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Kaiserkrönung

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Zur Einlösung dieses Versprechens kommt es im Herbst 800. Leo III. sendet erneut ein Hilfeersuchen an den fränkischen König Karl, der sich - wie versprochen - Ende November 800 nach Italien aufmacht. Der Papst eilt ihm entgegen und begrüßt ihn eine knappe Tagesreise von Rom entfernt mit „höchster Verehrung“, wie überliefert ist. Nach einem guten Essen reist Leo III. wieder zurück in die „ewige“ Stadt, wo er am nächsten Tag seinen Retter mit den Bischöfen und dem gesamten Klerus auf den Stufen der Basilika des Apostel Petrus empfängt. Nach Beendigung der Formalitäten macht sich Karl daran, die Vorwürfe gegen den Papst zu prüfen. Seine Gegner halten dem Papst Meineid und – wie es noch häufiger auch bei anderen Päpsten geschehen wird – sexuelle Ausschweifungen vor. Diese Vorwürfe werden durch einen selbstreinigenden Eidesschwur des Beklagten aus der Welt geschafft und dem großen Ereignis am nächsten Tag steht nichts mehr im Wege.

In den „Reichsannalen“ des fränkischen Herrschers ist festgehalten, was sich an jenem denk-würdigen und für die Geschichte Europas folgenschweren Weihnachtstag des Jahres 800 vor dem Altar der Peterskirche in Rom abgespielt hat:

„Als er (Karl) am hochheiligen Weihnachtstag die Basilika des heiligen Apostels Petrus zur Messefeier betreten hatte und vor dem Altar geneigt stand, setzte ihm Papst Leo unter Beifallsrufen des gesamten römischen Volkes eine Krone aufs Haupt.“

Nachdem Leo III. dem betenden Karl, wie zur Überraschung, von hinten die Krone des römischen Kaisers aufs Haupt gesetzt hat, wirft er sich auf die Knie und huldigt dem neuen Kaiser. Während Karl mit scheinbar erstauntem Gesichtsausdruck Mittelpunkt dieses Spektakels ist, beginnen im gleichen Moment die Geistlichen mit der Krönungslitanei, die anwesenden Bürger Roms mit heftigem Applaus und der Papst mit der rituellen Fußsalbung. Mit dieser Zeremonie ist aus dem König der Franken ein römischer Kaiser geworden, dessen Machtbereich sich über ganz Europa ausbreitet! Dieser wahrhaft historische Moment wird von Karls Hofschreiber Einhart für die Nachwelt festgehalten. Einhart ist eine schillernde Figur, dessen Texte in den nachfolgenden Jahrhunderten mehrfach gefälscht werden. Zu Lebzeiten des Frankenkönigs bastelt der Hofschreiber jedenfalls an einem Image seines Herrn, das aus Karl einen mittelalterlichen Superstar macht. In seiner Biographie über den großen Franken liest sich der Vorgang im Petersdom so:

„Zuerst war er (Karl) sehr dagegen, er versicherte, hätte er die Absicht des Papstes gekannt, so hätte er an diesem Tage die Kirche überhaupt nicht betreten.“

Vorgeblich ist Karl von dem Plan des Papstes überrascht. An dieser Darstellung sind aber Zweifel angebracht, auch wenn Kaiser Karl nicht müde wird über Einhart verbreiten zu lassen, der Papst habe ihn überrumpelt und er sei – quasi gegen seinen Willen – mit diesem hohen Amt betraut worden.

Zutreffender ist wohl, dass Karl sehr wohl mit der Kaiserkrone spekuliert und bei seinen diversen Treffen mit dem Papst darüber gesprochen hat, wie der Coup erst eingefädelt und dann durchgezogen werden könnte. Zudem werden in den Tagen zuvor kunstvolle Lobgesänge eingeübt, die einen erheblichen Lärm verursachen. Es ist kaum vorstellbar, dass nicht irgendein Franke von den musikalischen Bemühungen etwas mitbekommt und seinem König davon berichtet. Nutznießer dieser Aktion sind jedenfalls beide: Der römische Kaiser an seiner Seite, so hofft Leo III., würde seine eigene Position – und die seiner Nachfolger - in Rom stärken. Mit dem Krönungscoup hat der Papst die weltliche und militärische Gewalt an die geistliche Macht zum Schutz des Kirchenstaats gebunden. Und für Karl beginnt am heiligen Abend 800 ein neuer Abschnitt seiner Herrschaft: Als fränkischer König hat er die Basilika betreten, als römischer Kaiser, der nicht mehr „patricius“, sondern „augustus“ genannt wird, verlässt er sie wieder. In dem Moment, in dem der Papst dem König der Franken die Kaiserkrone aufs Haupt setzt, tritt der europäische Kontinent aus dem Schlagschatten des Römischen Reichs heraus. Das vom antiken Rom hinterlassene Machtvakuum ist beendet und es beginnt eine historische Epoche, die eine wechselvolle Geschichte für die Deutschen mit sich bringen wird. Für das neue Jahrhundert scheint sich die Krönung in Rom zunächst einmal segensreich auszuwirken: Geistliche und weltliche Macht sind vereint und für einige Jahre kehrt Ruhe ein – sowohl im Frankenland als auch in Oberitalien. Karl der Große ist mit der Kaiserkrone auf dem Haupt Herrscher über einen Flächenstaat von bis dahin ungekannten Ausmaßen.

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