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»Bist du sicher, dass das Pferd schnell genug ist?«

»Mein Vater hat einen denkbar einfachen Geschmack, er kauft von allem nur das Beste. Der Rappe sollte ein Geschenk für Adrian sein.«

»Dir wird wenig Zeit bleiben, wenn man das Klappern der Hufe auf dem Hof vernimmt. Aleander wird dir sofort Verfolger auf den Hals hetzen!«

»Hier sind Lappen. Hilf mir, sie um die Hufe des Tieres zu binden! Das wird die Entdeckung hinauszögern.« Das Licht eines Kienspans warf die Schatten zweier Gestalten an die Stallwand, die sich still ans Werk machten.

»Geschafft!« Sidonia streifte sich Reithandschuhe über die Hände. Schmerz durchzuckte sie, als sie das Leder über den Schnitt am linken Handgelenk zog.

»Oh Sidonia! Gott gebe, dass Aleander erst weit nach dem Morgengrauen erwacht!«

Sidonia führte ihr Pferd zur Stalltür. »Der Wein, den du ihm gabst, wird ihn lange in seinen bösen Träumen festhalten«, sagte sie kalt und spuckte aus.

»Dank Meister Siebenschöns Schlafmohnpulver. Aber sobald Aleander dein leeres Bett entdeckt, wird er dich jagen lassen! Er wird alles tun, um zu verhindern, dass du seinen Bruder Adrian findest, falls er wirklich noch lebt!«

»Daran will ich glauben, und mit dem Teufel im Nacken werde ich umso schneller reiten«, sagte Sidonia und schob ihr gekürztes Haar unter ein Barett.

Der Singsang des Nachtwächters erklang vor dem Tor des Hofes. Er kündigte die fünfte Stunde des Tages an und erinnerte alle Bürger daran, auf offene Feuer und brennendes Licht zu achten. Im Gesindetrakt regten sich die Mägde. Sidonia verschloss dem Rappen das Maul, bis der Nachtwächter weiterzog. Die Dunkelheit ging in Dämmerung über.

»Welches Stadttor willst du nehmen?«

»Die Eigelsteinpforte. Dort öffnet man früh, um die Kohlbauern und Viehtreiber zum Markt einzulassen. Es sind nur wenige enge Gassen bis dahin, und ich bin schnell zwischen den Weingärten und Feldern vor der Mauer.«

»Bis zur Eigelsteinpforte musst du ein gefährliches Viertel passieren! Dort haust Lumpenpack.«

Sidonia lachte. »Umso besser, sie werden mich nicht erkennen. Dorthin habe ich nie Ausflüge unternommen! Sei unbesorgt, dank eines so schnellen Pferdes und in meinen neuen Gewändern fühle ich mich sicherer als je zuvor.«

»Trotz aller Verwandlung wirkst du sehr jung!«

Sidonia bückte sich und griff sich eine Hand voll Stroh, fuhr sich damit durchs Gesicht. Lehmspuren verdeckten ihre Haut und gaben ihr ein verwegenes Aussehen.

»Besser? Dank der Waffe wird man mich mit Freuden in einen Kaufmannszug nach Antwerpen aufnehmen.« Sidonia klopfte auf den Degen und führte ihr Pferd über den Hof. Ihre Begleitung folgte.

»Weißt du einen Degen zu benutzen, wenn dir Gefahr droht?«

»Ich habe mit Lambert von Kindesbeinen an Fechtspiele geübt und stets gewonnen.« Sidonia zog das Pferd auf die Gasse. Ein letztes Mal ließ sie ihren Blick über das Haus des Kaufmanns gleiten.

»Ich hoffe, das Geld, das ich dir geben konnte, reicht für die Schiffspassage nach Spanien.«

Sidonia entfernte die Lappen von den Hufen des Rappen. Der Kot der Gasse würde jedes Geräusch schlucken. Dann setzte sie den Fuß in einen Steigbügel. »Wenn das Geld nicht reicht, werde ich mir in Vaters Kontor in der Scheidestadt mehr besorgen. Schreibe mir dorthin! Ich muss wissen, wann Aleander von hier abreist und was er plant. Hoffentlich sucht er noch eine Weile in Köln nach mir.«

»Sobald du im van Berck’schen Kontor in Antwerpen auftauchst, wird man deinen Vater benachrichtigen!«

Sidonias Mund wurde zu einem harten Strich. »Dann kann ich nur hoffen, dass er sich an die Liebe zu seinem Kätzchen erinnert und den Mund hält! Geld habe ich ihm ja nun eingebracht.«

