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b) Systematische Auslegung

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Auch eine systematische Auslegung232 führt zu keinem anderslautenden Ergebnis. Bei dieser Auslegungsmethode ist die zu untersuchende Regelung im Gesamtzusammenhang mit der Rechtsordnung zu betrachten.233 Die Vorschrift soll nicht – auch nicht im Hinblick auf die professionellen Betriebsräte – in Widerspruch zu dem gesetzlichen System stehen. Zu berücksichtigen sind nicht nur der über die Norm hinausgehende Inhalt sowie Wertungen des Gesetzes, sondern auch der Zusammenhang mit anderen Vorschriften.234 Dazu gehören ebenso höherrangige Vorschriften, wobei insbesondere auch eine unionsrechts- bzw. richtlinien- und verfassungskonforme Auslegung vorzunehmen ist.235 Insgesamt ist bei diesem Auslegungskriterium danach zu fragen, ob das Unentgeltlichkeitsprinzip mit einer uneingeschränkten Geltung auch für „verberuflichte“ Betriebsräte in Einklang mit dem gesetzlichen System steht.

Als höherrangiges Unionsrecht ist hier die Richtlinie EU 2002/14/EG, insbesondere der Schutz der Arbeitnehmervertreter nach deren Artikel 7 heranzuziehen.

Dieser verlangt allerdings nur als Mindestschutz allgemein eine Gewährleistung der sicheren Ausübung der Aufgaben von Arbeitnehmervertretern236 und enthält keine speziellen Vorschriften für ihre Vergütung oder einen (finanziellen) Ausgleich für besondere Belastungen oder Anforderungen im Amt. Die deutschen Schutzvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes zur Entgeltbemessung von Betriebsratsmitgliedern gehen weiter als die europäischen Vorgaben und stehen diesen nicht entgegen. Darüber hinaus ergibt sich hier kein Widerspruch zu Normen, die eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung im Hinblick auf den Beruf zu verhindern versuchen – weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene. Zwar könnte man an eine Unvereinbarkeit denken, schließlich kann es vorkommen, dass einzelne „professionalisierte“ Mandatsträger bei strikter Anwendung des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes aufgrund ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit deutlich geringer entlohnt werden als ihre Betriebsratskollegen, die früher eine höher bezahlte Tätigkeit ausgeübt haben. Bedenken wegen Verstoßes gegen mögliche Gleichbehandlungsgebote lassen sich aber bereits mit Gerechtigkeitserwägungen ausräumen, weil eine vollständige Gleichbehandlung bei deutlich unterschiedlichen Leistungen – gerade bei professionalisierten Betriebsräten – nicht sachgerecht wäre. Eine Diskriminierung wegen der „beruflichen Herkunft“, wie sie in der Literatur bereits bezeichnet wurde,237 ist weder einer der Grundfreiheiten des Europarechts oder der Berufsfreiheit des Grundgesetzes zuzuordnen noch gehört dies zu einem der Gründe einer verbotenen Diskriminierung des AGG. Davon abgesehen ließen sich zugleich auch Argumente für eine Rechtfertigung des Unentgeltlichkeitsprinzips anführen.

Innerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes kann das Unentgeltlichkeitsprinzip im Kontext der Vorschrift des § 78 S. 2 BetrVG betrachtet werden, die allgemein jegliche Benachteiligung und Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern verbietet. Die Regelung des § 37 Abs. 1 BetrVG wird teilweise als Konkretisierung dieses generellen Verbotes angesehen.238 Unabhängig davon, wie man das Verhältnis dieser allgemeinen Norm zu den speziellen Vergütungsvorschriften bewertet,239 handelt es sich bei beiden Regelungen jedenfalls um Schutzvorschriften für Betriebsräte mit gleicher Schutzrichtung, so dass § 78 S. 2 BetrVG auch dem System zugeordnet werden kann, in dem das Unentgeltlichkeitsgebot zu betrachten ist. Allerdings lässt sich hier kein eindeutiger Widerspruch der Regelungen bei der neuen Fallgruppe feststellen. Grundsätzlich können Zahlungen für Betriebsratstätigkeit, die über das Entgeltverbot hinausgehen, auch bei gesteigerten Anforderungen im Lichte einer Begünstigung stehen. Eine strenge Anwendung des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes auch auf professionelle Betriebsräte kann wegen zu hoher Belastungen ohne entsprechenden Ausgleich aber gleichzeitig ebenso eine Benachteiligung der jeweiligen Mandatsträger darstellen.

Zuletzt ist die Vereinbarkeit des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes hinsichtlich seiner Anwendung auf „professionalisierte“ Betriebsräte in Zusammenhang mit den weiteren speziellen Vergütungsregelungen der §§ 37 und 38 BetrVG zu bewerten. Mit dem Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG steht das Gebot der Unentgeltlichkeit jedenfalls nicht in Widerspruch, auch wenn allein die Einstufung als Ehrenamt noch nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass hier keine Zuwendungen gewährt werden (dürfen). Meist handelt es sich dabei ohnehin um Aufwandsentschädigungen, die nicht unter das Entgeltverbot fallen – sofern sie keine (versteckte) Vergütung darstellen. Die Tatsache, dass Ehrenämter mit einer Professionalisierung und entsprechender Entschädigung oder Entlohnung grundsätzlich existieren – wie beispielsweise das Amt eines Bürgermeisters – bedeutet aber noch nicht, dass das Unentgeltlichkeitsgebot des § 37 Abs. 1 BetrVG systemwidrig wäre. Das derzeit geltende Betriebsverfassungsgesetz hat eine Ausgestaltung in der Form nicht vorgesehen. Darüber hinaus ergibt sich ebenfalls kein Widerspruch mit den weiteren, speziellen Entgeltvorschriften in § 37 BetrVG. Die Regelungen sehen in erster Linie einen Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile vor und enthalten keine explizite Obergrenze für Zahlungen an Betriebsräte; dennoch oder gerade deshalb stehen sie mit dem Unentgeltlichkeitsgebot auch im Hinblick auf seine Geltung für professionalisierte Betriebsräte in Einklang. Betrachtet man zuletzt die Vorschrift des § 38 BetrVG, ließe diese aufgrund der Staffelung von Freistellungen sowie der scheinbar unbegrenzten Möglichkeit der Wiederwahl von Betriebsräten den Schluss zu, dass die Bildung von „Berufsbetriebsräten“ gefördert wird.240 Das spricht zwar gegen eine Unentgeltlichkeit des Amtes, kann alleine aber keinen derartigen System-Widerspruch begründen, der eine andere Beurteilung rechtfertigen würde.

Im Ergebnis bleiben verschiedene Deutungsmöglichkeiten offen, jedenfalls lässt sich ein klarer Widerspruch des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes mit Geltung auch für verberuflichte Betriebsräte zu dem Vergütungssystem des Betriebsverfassungsgesetzes nicht feststellen. Daher führt auch eine systematische Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Die Vergütung von Betriebsräten

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