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Die simplicianischen Schriften und Romane
ОглавлениеNach dem Simplicissimus veröffentlichte Grimmelshausen weitere ‚simplicianische Schriften‘, zu denen als wichtigste die Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche (1670), Der seltzame Springinsfeld (1670) und Das wunderbarliche Vogelnest (in zwei Teilen 1672 und 1675) gehören. Für die Einschätzung Grimmelshausens und seiner Stellung zur höfischen Kultur wichtiger sind seine heute fast unbekannten (hier mit abgekürzten Titeln genannten) Romane Des Vortreffich Keuschen Josephs in Egypten Lebensbeschreibung (zuerst unter einem Pseudonym 1666), der erste Josephsroman in der neueren deutschen Literaturgeschichte, Dietwald und Amelinde (1670) und Proximus und Lympida (1672). Sie stehen in der Nähe des höfisch-historischen Romans und sind zugleich stark vom religiösen Schrifttum beeinflusst, weswegen man sie auch als ‚erbauliche Romane‘ oder ‚Idealromane‘ bezeichnet hat. Sie alle schildern Beispiele vorbildlicher Lebensführung, christlich eingestellte Helden, wobei die Demut als besonders erstrebenswerte Tugend gilt, die oft erst mühsam, gegen die Versuchung der Hoffart, errungen werden muss. Da die Protagonisten Herrscher sind oder Staatsmänner wie Joseph, lassen sich diese erbaulichen Romane auch als Fürstenspiegel lesen, in denen Grimmelshausen höfisch-aristokratische und christliche Ideale konfrontiert. Auch er stellte sich wie seine Zeitgenossen Gryphius und Lohenstein die Frage nach der Legitimation politischen Handelns, der er zugleich einen eigenen Traktat (Simplicianischer Zweyköpffiger Ratio Status, 1670) widmete. Wie Gryphius lehnt er hierin die von Lipsius, Bodin u.a. vertretene Lehre von der ‚prudentia mixta‘, die in bestimmten politischen Situationen eine moralische Elastizität für angemessen hält, entschieden ab, weil er die Gefahr sieht, dass christliche Wertvorstellungen und Verhaltensnormen auf diese Weise in die private Sphäre abgedrängt werden könnten, anstatt auch den öffentlichen Bereich zu bestimmen. Das Problem der Trennung von Politik und Moral wird auch schon im Simplicissimus durch die Figur des Olivier beleuchtet. Olivier verteidigt (in IV,15) sein verbrecherisches Leben, das Simplicius ihm vorwirft, mit Argumenten, die sich auf die Räubereien der Fürsten und in diesem Zusammenhang auf Machiavelli berufen. Er belegt damit gleichsam die Notwendigkeit, dass gerade auch die Politik von christlichen Grundsätzen gelenkt sein muss, dass Moral, soll nicht das friedliche Zusammenleben der Menschen vollkommen (d.h. im öffentlichen wie im privaten Bereich) zusammenbrechen, unteilbar ist.