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Schwindelform: Smart Fortwo

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Ein Concours d’Élégance, der so aussieht, als ob die Welt zwischen Vanderbilt, Krupp und Agnelli stehen geblieben sei. Man sitzt auf der Terrasse eines bergischen Schlosses – Hermann Muthesius’ „Englischem Haus“ nachempfunden – und bewundert die Umgebung. Im Park glänzen mit Bienenwachs massierte Dickhäuter und in feinstem Chrom gebadete Flitzer. Die Sonnenschirme kämpfen gegen die Mittagsbrise, das Kristall nimmt wohlwollend die sinnliche Champagnerflut auf. Als „Best of Show“ begrüßt wird in diesem Wunderland ein graziös nüchterner italienischer Roadster in einer reizlosen Farbe zwischen Elfenbein und Creme, die man auf Taxis hässlich nennen würde. Während der prächtigen Schau erklärt mein Guru den Tod des großen Designs. Stephen Bayley, der die kulturelle Implikation von Design sehr früh erkannte, ist schließlich bereit, den Drang nach dem Hässlichen – nach seinem neuesten Buch „Ugly“ – als notwendige Irrationalität des Menschen zu akzeptieren. Wir gedenken der großen Meister, lassen den Champagner fließen, und weil wir optimistisch sind, freuen wir uns aufs nächste Design. Dessen Dimensionen sind sozialer und komplexer geworden: nicht mehr eindeutig, sondern diffus, nicht länger endgültig, sondern unbeständig, nicht weiter selbstverständlich, sondern erklärungsbedürftig. Schließlich die Feststellung: Es ist mehr denn je notwendig, über Design zu reden. Um den ästhetischen Gehalt des neuen Modells zu präsentieren, nimmt sich Smart gut vier DIN-Normseiten – oder dreimal so viel Platz wie Tumminellis Designkritik. Nicht das Konzept wird erklärt, das gegenüber dem 16 Jahre alten Vorgänger unverändert bleibt und auch nicht die Substanz, die der eines echten Automobils näher kommen soll. Immaterielles und Irrationales dominieren stattdessen den Designtext. Charakter, Wirkung und Schein überrumpeln sich in einer ästhetischen Orgie – der ganze Concours fließt in einem Wagen zusammen. Am Ende der Lesung wird klar, dass nichts im neuen Smart feststeht – im Gegensatz zur alten „Guten Form“ –, sondern alles schwebt, schwingt, pulsiert: kugelförmig „nicht hochglänzend, sondern mattiert“, rhombisch, aber „oben leicht angeschnitten“, in U-Form wie das Tagfahrlicht oder ringförmig wie die elf Heckleuchten. Innen und außen tänzeln Design-Effekte: Cubes, Fading, Loop und Mesh. Als ultimatives Markenzeichen ziert und prägt den smarten Wagen ein Bienenwabenmuster, das je nach Anwendung verblasst oder streut. Last but not least: Das Infotainmentcenter ist im „modernen Consumer-Electronic-Style gestaltet“. Nein, es schwebt nicht. Es „scheint nur zu schweben“. Basta Champagner, mir wird’s schwindelig.

21. Juli, 2014

Design 2 Go

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