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Minus-Punkte: Der Punkte-Tacho

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Raser sind das Haar in der Verkehrssuppe, Gegenstand aberwitziger Werbung und Thema endloser Tischgespräche: Fahren Frauen sicherer als Männer? Bis die Frage wissenschaftlich erforscht sein wird, kann man sich nur Klischees bedienen. Raser sind zwangsläufig Kerle, die im Stehen pinkeln – ganz egal, auf welch winzige Größe Autobahnplakate ihr äußeres Geschlechtsorgan reduzieren. Immerhin erfand Verkehrsminister a. D. Peter Ramsauer das Wort „Rowdy“, geschlechtsneutral und politisch klug. Denn Rowdy ist gefühlt jung und international, also meilenweit vom typischen CSU-Wählerprofil entfernt. Ramsauer, der kreativste Bundesminister seit dem Erfinder von Dosenpfand und Plakettensystem, versuchte außerdem, die Straßenverkehrsordnung – trauriges Überbleibsel einer Napoleonischen Disziplinargesellschaft – als spannende Unterhaltung neu zu gestalten. Mit dem Punkte-Tacho! Wie Frederic Meisner vor dem Glücksrad, posierte der bayerische Politiker 2012 vor einem riesengroßen bunt gemalten Schaubild des neuen Bußgeldkatalogs, der „größten Reform in der Geschichte der Flensburger Punktekartei“. Mit Daumen nach unten schob er den Zeiger gegen 8 und meinte dabei: Schluss mit lustig. Um die Vorteile politischer Kontinuität zu betonen, gibt Nachfolger Alex Dornbrindt Ramsauers Reform den endgültigen Kraftschub. Hochpolitisch spricht er von „Modernisierung“, nennt das neue System „einfacher, klarer, verständlicher“ und hofft somit auf erhöhte Akzeptanz. Dabei hat sich im Wesentlichen nichts verändert, man muss lediglich bis 8 statt bis 18 zählen können, bis der Lappen weg ist. Als ob das nicht einfach genug und erst recht nicht genug der Bestätigung wäre, dass der Bürger immer mehr als Kind behandelt wird, wird die Neuregelung auch noch durch Ramsauers buntes Spielzeug-Tacho veranschaulicht. Man mag sich zwar freuen, dass die Politik ihre trockene Sprache durch Kommunikationsdesign bereichert, aber – obwohl es völlig der deutschen Realität entspricht – ein Glücksrad als Verkehrsregelung kann höchstens von Briten als Humor verstanden werden. Wenigstens bestätigte Ramsauer eine 10% höhere Wahrscheinlichkeit des Führerscheinentzugs und gab sich in der Beurteilung der mutmaßlichen Rowdies kulanter – immerhin sind zehn Millionen Wähler betroffen. Mit seinem Tacho bewegten sich „Straftäter“ mit 1 bis 3 Punkten noch im grünen Bereich. In der Groko-Variante Dobrindts ist man nur bei 0 grün. Ein Punkt reicht, um als graue Maus abgestempelt zu werden. Spielt man weiter, werden bei 3 die Sünder FDP-Gelb, bei 6 SPD-Rot und bei 8 Union-Schwarz. Oder, um es mit britischem Humor zu sagen: Nur Grüne verzichten aufs Autofahren und kommen ungestraft davon.

05. Mai, 2014

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