschen Zugang zu den Abtritten und dem Kessel des Proviantmeisters habt, kann ich euch neun bis zehn Plätze schaffen. Mehr nicht, wir sind ausgebucht. Es sind lange keine Schiffe mehr gen Spanien gesegelt.«

»Siebzig Dukaten pro Nase, und das für Nächte unter freiem Himmel! Ich bitte Euch!«

Der Anwerber griff nach seinem Hut und setzte ihn auf. »Die Zelte auf dem Achterkastell sind vergeben und doppelt so teuer. Ihr seid Pilger. Heißt es nicht, dass der Herr den Himmel mit der Milchstraße ausstirnte, um den Weg zum Grab des Apostels zu weisen? Habt Vertrauen in die Sterne, ansonsten: Gott zum Gruße!«

Der Mann wollte sich verabschieden, doch der Brauer hielt ihn hastig zurück.

»Können wir zusätzliche Bedingungen ausmachen? Etwa, wie im Todesfall eine Bestattung aussieht? Keiner von uns möchte über Bord geworfen werden, und wir wollen regelmäßig die Messe feiern.«

Der Anwerber hob die Brauen: »Die Messe feiern? Ihr wisst, dass es verboten ist, das Blut Jesu Christi nach der Wandlung zu verschütten. Jede Bugwelle würde zur Messsünde führen!«

Jetzt war es an Sebald, seine technische Überlegenheit zu beweisen. Aus seinem Pilgersack zog er einen Messkelch hervor, dessen oberer Teil auf einem Kardangelenk ruhte. »Mit diesem mechanischen Wunderwerk wird jedes Schwanken des Schiffes ausgeglichen.«

»Wer seekrank ist, könnte die Hostie und damit den Leib Christi ins Meer speien!«

»Ich verspreche, dass niemand, der unter Übelkeit leidet, teilnehmen wird. Also, habt Ihr einen Priester an Bord?«

Der Werber schien nun überzeugt. »Ja, unter den Passagieren ist ein vornehmer Mönch. Ein Spanier.«

Ein stöhnender Laut lenkte seinen Blick auf Lunetta, die sich an ihren Pilgersack klammerte. »Wer ist das?«

»Ein stummes Mädchen, das in Santiago auf Heilung hofft. Nun, wie viele Plätze habt Ihr?«

»Ich sagte bereits, es sind neun, höchstens elf, wenn ihr eng zusammenrückt. Ihr werdet euch von einem Reisegefährten trennen müssen. Ich rate euch, das Mädchen zurückzulassen, sie wird bestimmt einen barmherzigen Schiffspatron finden, der sie kostenlos mitnimmt.« Er pausierte kurz. »Etwa meinen Kollegen von der Karacke. Seinem Seelenheil täte ein wenig Barmherzigkeit gut und seinem Schiff erst recht.«

»Ich werde mich der kleinen Pilgerin annehmen«, mischte sich die sanfte Stimme eines Mönches in das Gespräch, »so wie es Christenpflicht ist.«

Der Galeonenwerber wandte sich um: »Ah, Senor Aleander! Darf ich vorstellen, dies ist der Priester, der euch gewiss mit Freuden dann und wann die Messe lesen wird. Er ist ein hochrangiger Vertreter des Heiligen Officiums von Santiago und hat das beste Deckszelt gemietet.«

Ein Tumult, der von der Bank her kam, unterbrach ihn. Lunetta kämpfte mit Sebald, dem Braumeister, der sie zu beruhigen suchte.

»Seid ihr sicher, dass sie nur stumm und nicht irre ist?«, wollte der Passagierwerber von den Pilgern wissen.

»Sie ist ein Kind Gottes«, sagte Aleander salbungsvoll, »nur das allein zählt. Sollte ein Exorzismus notwendig sein, ist sie bei mir in besten Händen. Komm, Mädchen, ich habe mit dir zu reden.« Die Pilger machten ihm bereitwillig Platz. Einigen unter ihnen war die Nähe des Kindes von Anfang an unbehaglich gewesen, da ein Judenarzt Lunetta an sie vermittelt hatte. Teufelsbrut auf dem Weg zum wahren Jakob – da sei Gott vor. Nur Sebald, dem Meister Siebenschön erfolgreich einen kieselgroßen Blasenstein gezogen hatte, protestierte schwach: »Aber wir haben versprochen, das Mädchen nicht im Stich zu lassen! Ich gab mein Wort als Christenmensch.«

Der Dominikaner sah ihn hochmütig an: »Wovon redet Ihr? Nirgends könnte ein Kind sicherer sein als im Schoß unserer Heiligen Mutter Kirche.« Er packte Lunetta mit eisernem Griff und zog sie aus der Schenke fort.

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