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Designwind: Moooi Blow Away Vase

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Möbelmesse: In Köln trifft sich die Crème de la Crème des Designs. Erwartet werden sämtliche Stardesigner – die wirklichen und die vermeintlichen – und ihre Kreationen: die spannendste Leuchte, der witzigste Stuhl, der teuerste Tisch. Buntes und Auffälliges findet den Weg in die allgemeine Presse. Beste Chancen hat traditionell der „A&W-Designer des Jahres“: Die Auszeichnung geht diesmal an FRONT, ein Designerinnen-Team aus Stockholm. Der wichtige Diskurs zur Lage des Designs hat dagegen kaum Chancen auf eine öffentliche Bühne. 2002 thematisierte die erste Deklaration des St. Moritz-Design-Summit die Müdigkeit einer Disziplin, die ein ästhetisiertes Dasein im Schatten der alten Meister führt. Statt sich über die Zerbrechlichkeit der sozialen und wirtschaftlichen Systeme und über die Erreichung neuer Marktdimensionen Gedanken zu machen, zelebriert die Designszene sich selbst als eine heilige, aber kleinkarätige Welt. Die Diskrepanz ist offensichtlich: Während iPhone, Wii und Prius unseren Alltag erobern, stammen die heutigen Design-Bestseller aus der Steinzeit: Castiglionis Arco (die große Bogen-Standleuchte mit Marmorfuß, Jahrgang 1962, 66 Kilo), Saarinens Tulip (der weichgespülte Tisch mit Tulpenfuß, Jahrgang 1956, 86 Kilo) und Eames’ „Lounge Chair and Ottoman“ (der fette, hölzerne Relax-Sessel mit Fußhocker im Partnerlook, ebenfalls Jahrgang 1956, 45 Kilo). Was stört, sind nicht die Formen an sich – allesamt wunderbare Klassiker –, sondern ihre allgegenwärtige, monotone Kombination im spätbürgerlichen Haushalt. Eine vergangene Gesellschaftsform, die besser nicht zurückkommen sollte, wird durch diese Assoziation idealisiert. Dann doch lieber FRONT. Verdächtig nur insofern, als der laute Auftritt der ursprünglich vier und jetzt nur noch drei smarten Partnerinnen nach „Next Spice Girls“ riecht. Ihre Arbeit dokumentiert das Dilemma ihrer Zunft, gefangen zwischen den Alternativen, entweder zu IKEA-Konditionen für das Volk zu arbeiten (die Leuchte SVARVA) oder im Einzelauftrag von Veuve Clicquot Künstler zu spielen (die Unikat-Couch im Champagner-Verpackungs-Look). FRONTs Arbeit thematisiert auf ironische Weise die Instabilität klassischen Wohndesigns und dessen grundsätzliche Irrelevanz. In einer Branche, wo jede ausgestopfte Gans werkeln darf, lässt FRONT echte Tiere arbeiten: Mäuse fressen sich den Weg durch Papierrollen und gestalten so Wandtapeten; Kaninchenhöhlen dienen als Form für Keramik-Leuchten; ein lebensgroßes Pferd aus schwarzem Polyester dient einem Lampenschirm als Fuß. Im eigenen Arbeitsprozess skizzieren die FRONT Girls Möbel in der Luft, wobei ein 3D-Scanner die Bewegung ihrer Finger festhält und die so entstandenen Formen durch Rapid Prototyping in echte Gegenstände transformiert (YouTube: Sketch Furniture). Die Schwedinnen scheinen an die Festigkeit von Design nicht mehr zu glauben. Ihr Melting Table kollabiert mit der Zeit unter dem eigenen Gewicht. Er gibt seinen plastischen Geist auf und wird praktisch unbrauchbar – obgleich nicht weniger ästhetisch. Die Vase Blow Away thematisiert die Vergänglichkeit von Designobjekten: Der digitalisierten Version einer Royal Delft-Vase werden per Rechner instabile Materialeigenschaften zugewiesen. Dann bläst ein virtueller Wind die Vase ab, bis sie fast zerfließt. Genau in dieser Sekunde wird die Form festgehalten und später aus echtem Porzellan gegossen. Hauchdünn, dieses Nicht-Mehr-Objekt zwischen Design, Kunst und dem Nichts. Als Repräsentation der heutigen Lage des Designs jedoch, könnte sie perfekter nicht sein.

18. Januar, 2010

Design 2 Go

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