Читать книгу Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band - Marisa Brand - Страница 39

3

Оглавление

Sidonia schlug die Hand fort. Im Licht eines Strahlenfingers, den der Vollmond durch die Holzwand schob, erkannte sie den üppigen Leib einer ... Frau!

»Wer bist du?« Sie ballte ihre Hand, bereit, die dralle Magd grün und blau zu schlagen.

»Die Frage ist wohl eher, wer du bist! Jedenfalls kein geiler Jüngling, wie der Wirt mir versprach! Eine Frau in Männerkleidern, das ist Teufelswerk. Schlimmer als jede ehrliche Hure! Ich möchte gar nicht wissen, warum du dich so gegen die Natur und Gott versündigst. Mit einem Leib wie deinem. Haut wie Sahne. Ich kenne Männer, die ein Vermögen dafür gäben, um die einmal zu berühren.« Sie tastete nach Sidonias Brüsten.

Sidonia riss die Decke an sich. Eine Welle von Scham überflutete sie. Bilder an die Nacht mit Aleander krochen in ihr hoch. Bilder, die sie in den letzten Tagen so erfolgreich verdrängt hatte, dass sie nun mit doppelter Wucht zurückkehrten.

»Verschwinde«, stieß sie heftig hervor. »Ich will deine schmutzigen Dienste nicht!«

Die Magd kicherte. »Soll ich mich vorher baden wie du?«

»Lass die Scherze und hau ab.«

»Erst, wenn du mir meinen Lohn gibst. Fünf Silbergroschen sind üblich. In deinem Fall erhöhe ich auf zehn, schließlich habe ich mich sehr erschreckt. Dafür sag ich nichts weiter! Ich schwör’s sogar für drei Groschen mehr.«

Sidonia sprang auf die Füße, riss ihren Degen hoch, der neben ihren Satteltaschen lag. »Du kannst deinen Lohn in blankem Stahl bekommen.«

Sie war selbst erschrocken über das Ausmaß ihres Zorns. Noch erschrockener war die Magd. Sie flüchtete mit fliegendem Hemd aus dem Bretterverhau. Die Flüche aufgestörter Gäste begleiteten sie.

Sidonia ließ sich auf ihr Lager fallen. Ihr Zorn verblasste. Sie fühlte sich schmutzig trotz ihres ausführlichen Bades. Ihr Leib, der selbst Frauen zu unsittlichen Berührungen verführte, widerte sie an. Ach, wenn sie nur wirklich ein Mann sein könnte, wenn sie diesen verdammten Körper einfach verlassen dürfte, unsichtbar sein oder unberührbar wie ein Leproser, dem die Glieder wegfaulten. Sie kämpfte gegen Tränen, Ekel und Übelkeit an. Und gegen böse Ahnungen. Verdammt, der Besuch der Magd roch nach Ärger. Sie tastete nach ihrer Geldbörse und fand sie unter ihrer Kleidung. Sie presste das Geld an ihre Brust. Den Rest der Nacht verbrachte sie unruhig.

Früh um sieben verließ sie den Gasthof, um das Flandernkontor ihres Vaters aufzusuchen. Sie musste hier weg, so schnell wie möglich, und dafür brauchte sie alles Geld, das sie bekommen konnte.

Der Seewind hatte den Jordanskai rein gefegt, der Himmel wölbte sich über wendigen Karavellen, Koggen, schwerfälligen Karacken und Fischkähnen. Staunend verweilte Sidonia vor der Galeone Negrona, deren Bug wie ein Vogelschnabel in die Luft ragte. Ihr Achterkastell war mit bunten Fenstern versehen. Für einen Moment malte sie sich aus, welch herrlichen Ausblick man von der Kapitänskajüte aufs Meer haben musste. Das Meer!

Aufgemuntert von diesen Aussichten schob sie sich durch das Gewimmel der Fasszähler, Sackträger, Hafenbeamten und Boten, vorbei an der Burg des Markgrafen bis zur Gorterstraat. Kopfschüttelnd betrachtete sie das Portal des väterlichen Fernkontors, dass wie ein Reliquienschrein geschnitzt war. Unverbesserlicher Claas van Berck! Sein Geld hatte ihn dazu verleitet, sich für den Meister der Wirklichkeit zu halten.

Sie öffnete die Tür und betrat eine Stube. Das Kontor roch nach Talg. An Stehpulten kratzten Schreiber und Buchhalter mit Gänsefedern über Papier. Sie sahen kaum auf, als der schlanke Jüngling auf einen Tisch am Ende des Raumes zusteuerte. Hier thronte der Hauptfaktor neben Rechenbrett und Geldkästen. Er studierte Auftragsbögen.

Sidonia räusperte sich, um ihre Stimme tiefer zu machen. »Guten Tag, werter Herr Mijnhart.«

Der Mann schaute mit ausdrucksloser Miene auf. »Guten Tag.« Sidonia zog den Geleitbrief des Kölner Rates aus ihrem Hemd und legte ihn vor Mijnhart hin.

