Читать книгу Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band - Marisa Brand - Страница 32
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ОглавлениеSieben Tage waren seit der demütigenden Farce des Ehegelöbnisses vergangen, bei der Sidonia van Berck dem Mönch Aleander vor Kölner Zeugen Treue und Gehorsam bis in alle Ewigkeit versprechen musste. Aleander hatte dabei noch einmal die höfischen Gewänder eines Ritters getragen. Im Beisein des Gewaltrichters, der peinlichste Unterwürfigkeit gezeigt hatte, hatten Claas van Berck, Doña Rosalia, Aleander und sie eine kölnische Eheurkunde unterzeichnet, die eine deutsche Übertragung des gefälschten spanischen Dokumentes war.
Niemand hatte es gewagt, Zweifel daran zu äußern, dass sich Sidonia van Berck und der Ritter bereits in Spanien das Jawort gegeben hatten.
Der Pfarrer von Sankt Kolumba hatte als kirchlicher Zeuge gedient und die Magd Tringin als weltliche. Sidonia besaß im Haus ihres Vaters keine Freunde mehr. Diejenigen, die wussten, was sie in der Nacht nach dem Fest getan hatte, mieden sie ebenso wie die, die sie für ein zänkisches Eheweib hielten, weil sie ihrem hohen Gatten mit Kälte begegnete. Der vermeintliche Adrian von Löwenstein hingegen bezauberte mit Leutseligkeit und seiner schönen Erscheinung den gesamten Haushalt van Berck.
Nur seine Mutter Doña Rosalia schien ihren Sohn ebenso zu verabscheuen wie Sidonia. Obwohl die Witwe ihm in der Nacht der Verführung geholfen hatte und ihre Unterschrift unter das kölnische Ehedokument gesetzt hatte, mied sie Aleander nun. Die meiste Zeit des Tages sperrte sie sich in ihr Schlafgemach.
Sidonia war zu beschäftigt mit ihrem Unglück, um sich Gedanken über das Verhalten ihrer Schwiegermutter zu machen. Jetzt saß Sidonia, der man auf Befehl Aleanders Hausarrest erteilt hatte, im ummauerten Garten auf der Rückseite des väterlichen Hauses und versuchte den Abendfrieden, der sie umgab, einzuatmen.
Sie war aus dem Haus geflohen, um nicht weiter die eintreffenden Glückwünsche entgegennehmen zu müssen. Kölns Patrizier machten ihre Aufwartung und brachten Geschenke. Ratsherren übermittelten ihre Grüße, sprachen Einladungen zu Zunftessen und ihren geheimen Sitzungen aus.
Aleander war klug genug, sich keinem von ihnen zu zeigen. Zu viele Zeugen wollte er nicht haben, und, dass er nicht zugänglich war, erhöhte nur die Ehrfurcht und den Eifer der Gratulanten.
Sidonias Vater saß im Kontor und nahm Aufträge entgegen, zählte das Geld in seine Kassen, das ihm nun aus Schuldverschreibungen zufloss, und würde es später dem unersättlichen Aleander übergeben, der sich für die Rückreise nach Spanien in der kommenden Woche rüstete.
Lambert durfte wieder seinem Studium nachgehen und hatte Quartier in einer Studentenburse nahe der Domschule bezogen, wo er pünktlich seine Vorlesungen hörte. Er schien gerettet, doch um welchen Preis!
Sidonia, so war es geplant, würde Aleander nach Santiago de Compostela begleiten, um in das Kloster für Reuerinnen einzutreten, während zu gleicher Zeit ein Brief abgesandt würde, der eine Sterbeurkunde Adrian von Löwensteins enthielt. Als trauernde Witwe sollte sie ihr Leben hinter spanischen Klostermauern fristen. Abgeschirmt vor aller Welt und, so wusste sie, den teuflischen Gelüsten und Bestrafungsritualen Aleanders ausgeliefert.
In der Nacht nach der Ehezeremonie hatte Aleander seine Annäherungen zu wiederholen versucht. Ohne süßes Geplänkel hatte er Sidonia unter Androhung von Schlägen auf das Bett gezwungen und ihr beibringen wollen, was er die Sünde des a tergo nannte.
»Du musst lernen, mir zu gehorchen, nur in der völligen Unterwerfung kannst du Erlösung finden«, hatte er geraunt, während er sich am Mieder ihres goldenen Festkleides zu schaffen machte.
»Du bist ein Mönch! Wie kannst du so schamlos sein?«
»Meine Nähe zu Gott befreit mich von aller Schuld. Er selbst weist mir diesen Weg. Ich vernehme oft seine Stimme. Könnte ich sonst so erfolgreich sein? In Santiago nennt man mich den Löwen des Glaubens, und niemand entkommt meiner Pranke. Wer ein Ketzer oder eine Hexe ist, prüfe und bestimme ich allein. Wem ich Gnade gewähre, der wird auch Gottes Vergebung teilhaftig. Und nun drehe dich um, du Hure des Satans, damit ich mich von der lästigen Begierde befreien kann, die du mir eingibst.«
Entsetzt hatte Sidonia erkannt, dass dieser Mann all das glaubte, was er sagte. Er war vom Wahn seiner gottgleichen Größe besessen und überzeugt, über alle Gesetze der Welt erhaben zu sein. Der Erfolg seiner fein gesponnenen Pläne und die Bewunderung der Welt schienen ihm Recht zu geben.
Doch diesmal hatte Sidonia sich gewehrt und geschrien, und er hatte widerwillig von ihr abgelassen. Keiner sollte im Haus van Berck Zeuge seines wahren Charakters sein. In Santiago aber, so hatte er ihr zu verstehen gegeben, gab es niemand, dem gegenüber er sich Zwänge auferlegen musste.
»Die Bußkeller im Kloster der Reuerinnen sind tief, dort werde ich dich lehren, mir und Gottes Willen ganz zu gehorchen, bis du endlich zur Selbstaufgabe in Christo bereit bist. Oder gefiele es dir besser, eine von den heiligen Frauen zu werden, die sich einmauern lassen, um für den Rest ihres Daseins nur durch ein Loch von den Essensspenden der Frommen zu leben? Du liebst das Leben zu sehr, um das zu wollen.«
Sidonia betrachtete mit bitterer Miene einen Zeisig, der in einem Pflaumenbäumchen von Ast zu Ast flog. Träge summte eine Hummel über den Kräuterbeeten, die die Luft mit dem Duft von Rosmarin und Thymian parfümierten. Nichts von alldem bot ihr Trost. Mit der rechten Hand fuhr sie in den Ausschnitt ihres Mieders und zog den Dolch hervor, der ihr stets ein treuer Begleiter gewesen war. Sie drückte ihren Zeigefinger auf die Klinge, bis sie einen schneidenden Schmerz spürte und Blut daraus hervorsprang.
Ich werde dir zeigen, wie viel Freude ein wenig Schmerz verursachen kann, tönte Aleanders kalte, schmeichelnde Stimme in ihrem Ohr.
Wäre es nicht das Einfachste, die Todsünde des Selbstmords zu begehen, um ihm zu entkommen? Entschlossen drückte sie die Klinge gegen ihr Handgelenk, schloss die Augen und zog das Messer rasch bis zu ihrer Brust.