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Das Wunder von Rio: Die PKW-Maut

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Weltmeister 2014! Dem ist nichts hinzufügen. Egal, ob kurz vor zwölf noch gerettet. Nur das Ergebnis zählt. Und das grandiose Spektakel. Unter einem Corcovado in Schwarz-Rot-Gold jubelte Bundespräsident Gauck wie ein Kind, wie ein Teenie ließ sich Merkel zu Umarmungen, Küssen und später sogar Selfies hinreißen. Politik braucht Fußball. Umgekehrt ist das besser nicht der Fall: Angesichts der gefährlich hohen Unfallquote müsste Merkel vorsorglich eine Zwanziger-Zone auf deutschem Fußballfeld verordnen. Alternativen sind bestenfalls unbefriedigend. Eine Helmpflicht für Spieler ist mit der Notwendigkeit, ihr Gesicht auf Pudding- und Unterhosenwerbung zu verwerten, nicht vereinbar. Trikots mit dem plakativen Warnhinweis [Fußball fügt Ihrem und anderen Schädeln erheblichen Schaden zu] wären der Übersetzung wegen ebenfalls problematisch. Politisch durchsetzbar bliebe nur eine Sicherheitsplakette für die Stirn, rund, in Feuerwehrrot und mit reflektierenden Streifen. Unvorstellbar? Einfach abwarten. Gleich nach dem Spiel verkündete Torwart Manuel Neuer: „Ganz Deutschland ist Weltmeister.“ Und einem Weltmeistervolk kann man einiges zumuten: Einen noch teureren Flughafen, Züge mit noch mehr Verspätung, noch marodere Autobahnen – und dafür eine Vignette. Geht es um Designlösungen, ist die deutsche Bundesregierung ungefähr auf dem Stand des Wunders von Bern geblieben. Kurz nach dem ersten WM-Titel kam das einheitliche DIN-Kennzeichen, mit klugem Standard-Design und amtlichem Siegel zum Aufkleben. Die Idee mit der Plakette erschien einfach und günstig: Um 1962 kam eine runde für den TÜV, um 1985 eine sechseckige für die AU. Kaum wurde letztere abgeschafft, führte das erste Merkel-Kabinett die Feinstaubplakette ein, das vielleicht dümmste Etikett, das die Welt je gesehen hat. Statt dieses endlich abzuschaffen und den Designmüll zu beseitigen, kündigt Minister Dobrindt einen neuen Aufkleber für die Autobahnfahrt an. Im App-Zeitalter eine Lösung aus der Nachkriegszeit, die mit der kompliziertesten Art der Mautverrechnung seit Erfindung des Automobils gekoppelt werden soll. Politisch ist die PKW-Maut eine Mission Impossible: Damit Ausländer nicht diskriminiert werden, müssen auch alle deutschen Fahrer zahlen. Über die Kfz-Steuer bekämen sie dann eine Erstattung, die nach verdeckter Gewinnausschüttung riecht. Hoffentlich riechen die 50 Millionen unnötigen Aufkleber, die jährlich an deutsche Autos angebracht werden müssen, wie Copacabana. Damit man die nächsten 24 Jahre glaubt, die Autobahnvignette sei das Wunder von Rio gewesen.

14. Juli, 2014

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