»Sprich nicht zu hart über ihn, auf seine Weise hat er ein großzügiges Herz. Du wirst ihm fehlen. Lass uns hoffen, dass Aleander keine Rache an ihm übt. Bedenke, dass er den Pilger ermordet haben muss, um die Nachricht über Adrians Schiffsunglück zu unterdrücken, und selbst Lunetta, seine eigene Nichte, wollte er töten.«

Sidonia schwang sich in den Sattel. »Beide standen seinen Heiratsplänen im Weg. Aber warum sollte er meinem Vater etwas anhaben? Man schlachtet keine Kuh, die sich melken lässt!«

»Du redest wie ein Mann! Noch dazu wie ein abgefeimter Schuft.«

»Ich hatte gute Lehrmeister und will für nichts anderes gehalten werden.« Sie klopfte auf die Satteltaschen. »Hier drin steckt Lamberts Geleitschreiben nach Spanien. Es wird mich bis Antwerpen ausweisen, und sehe ich nicht wie ein schmucker Jüngling aus in seinen Beinkleidern! Er hat sie nie getragen, weil sie ihm zu äffisch waren. Vater hat spanisches Leder und englisches Tuch verwenden lassen. Ich war ihm nie so dankbar für eins meiner Kleider. Und nun, öffne das Tor.«

»Selbst in dieser Aufmachung wirst du großen Gefahren ausgesetzt sein.«

»Wenn Gott einen Menschen strafen will, erfüllt er ihm seine Träume, heißt es. Ich wollte immer reisen – nun tue ich es. Mehr Sorgen mach ich mir um dich. Aleander darf nie herausfinden, wer mir zur Flucht verhalf!«

Ihr Gegenüber senkte den Kopf. »Lass uns ein Gebet sprechen.«

Sidonia verkniff sich eine spöttische Bemerkung. Sie faltete ihre Hände über den Zügeln. Die Witwe sprach den biblischen Psalm, den man Jakobspilgern in Abschiedsmessen mit auf die Reise gab.:

»Es wird dir nichts Böses begegnen,

denn der Herr hat seinen Engeln

befohlen, dass sie dich behüten

auf all deinen Wegen,

dass sie dich auf Händen tragen

und dass du deinen Fuß

nicht an einen Stein stoßest.«

Amen, wollte Sidonia schließen und ihr tänzelndes Pferd antreiben, doch die Witwe hob die Hand.

»Mögest du die leuchtenden Fußstapfen des Glücks finden und ihnen folgen auf deinem ganzen Weg.«

Sidonia beugte sich aus dem Sattel hinab und umschlang die Schultern Doña Rosalias. »Ich werde deinen Sohn Adrian finden! Das schwöre ich beim Allmächtigen.«

Und bei der Karte, die sie noch in der Nacht gezogen hatte. La fuerza, die Kraft, zeigte eine furchtlose Frau, die einem Löwen das Maul aufriss. Nannte Aleander sich nicht den Löwen des Glaubens?

Die Witwe erwiderte die Umarmung. »Suche in Spanien Padre Fadrique auf! Sage ihm, dass ich Lunetta zu ihm zurückgeschickt habe. Er wird wissen, was zu tun ist. Der Padre findet immer eine Lösung. Ich hoffe, dass sie sicher zu ihm gelangt. Du kannst ihm vertrauen.«

»Verzeih, dass ich dich immer mit so viel Mutwillen behandelt habe.«

Die Witwe schüttelte den Kopf. »Du musst mir verzeihen. Immerhin habe ich Aleander bei deiner Verführung geholfen und die Eheurkunde unterzeichnet!«

»Er drohte, deine Enkelin zu ermorden, und du hast sie gerettet. Und nun rettest du mich. Ich wünschte, ich wäre ähnlich selbstlos und hätte nur ein Zehntel deines Gottvertrauens!«

»Ach, Sidonia, du weißt nicht, wie ähnlich du mir bist! Wie du wurde ich für viel Geld an meinen verstorbenen Mann mehr verkauft als verheiratet. In Wahrheit liebte ich einen anderen, aber ich musste mich hinter der Maske des Hochmuts und strengster Frömmigkeit verbergen, weil ...« Doña Rosalia brach ab. Dieses Geheimnis konnte sie nicht preisgeben. Entschlossen löste sie die Umarmung. »Reite mit Gott, mein Kind. Mein Herz begleitet dich.«

Als das Pferd am Ende der Gasse in Galopp verfiel und eine vorgelegte Kette übersprang, setzte Doña Rosalia einen Gruß hinzu, den sie zuletzt als Mädchen aus dem Mund ihrer Mutter vernommen hatte: »Schalom.«

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