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Unscharfe Kante: Motorola Razr2

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Eine weitere häufige Frage lautet, ob man durch Spitzendesign einen Welterfolg garantieren kann. Nicht unbedingt. Was hingegen sicher ist: Man kann mit „Me too“-Design einen schweren Flop vermeiden. Dies nennt man dann konservative Strategie, beziehungsweise fehlenden Mut. Mutiges Design kann zum Erfolg verhelfen, muss aber nicht. Entscheidend dabei ist die Einschätzung der Marktdynamik. Heute pflegt das Marketing jegliche Unsicherheit vorwegzunehmen. Produkte müssen sofort gefallen, eine lange Gewöhnungszeit gilt schon fast als Flop. Mutige Unternehmer wissen aber auch, dass es sich lohnt, geduldig zu sein. Selbst der iPod war bis 2002 ein Ladenhüter, zu simpel und dabei viel zu teuer, nicht mal Apple-Fans waren ganz überzeugt. Steve Jobs blieb trotzdem stur, pflegte das unveränderte Produkt weiter und ließ es zu der nunmehr allseits bekannten Welterfolgsgeschichte werden. Dagegen verbraucht sich manch eine Liebe schon kurz nach dem ersten Blick, innerhalb einer einzigen Nacht. Über Nacht verdoppelte der erste Razr Motorolas Marktanteile – in Deutschland ging es gar von fünf auf zwanzig Prozent, über fünfzig Millionen Stück wurden weltweit abgesetzt. Hut ab für die Motorola-Designer. Plötzlich wollte jeder das ultraflache, ultrascharfe Klappgerät mit Metalllook besitzen. Es passte perfekt und nicht nur zufällig in die gleichzeitig modisch gewordene ultraenge Jeanshose. Solch eine rasche kollektive Besessenheit besitzt schon die Dynamik einer viralen Infektion. So, wie man die Dimension des Aufstiegs nicht vorhersehen kann, so kann man leider auch den Untergang nicht kontrollieren. Zwar sind zwei Jahre Lebenszeit für die Mobilbranche fast schon phänomenal, aber binnen eines Quartals ist Motorola der Markt weggebrochen. Früher fest bei zuverlässigen Business-Kunden angesiedelt, ist die Moto-Marke dank Razr mit jüngeren, modebewussten Leuten in Berührung gekommen. Eine fantastische, geradezu handy-gierige Gruppe, die genauso sexy und cool ist, wie markenlaunisch und stilistisch unberechenbar. In diesem Milieu sind die Liebschaften beides: attraktiv und riskant. Kann man die verlorenen Liebhaber zurückerobern? Sicherlich nicht mit einem Remake, egal wie gut es ist. Die verbesserte Neuauflage eines Produkts kann sicherlich einige treue Fans zum Upgrade motivieren und eventuell noch ein paar „late adopters“ gewinnen. Aber damit Besessenheit und Hysterie – die Grundelemente eines Megaerfolgs – hervorzurufen, wird schwierig. Der Nachfolger Motorazr V8 ist ein schickes Handy mit einem wirklich coolen Namen. Nochmals Hut ab für die Motorola-Designer. Das Gerät ist flacher und leistungsfähiger geworden als das Vorgängermodell. Es glänzt möglicherweise zu viel und ist formell nicht scharf genug, eben etwas weiblicher geworden. Bis ins Detail ein reifes Produkt, dem man eine gute Zukunft wünschen kann. Es ist aber auch mittlerweile „mainstream“ und wird die rasante Erfolgsgeschichte des Razr nicht toppen können. Dabei wäre das eigentlich einfach: Man braucht nur den Mut, wieder viel zu riskieren und etwas völlig Neues zu machen – ob fürs Leben oder nur für eine Nacht.

23. Juli, 2007

Design 2 Go

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