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Streit ums Erbe

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Anfang des Jahres 830 beschließt Ludwig der Fromme eine kriegerische Eroberungs-Expedition in die Bretagne, dem einzigen Zipfel Kontinentaleuropas, der nicht zum Frankenreich gehört – trotz eines heftigen Anfalls von Gicht im kaiserlichen Fuße, wie die fränkischen „Reichsannalen“ dieses Jahres mitteilen. Aber die Feldzugsidee des Kaisers trifft auf wenig Verständnis bei seinen Vasallen. Diese Verstimmung nutzen einige Abtrünnige dazu, Lothar I. und Pippin I., zu einem Aufruhr gegen den Vater anzustiften. Das geschieht dann auch mit dem Ergebnis, dass Judith ins Kloster geschickt und Ludwig der Fromme von seinen Söhnen entmachtet werden. Aber so leicht ist der fromme Ludwig nicht vom Thron zu stürzen. Er gewinnt die Hoheit über das kaiserliche Zepter zurück und hält einige Reichstage ab, auf denen der Aufstand zwar aufgeklärt, aber nicht bestraft wird. Ludwig ist eben ein frommer und offensichtlich auch nachsichtiger Vater. Das nützt ihm in der Folgezeit aber wenig, denn schon drei Jahre später – 833 – empören sich die Herren Söhne ein weiteres Mal.

Eine nicht unerhebliche Rolle bei dieser Auseinandersetzung um die Macht im Reich spielt Papst Gregor IV., der von Lothar I. zum Schiedsrichter im Familienstreit berufen worden ist. Der heilige Vater macht sich auf den Weg, um auf die Einhaltung des fränkischen Thronfolgerechts von 817 zu drängen, nach der sein Auftragsgeber Lothar I. zum Nachfolger seines Vaters bestimmt werden muss. Gregor IV. lässt sich vom lebhaften Protest einiger Bischöfe nicht abhalten und beginnt mit Ludwig dem Frommen zu verhandeln. Während es dem Papst allmählich gelingt, das Vertrauen des Kaisers zu gewinnen, ergreifen die kaiserlichen Söhne auf dem „Lügenfeld“ bei Colmar die Initiative. Es beginnt eine Schlacht zwischen den Heerscharen des Kaisers und denen seiner Kinder, in deren Verlauf aber weniger das Schwert die entscheidende Rolle spielt, sondern vielmehr die angeblich „lügnerischen“ Überredungskünste der Kinder.

So dauert es nicht lange, bis das kaiserliche Heer sich überzeugen lässt und zu den aufständischen Söhnen überläuft. Der Kaiser gerät daraufhin in Gefangenschaft seiner Kinder und die Mission des Papstes endet in einem grandiosen Fehlschlag. Ludwig der Fromme wird obendrein durch ein erzwungenes Sündenbekenntnis öffentlich gedemütigt. Judith tritt unmittelbar nach den Ereignissen den Gang ins italienische Exil an, während Lothar I. die Entsorgung seines Vaters übernimmt. Er steckt ihn dorthin, wo er nach Meinung vieler ohnehin hingehört: Ins Kloster des heiligen Medard bei Soissons in der Nähe von Reims, wo der fromme Ludwig bald darauf trübsinnig wird. Der Familienzwist, den die Enkel Karls des Großen um die Herrschaft im Frankenreich angezettelt haben, nimmt ein Jahr darauf, 834, eine neuerliche Wendung. Die beiden jüngeren Söhne aus der ersten Ehe erheben sich nun gegen ihren Bruder Lothar I. und setzten den gemeinsamen Vater wieder auf den Thron, den der eigentlich schon entmachtete Ludwig der Fromme bis zu seinem Tod Ende Juni 840 auch behält.

Unter dem Einfluss seiner Frau Judith wird Ludwig der Fromme vom Verfechter der Reichseinheit zum Vorkämpfer der Reichsteilung. Judith ist die Urahnin des fränkischen Adelsgeschlechts der Welfen, aus deren heute lebender Generation uns Prinz Ernst-August von Hannover, Ehemann der Prinzessin Caroline von Monaco, eindrücklich bekannt ist. Seine Ahnin Judith jedenfalls muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Reichseinheit ihres Schwiegervaters Karl aufs Spiel gesetzt zu haben, um ihrem gleichnamigen, aber kahlen Sohn ein lohnenswertes Stück vom Kuchen abzuschneiden. In letzter Konsequenz führt das zur Spaltung des Frankenreiches in einen östlichen, einen mittleren und einen westlichen Teil und somit zur Begründung eines „französischen“ und eines „deutschen“ Staatswesens. Ein Jahr nach dem Ableben des Kaisers tobt unter den Karolingern noch immer heftiger Streit um die Macht im Reich. Lothar I. akzeptiert die von seinem Vater verfügte Dreiteilung des Reiches nicht und gibt sich mit dem ihm zugewiesenen Mittelreich „Lotharingen“ nicht zufrieden. Er beansprucht die Oberhoheit über das gesamte Frankenreich und ruft damit den Zorn seiner Brüder hervor.

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