»Ich bin Lambert van Berck, der Sohn Eures Meisters. Dieses Dokument weist mich aus.«

Der Mann hinter dem Schreibtisch machte keine Anstalten, das Dokument zu prüfen. Bemüht, ihre Stimme noch tiefer klingen zu lassen, fuhr Sidonia fort. »Ich bin auf dem Weg nach Spanien und wollte fragen, ob Briefe für mich gekommen sind.«

»Spanien?« Die Frage kam wie ein Peitschenhieb. Sidonia wich zurück. Der Faktor musterte sie. Noch immer waren seine Augen ausdruckslos. Sidonia sah sich zu weiteren Erklärungen gezwungen.

»Nun, ja, ich, also ich werde die spanische Mission des Kölner Rates zum Kaiser begleiten. Wegen der kirchlichen Steuerfragen, also, weil ...«

»Zum Kaiser?«

Mein Gott, plapperte der Mann alles nach wie ein Papagei? In Hauptwörtern, schnarrend und bar jeder Höflichkeit? Verflucht, sie war die Tochter seines Geldgebers. Genau, warnte eine innere Stimme sie, du bist die Tochter, nicht der Sohn! Besser sie fasste sich kurz.

»Also, habt Ihr Briefe?«

Der Mann schob ihr ein gefaltetes Pergament über den Tisch, das er bereitgelegt zu haben schien. Na, also. Rasch ergriff sie den Brief und steckte ihn in ihr Hemd.

»Und dann wollte ich Euch bitten, mir Geld für die Reise vorzuschießen.«

Der Faktor lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seine Miene wurde noch kälter. »Soweit ich weiß, werden die Kölner Gesandten erst in zwei oder drei Wochen hier erwartet.«

»Nun, eh, ich bin sozusagen die Vorhut.«

»Die Vorhut, so so. Gleichwohl, alle Eure Kosten sind bereits abgedeckt. Euer Vater hat hierfür genug gezahlt.« Mit dem Finger tippte er auf den Geleitbrief.

Sidonia merkte, dass sich Schweißperlen in ihrem Nacken sammelten. Sie versuchte es mit einem Lächeln.

»Ja, sicher, aber ein junger Mann hat gewisse Ausgaben, und mein Vater möchte, dass ich standesgemäß gekleidet bin.«

Sie versuchte es mit dem flehenden Blick, der ihr als schöne Sidonia so oft geholfen hatte. Grün funkelten ihre Katzenaugen.

Der Faktor ließ sich Zeit für eine Antwort. Er schien sie unter den Staubkörnern zu suchen, die in der Luft tanzten. Endlich beugte er sich vor.

»Ich habe kein Geld.«

Empört schaute Sidonia auf die Geldkästen auf dem Tisch. »Aber ...« Leise setzte sie hinzu: »Bitte, ich brauche es dringend!«

Der Faktor ließ seinen Blick durch den Raum gleiten und winkte sie zu sich heran.

»Wenn ich dir einen Rat geben darf, dann mach, dass du fort kommst. Egal wie, nur nicht auf einem Schiff nach Spanien. Meide die christliche Seefahrt! Und meide vor allem die Negrona. Das sage ich als alter Freund deines Vaters, mein Junge

Er griff nach dem Geleitbrief und zerknüllte ihn mit mächtiger Hand.

»Was soll das heißen?«

Der Faktor lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. Er griff nach einer Feder, tauchte sie in Tinte und begann zu schreiben. Sidonia schien seinem Gedächtnis entfallen zu sein. Verwirrt schaute Sidonia sich im Kontor um, keiner schien ihre Anwesenheit noch zu bemerken. Deutlicher konnte ein Rauswurf nicht sein.

Sie drehte sich um und lief zum Ausgang und in die Gasse. Sie rannte zurück zum Kai, immer am Rand des Piers entlang, auf den Gasthof zu. Irgendetwas oder irgendjemand musste sie verraten haben! Nur wer? Aleander, schoss es ihr durch den Kopf. Der Mönch musste bereits in Antwerpen sein. Der langsame Kaufmannszug, mit dem sie geritten war, war eine schlechte Wahl gewesen. Mit guten Schiffen ließ sich die Scheidestadt von Köln aus in einer Woche erreichen. Hatte Aleander bereits im Kontor des Vaters vorgesprochen? So musste es sein.

Atemlos erreichte sie den Gasthof, stürzte die Treppen zum Dach hinauf und begann fieberhaft zu packen. Dann besann sie sich. Der Brief! Vielleicht konnte der Brief ihr Aufklärung verschaffen. Zitternd nestelte sie das Schreiben aus ihrem Hemd, setzte sich auf einen Schemel und wollte ihn lesen. Ein hartes Pochen an der Brettertür ließ sie innehalten.

Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band

Подняться наверх