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Gryphius und Lohenstein im Vergleich; Nachfolger
ОглавлениеEs gehörte zur ‚prudentia‘ des politischen Anwalts und Autors Lohenstein, seine Empfehlungen zu verschlüsseln. Dem entspricht, dass er (im Gegensatz zu Gryphius) in seinen Dramen auf den exemplarischen Helden oder den unbedingten Bekennermut, also ‚constantia‘ beweisenden Märtyrer verzichtet und stattdessen „herausragende Krisenpunkte des politischen Handelns – also Intrigen und Palastrevolutionen, Depravation der Herrschaft zur Tyrannis, … die korrumpierende Rolle blind-entfesselter Leidenschaften“92 zeigt, den Ehrgeiz und das Scheitern der Machtträger, ihre Verstrickung in Verleumdung, Verrat und Mord, dass er in Gewissensqual, in Folter und Tod endende Konsequenzen ausbreitet, um so – ‚ex negativo‘ – Konturen des idealen Herrschers und die Verhaltensweisen politischer Vernunft aufscheinen zu lassen. Nicht die Bewunderung der fest ihrem Gewissen folgenden Märtyrer legen Lohensteins Trauerspiele nahe, sondern – angesichts der abschreckenden Beispiele, die den Extremismus der Affekte vorführen – Überlegungen, inwiefern sich Vernunft, Tugend und politische Machtausübung in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander bringen lassen.
Mit dem Anspruch des strengen Lutheraners Gryphius, der bei aller Anerkennung des Absolutismus als Ordnungsmacht den Fürsten mit der von den Protagonisten seiner Trauerspiele vertretenen unbedingten Geltung des göttlichen Rechts in seine Grenzen wies, oder eines Lohenstein, der die Notwendigkeit der Vermittlung des fürstlichen Herrscherauftrags mit dem Gebot vernünftigen Handelns in den Blick rückte, sind die Dramen ihrer Nachfolger, der Schlesier Johann Christian Hallmann und August Adolf von Haugwitz, nicht zu vergleichen und können deshalb hier übergangen werden. Beide haben sich an den Erfolgsrezepten der attraktiven Wanderbühnen und der Oper orientiert und das protestantische Schultheater durch die Verstärkung des Singspielhaften, durch Chöre, Zwischenmusiken und Balletteinlagen unterhaltsamer werden lassen, ohne doch die gedankliche Tiefe ihrer beiden großen Vorgänger zu erreichen. Bei Hallmann, der einerseits den Weg der öffentlichen Huldigung des Fürsten aus opportunistischen Gründen konsequent verfolgte, werden andererseits immerhin die Intrigen und Rankünen der Höflinge so deutlich thematisiert (etwa in seinem Trauerspiel Die Göttliche Rache/Oder Der Verführte Theodoricus Veronensis, …), dass er seine Rolle in der Tradition der literarischen Hofkritik spielt, die im 18. Jahrhundert (man denke an Lessings Emilia Galotti oder an Schillers Kabale und Liebe) ihren eigentlichen Höhepunkt erreicht (vgl. II).