Читать книгу Die Vergütung von Betriebsräten - Martina Schlamp - Страница 56

cc) Wahl einer von mehreren Auslegungsalternativen

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Auf der einen Seite stehen hier die mit der Vorschrift des § 37 Abs. 1 BetrVG verfolgten Zwecke des Gesetzgebers, die im Sinne einer sach- und vor allem interessengerechten Vertretung der Belegschaft nicht hoch genug bewertet werden können. Auf der anderen Seite haben die Ausführungen jedoch gezeigt, dass im Falle „verberuflichter“ bzw. „professionalisierter“ Betriebsräte der Gesetzeszweck des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes – auch im Hinblick auf das korrespondierende Nachteilsverbot – nicht nur gefährdet ist, sondern in besonders ausgeprägten Fällen nicht mehr erreicht werden wird. Auch wenn die teleologische Auslegung eindeutig zu dem Ergebnis führt, dass ein Festhalten an dem Unentgeltlichkeitsgebot für die Fallgruppe von Betriebsräten mit deutlich erhöhten Anforderungen und Belastungen aufgrund zunehmender Professionalisierung der ratio legis zuwiderläuft, sind aber auch die Argumente der strikten Auslegung und Anwendung des Grundsatzes durchaus überzeugend. Bei verbleibenden Zweifeln sind bei einer Gesetzesauslegung daher auch die praktischen Konsequenzen der dargestellten Auslegungsalternativen zu betrachten.280 Von mehreren möglichen Varianten ist dann abzuwägen, welche nicht nur am zweckmäßigsten und gerechtesten ist, sondern sich auch „am besten in den Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung einfügt“.281 Selbst wenn im Hinblick auf eine strenge Auslegung des Grundsatzes eine ständige Rechtsprechung anzunehmen ist und diese aus Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes beizubehalten wäre, kann eine andere Annahme dennoch zulässig sein.282

Würde man an einer strengen Anwendung des Unentgeltlichkeitsgebots festhalten, könnte damit die hohe Bedeutung des Grundsatzes sowie seines Zwecks der Amtsausführung ohne Beeinflussung durch finanzielle Mittel und des Verbleibs der Betriebsräte auf Ebene der Belegschaft gewahrt werden. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass stets die Gefahr des Verlustes von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit besteht, wenn man Zahlungen an Betriebsräte zulassen würde. Das geht aber auch mit großen Schwierigkeiten bei der Bemessung des Entgeltes einher. Denn dadurch besteht – nach weit verbreiteter Auffassung – keinerlei Spielraum bei der Entgeltbemessung.283 Zum Teil wird sogar vertreten, dass es für den Arbeitgeber nur einen einzig zulässigen Weg gäbe, den er bei der Entgeltbemessung genau einhalten muss.284 Bereits jede geringe Abweichung nach oben, d.h. jeder – auch unfreiwillig – zu hoch bemessener Entgeltbestandteil für den Mandatsträger würde damit ein zusätzliches Entgelt darstellen und wäre unzulässig. Das kann in der Praxis zu großen Problemen bei der Anwendung der Vergütungsvorschriften führen, wenn man stets einen Verstoß gegen den Unentgeltlichkeitsgrundsatz zu befürchten hätte. Denn das System der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ist komplex und beruht darüber hinaus nicht selten auf hypothetischen Betrachtungen, die gerade bei „verberuflichten“ Betriebsräten, die schon über sehr lange Zeit im Amt sind, nur sehr schwer durchführbar sind.

Dagegen könnten mit einer nicht mehr uneingeschränkten Geltung des Gebots für „professionalisierte“ Betriebsratsmitglieder die damit verbundenen – auch finanziellen – Nachteile angemessen zum Ausgleich gebracht werden, ohne dass dies automatisch eine grenzenlose Möglichkeit von (Entgelt-)Zahlungen an „verberuflichte“ Betriebsratsmitglieder bedeuten muss. Hier wären vielmehr für konkrete Umstände und Belastungen Ausnahmen von dem Grundsatz zu machen, wenn diese begründet und notwendig sind. Darüber hinaus wäre nicht automatisch jede Abweichung bei der Entgeltbemessung als Verstoß gegen das Unentgeltlichkeitsgebot zu werten, wenn sich die Ermittlung des Entgeltes wegen langer Amtszeiten als schwierig erweist. Daher stellt sich diese Variante als zweckmäßige Lösung dar, die sämtlichen Umständen am besten gerecht werden kann. Der offensichtliche Wandel der Betriebsratsarbeit und auch die Schwierigkeiten der Entgeltbemessung in der Praxis erfordern eine weniger strenge Anwendung des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes. Dieser kann für die neue Fallgruppe nicht mehr uneingeschränkt gelten, so dass in besonders deutlichen Missverhältnissen von Vergütung und Leistungen im Amt285 hierfür dann ein Ausgleich denkbar wäre.

Die Vergütung von Betriebsräten

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