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Mysterium des Glaubens: Apple iPhone

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Ein neues Produkt allein auf der Basis von Fotos und Hörensagen zu beurteilen, ist riskant, doch im Fall des iPhones darf man es ruhig wagen. Obwohl sich die Kritik weniger dem Produkt selbst, als vielmehr dem Mythos zuwenden muss: Bei Apple haben immaterielle Werte mittlerweile Vorrang. Und wenn auch niemand das iPhone bisher gesehen hat, so sprechen inzwischen doch alle darüber. Mehr kann sich eine Marke wirklich nicht wünschen. Ob das iPhone dem Mythos gerecht werden kann, ist eine Frage, die sich bereits jetzt beantworten lässt. Mit Ja. Dieses Neugeborene ist von einem einfachen iPod-Phone weit entfernt. Es bildet vielmehr den Grundstein einer neuen Produktreligion. Schon formal zeigt sich eine deutliche Veränderung: weg vom natürlichen iWeiß, weg von der elementaren Geometrie der iForm und hin zu glänzendem, fettem Chrom am Rahmen, während getöntes Glas die eingefasste Oberfläche schmückt. Vor uns steht ein Upscale-Produkt, mit anderen Worten: Eine moderne Interpretation der Populuxe-Ästhetik, die in einem Zyklus von 30 Jahren immer wieder auftaucht. Sowohl in den 50er als auch in den 80er Jahren lag sie voll im Trend. Was Mobiltelefone betrifft, so hat man die beim iPhone neue ästhetische Kodierung auf Schwarz-Chrom bereits bei Samsung, Motorola und Nokia gesehen. Was man jedoch noch nicht anderswo gesehen hat, ist das, was sich dem rein äußerlich fixierten Blick entzieht. Das wahre Mysterium des Apfel-Glaubens liegt im OS X Betriebssystem, das hier ausschließlich durch einen vielversprechenden Touchscreen bedient werden soll. Das Produkt lebt sozusagen von den sich stetig verändernden Icons, sowie von den Vorder- und Hintergründen, durch die es eine eigene Qualität und individuelle Note erhält. Überhaupt verleihen ihm Sensoren eine eigenständiges Leben: Dreht man das Gerät in die Waagerechte, so erkennt dies die Software und wechselt automatisch in den Landscape-Modus der Bilddarstellung. Hebt man es Richtung Ohr, so schaltet sich der Bildschirm automatisch aus, um unnötige Wärmestrahlung und Energieverbrauch zu vermeiden. Apropos Energieverbrauch: Das Handelsblatt wird alsbald testen, ob, wie befürchtet, die Stromversorgung die Achillesferse des iPhones darstellt. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, werden sich die Apfelfans nicht davon abhalten lassen, das Gerät zu kaufen, seine empfindliche Haut mit einer Kondom-Hülle zu schützen und es vor allen sonstigen Gefahren dieser Welt zu bewahren. Wie Mütter und Väter werden sie sich weiterhin über das schlechte Benehmen und die Kinderkrankheiten ihres Babys sorgen. iPod- und iPhone-Käufer sind keine normalen Konsumenten. Sie behandeln ihre Geräte wie einen Fetisch, der es ihnen ermöglicht, Zuneigungen und Zuwendungen auszuleben, für die sie heute kaum noch einen Empfänger finden. Im Unterbewusstsein ihrer Besitzer aktivieren die iDinge Beziehungsbedürfnisse, deren Befriedigung gleichzeitig als wohltuende Selbsttherapie gilt. Zum Leidwesen der Konkurrenz, die von den Apple-Nutzern fahrlässig geschmäht wird. Dass letztere zum iPhone greifen werden, ist ohnehin klar. Da ist kein Preis zu hoch, keine Schwäche zu groß. Steve Jobs weiß dass allzu gut.

23. März, 2007

Design 2 Go

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