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Brilliant des Osten: Brilliance BS4
ОглавлениеAchtung! Der Brilliance BS4 sieht angeblich wie ein BMW aus. Eine oberflächliche Meinung: Der Chinese ähnelt eher einem Skoda Octavia. Und wenn man genauer hinschaut, fragt man sich: Hat die Modellierung der Seite nicht einen Hauch von italienischem Styling? Zum Beispiel vom Lancia Kappa, dem glücklosen Möchtegern der 90er Jahre? Europäischer könnte der Junjie, hierzulande als BS4 vermarktet, kaum aussehen. Überraschend ist das nicht, denn schließlich wurde Pininfarina mit dem Design für die neue Mittelklasse-Limousine, die bald nach Deutschland kommt, beauftragt. Eine sinnvolle und auch naheliegende Idee. Niemand erwartet wirklich, dass in China eine einzigartige Designsprache entsteht, die in Europa Akzeptanz findet. Nicht umsonst gilt der gesättigte, komplizierte und raffinierte europäische Markt als Reifeprüfung für jede Marke. Dass Europa eine Referenz ist, beweist die – wohl zum Teil verbrecherische – Vorgehensweise der Chinesen in Sachen Automobildesign. Wie einst die Japaner und später die Koreaner, nehmen die Newcomer uns gerne als Inspirationsquelle. Der Konzept-Wagen im Rolls-Royce-Phantom-Stil von First Automotive Works und das Londoner Taxi von Geely mögen noch lustig sein, besorgniserregend dagegen ist das Imitat des Fiat Panda Cross von Great Wall, während das detailgenaue Smart-Plagiat von CMEC geradezu skandalös erscheint. Dagegen verdient der BS4 volle Achtung. Zumindest haben die Entwickler bei Brilliance kein Plagiat, sondern einfach ein Auto im führenden Stil des Westens auf den Markt gebracht. Keine Primadonna, aber auch kein Designverbrechen. Gutes Mittelmaß, das selbst hierzulande gesellschaftsfähig ist. Der optische Eindruck könnte den Ottonormalfahrer sehr wohl überzeugen: Wer den Skoda-artigen Look nicht verführerisch findet, der könnte zumindest das Armaturenbrett im Mercedes-Wellendesign mögen – Holzimitat regiert. In Punkto Qualität reduziert sich die Nähe zu BMW, die mit Brilliance ein Joint Venture betreiben, auf eine gemeinsame Lackieranlage im Werk Shenyang. Werden die geltenden Sicherheits- und Umweltkriterien dennoch erfüllt, so kann man gegen den BS4 wirklich nichts sagen: Gut gemacht. Für unter 20.000 Euro sogar sehr gut gemacht. Aber Güte reicht nicht aus, um den Chino zur Gefahr für andere Wettbewerber zu machen. Mit ästhetischen Vorteilen allein, auch nicht in Verbindung mit verlockenden Preisangeboten, kann kein Hersteller den kapriziösen und verwöhnten europäischen Automobilkäufer überzeugen: Vor und nach einem guten Produkt kommt guter Service. Verkaufen war gestern. Nur im komplexen Beziehungskontext sind zukünftige Mobilitätsangebote denkbar, bei denen der Wagen selbst ein immer kleineres und die immateriellen Nebenleistungen ein immer größer werdendes Teil der Wertschöpfungskette repräsentieren. Brilliance ist noch Jahre davon entfernt und wirklich noch keine Gefahr. Er ist aber auch eine willkommene Mahnung für die westliche Industrie: Es lohnt sich, eher in wertvolle Konzepte und Inhalte, als in hübsche Formen zu investieren.
15. Mai, 2007