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Opitz und Weckherlin

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Für dichtungstechnische Aspekte der deutschen Lyrik war das 1624 erschienene Buch von der deutschen Poeterey von Martin Opitz besonders folgenreich. Opitz, bürgerlicher Herkunft, humanistisch ausgebildet, nacheinander in Diensten verschiedener Fürsten stehend, war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf Grund seiner Umtriebigkeit und seines Organisationstalents zum Wortführer der Bewegung avanciert, die sich um die Literaturfähigkeit der deutschen Sprache bemühte und eine deutschsprachige Dichtung auf der Grundlage humanistischer Gelehrsamkeit forderte. Dabei wirkte er insofern beispielhaft, als er durch Übersetzungen bedeutender fremdsprachiger Texte Vorbilder bereitstellte, die belegen sollten, dass das Deutsche den antiken Sprachen, aber etwa auch dem Französischen und Englischen, als Literatursprache ebenbürtig war. Das Buch von der deutschen Poeterey, das seinen Nachruhm eigentlich begründete, ist die erste deutschsprachige Poetik. Sie behandelt in ihren größten Teilen nichts, was nicht auch schon in den Renaissancepoetiken Scaligers oder Ronsards erörtert worden war. Ganz im Rahmen der Konvention fordert Opitz beispielsweise, sich einer von Mundartlichem freien Sprache zu bedienen; sorgfältig auf klaren Satzbau und richtige Grammatik zu achten; sich um die Reinheit der Reime zu bemühen u.a.m. Ein kleiner Abschnitt aber („Von den reimen/jhren Wörtern vnd arten der getichte“) sollte die gesamte deutsche Lyrik entscheidend verändern. In ihm bricht Opitz mit der die antike Metrik bestimmenden Unterscheidung zwischen langen und kurzen Silben und ersetzt sie durch die Unterscheidung zwischen betonten und unbetonten Silben („… das wir aus den accenten vnnd dem thone erkennen/welche sylbe hoch vnnd welche niedrig gesetzt soll werden.“). Diese Veränderung der metrischen ‚Vorschrift‘, die nun verlangte, dass der natürliche Wortakzent mit dem metrischen Akzent zusammenfällt, wirkte wie eine Befreiung in der deutschen Lyrik und hat sich auf Dauer durchgesetzt. Der im gleichen Abschnitt der Poeterey unternommene Versuch, die deutschen Dichter auf das alternierende Versmaß (also auf Jamben oder Trochäen) zu verpflichten, war dagegen langfristig nicht erfolgreich. Schon 1640 trat Philipp von Zesen auf Anregung des Rhetorik-Professors August Buchner in seiner bald mehrfach neu aufgelegten Poetik Deutscher Helicon für die Verwendung auch des Daktylus im Deutschen ein und eröffnete damit der Lyrik neue Möglichkeiten der rhythmischen Gestaltung.

Opitz stand mit seiner Ermutigung, die deutsche Sprache künstlerisch zu nutzen, keineswegs allein. Schon vor dem Erscheinen seiner Poetik hatte Georg Rudolf Weckherlin Oden und Gesänge (1618/19) veröffentlicht, die, wenn auch noch an die alte Metrik gebunden, Formen der romanischen Lyrik nachbildeten und zeigen wollten, dass deren Anspruch auch durch das Deutsche zu erfüllen war. Weckherlins Eintreten für die deutsche Sprache verband sich mit einem ausgeprägten Kulturpatriotismus, der vom württembergischen Hof, für den er (als dortiger Sekretär) zahlreiche Huldigungsgedichte schrieb, offenbar nachdrücklich unterstützt wurde. Als er später nach England ging, geriet er ins Abseits und galt unter seinen dichtenden Zeitgenossen trotz seiner neuen Sammlung Gaistlicher und Weltlicher Gedichte (1641), mit der er sich als kämpferisch für den Protestantismus eintretender ‚politischer Lyriker‘ zeigte, als überholt. Dennoch war gerade er neben Opitz der Wegbereiter der neuen deutschsprachigen Kunstlyrik.

Anders als der politisch orientierte Weckherlin tat Opitz sich als Lyriker im Wesentlichen dadurch hervor, dass er, indem er mit großer Intellektualität zumeist lateinische, italienische, französische, niederländische Vorlagen übersetzte oder freie Nachdichtungen von ihnen schuf, Musterbeispiele unterschiedlicher Gedichtformen zusammenstellte (Acht Bücher/Teutscher Poematum …, 1625), die viele seiner verseschmiedenden Schüler und Zeitgenossen peinlich genau nachzuahmen strebten. Der Beginn der neuen deutschsprachigen Kunstlyrik – dessen wird man sich gerade an den Texten von Opitz und den Dichtern und Rhetorikern aus seinem geistigen Umkreis (Julius Wilhelm Zincgref, August Buchner, Johannes Rist u.a.) bewusst – war Gelehrtendichtung, weit entfernt von der Naivität der ‚Volkspoesie‘ (vgl. P.N., 2012 a, IV). Die Gedichte der Opitzianer sind Derivate der europäischen Renaissancedichtung. Dies gilt auch für die Trost Gedichte Jn Widerwertigkeit Dess Krieges (entstanden 1621, gedruckt 1633), in denen Opitz am selbstständigsten wirkt.111

Mit der Anlehnung an die Renaissancedichtung wurden auch inhaltlich die Richtungen vorgegeben. Die behandelten Themen waren entweder geistlicher und erbaulicher und, wenn sie beispielsweise ein stoisches Heldenleben oder die Sehnsucht nach zeitlichem und ewigem Frieden formulierten, meditativer Art, oder aber sie standen in der Tradition des Petrarkismus (vgl. u.) und bezogen sich auf die Liebe, deren Erscheinungsformen gedankenvoll und/oder spielerisch umkreist wurden. Abgesehen von den vielen Huldigungsgedichten und den satirischen und gnomischen Epigrammen, von denen die Rede war, wurde die Lyrik der folgenden Jahrzehnte von diesen beiden großen Themenkreisen bestimmt, wobei die einzelnen Dichter sich oft ihnen beiden zuwandten, sie auch zu integrieren suchten, zumeist aber doch deutliche Schwerpunkte setzten.

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