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Bonjour Tristesse: Die Feinstaubplakette

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Die Zukunft kann man nicht verkaufen, deswegen ist sie fürs Marketing entweder schlecht oder gar eine nicht-existente Kategorie. Doch die Erfahrung lehrt, dass es immer eine Zukunft gibt und dass sie stets anders ist, als man denkt. Malte Jürgens, Chefredakteur der Motor Klassik und profunder Kenner der Automobilgeschichte, zitiert eine Studie aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, die den Untergang Londons vorhersagte: Aufgrund des rasant wachsenden Kutschenverkehrs werde die Metropole an der Themse binnen weniger Jahrzehnte unter einem Berg von Exkrementen versinken. Was die Forscher damals nicht vorhersehen konnten, war die Erfindung des Automobils und damit das Verschwinden des Pferdes aus dem Straßenbild. Heute geht es dem Automobil genauso. Politiker sagen den klimabedingten Untergang der großen Metropolen vorher – aufgrund des steigenden Automobilverkehrs. Keiner wird ernsthaft die These bestreiten wollen, dass die städtische Umwelt ohne stinkende Automobile eine bessere wäre. Das Problem besteht zwar noch, ist aber insofern ein gestriges, als die Zukunft emissionsfreie Autos bringen wird. Zukunft heißt hier nicht das nächste Jahrhundert, sondern möglicherweise 2010. Bis dahin könnten zukunftsoffene Politiker in die Planung von Förderungsmaßnahmen zur Beschleunigung dieses Wandlungsprozesses und in die Realisierung smarter Verkehrssysteme investieren. Stattdessen jedoch wurde in Berlin die wahrscheinlich unnötigste Maßnahme überhaupt verabschiedet: die Einführung einer „Umweltplakette“. Wenn das Ziel des Projektes tatsächlich die Reduzierung der CO2- und Feinstaub-Werte innerhalb der Zentren war, dann wird sich die Sinnlosigkeit dieser Maßnahme rasch bescheinigen lassen. Nicht nur die Betrachtung bestimmter Stadtzentren als geschlossene Klima-Räume erscheint schlichtweg abstrus – die Luft zirkuliert ja frei! –, sondern auch die Behauptung, der deutsche Fuhrpark sei veraltet und schmutzig und die Plakette würde dazu beitragen, dass bessere Autos gekauft werden, hängt verdächtig dünn in der Luft. Die Plakette wird höchstens Verkehrsströme umleiten, was wenig an der gesamten Ökobilanz ändert. Oder sie sogar noch verschlimmert, denn, um die Sperrzonen zu umgehen, werden die Umweltsünder länger unterwegs sein und somit die Stadtluft noch mehr verschmutzen. Aber gibt es diese Umweltsünder denn wirklich? Angesichts aller geltenden Ausnahmegenehmigungen, darunter richtigerweise jene für Oldtimerfahrzeuge, riskiert das Verbot, auf niemanden wirklich zuzutreffen. Um irgendwann vielleicht ein seltenes schwarzes Schaf zu erwischen, werden Millionen Fahrer gezwungen, Geld und Zeit zu verschwenden für die Beschaffung eines ampelfarbigen Aufklebers: Rot für die Hölle, Gelb für das Purgatorium, Grün für das Paradies. Um alle Bürger zu informieren, werden, ökologisch betrachtet inkorrekt, tausende von Verkehrsschildern angebracht. Allein der permanente Eingriff in das Stadtbild muss als Verletzung des Gemeinschaftssinnes gelten. Dass die klebrige runde Plakette sich als miserable Lösung mit trostloser Gestaltung erweist, ist mehr als eine Schande. Einmal mehr verweist die Qualität des Designs auf die Qualität des Konzepts: Hätte man damals in London auf die gleiche Logik gesetzt, dann hätte man den städtischen Pferden grüne Windeln verordnet.

21. Dezember, 2007

Design 2 Go

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