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Deutschlands Rücklicht: Porsche Cayenne

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Diese Woche: Designtheorie. Michael Erlhoff hält die offiziell letzte Vorlesung an seiner „School of Design“. Mit dem „Kölner Modell“, das die Aufhebung sämtlicher Grenzen innerhalb einer traditionell handwerklich-künstlerisch veranlagten Disziplin verschrieb, revolutionierte Erlhoff nicht nur die Designausbildung. Er antizipierte auch die Transformation der Gesellschaft im Zuge der Aufhebung sämtlicher politischer, wirtschaftlicher und kultureller Grenzen. Fünf Jahre vor Jeremy Rifkins „The Age of Access“ identifizierte der Deutsche in „Nutzen statt Besitzen“ eine neue Dimension des Konsums. Der „undisziplinierte“ Raucher erkannte sodann die Notwendigkeit von „Service Design“ und richtete dazu 1991 die weltweit erste Professur ein – in der Dienstleistungswüste Deutschland. Mit einem weiteren Fokus auf „Gender Studies“ dachte er ebenfalls eine Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Frauenrasierer Gillette Venus voraus. Obwohl für ihn „alles Design ist“, interessiert sich Erlhoff, der selber kein Designer ist, für alles außer für die „Form“. Als Chef des Rats für Formgebung setzte er für den Preis „Die Gute Form“ einen würdigeren Namen durch: „Designpreis der Bundesrepublik Deutschland“. Man könnte meinen, Erlhoff habe somit die gute Form, dieses Fundament des westdeutschen Designs, getötet. Oder man könnte meinen, Erlhoff habe einmal wieder eine unaufhaltsame Transformation antizipiert: weg vom aristokratischen Konzept des Schiedsrichters über feinen Geschmack, hin zur hyperdemokratischen Ich-Gesellschaft des „Gefällt mir“. Design wurde frei: Wenn jeder Mensch Anspruch auf eine Form nach eigenem Geschmack erheben darf, so darf jeder Gestalter beliebig viele Formen kreieren, deren Güte nicht mehr wissenschaftlich erforscht und inhaltlich begründet, sondern lediglich numerisch ermittelt wird – nach Facebooks Daumen-Hoch-Prinzip. Wie viele Formen wie vielen Menschen gefallen, bedeutet aber nicht viel. Es hat in 110 Jahren 550 Nobelpreise und in 84 Jahren 2.800 Academy Awards gegeben. Dagegen allein in den letzten 6 Jahren 4.092 deutsche Red-Dot-Preise für Produktdesign. Als Anagramm kann man Red Dot auch als „Der Tod“ lesen, schmunzelt Erlhoff. Form um der Form willen heißt des Designs neues Prinzip. Beispiel: das Rücklicht des Porsche Cayenne. Hübsch, hässlich, gut? So lange das Gebot der guten Form galt, galten auch Richtlinien zur Formgebung einer Rückleuchte. Deswegen kamen früher alle guten deutschen Automobilmeister auf dieselbe sinnvolle Gestaltung, nach Farben und Formen gegliedert, der Blinker stets am äußeren Ende angebracht. Definitiv gut, vielleicht aber langweilig. Nicht so die neue Form: Als geschmacksintensives Frappé aus Bohne, Biene und Banane wurde sie gestaltet, damit sie dem Automobil gut steht. Trotzdem ist das leuchtende Kunstwerk misslungen: Mit einem willkürlichen Schnitt musste es nachträglich geteilt werden – damit die Heckklappe überhaupt aufgeht. Ein Teil des Blinkers blieb dummerweise auf der falschen Seite, verstümmelt und verwaist. Ansonsten keine Chance zu erkennen, wo welche Signalfunktion sich verbirgt. Offensichtlich stört die mangelnde Designqualität niemanden – man bewundert das Feuerwerk. Noch eine Voraussage Erlhoffs hat sich zum Glück bestätigt: Die gute Form ist tot, doch Design lebt weiter – nur woanders, vielschichtiger und abstrakter denn je.

03. Juli, 2012

Design 2 Go

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