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Die ‚Galanten‘; Günther

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Überhaupt dominierte unter den ‚Galanten‘ das heitere, oft scherzhafte, auf die Erfüllung der Liebe anspielende Liebesgedicht, das auf die spätere Rokokolyrik vorausweist. Die eigentliche Funktion dieser galanten Lyrik, die Unterhaltung der Gesellschaft durch das spielerische, vielfach provokativ wirkende Durchbrechen der in ihr geltenden und eingehaltenen Regeln des Rollenverhaltens der Geschlechter, hatte zur Folge, dass auch die religiösen Komponenten der petrarkistischen Tradition sowie die Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens, die bei Hoffmannswaldau immer wieder anklang, mehr und mehr verdrängt wurden bzw. allmählich verblassten. An die Stelle der obligatorisch unerfüllten Liebe im Petrarkismus trat in der galanten Lyrik die prinzipiell erfüllbare. Nicht aufgegeben aber wurde das Gegenüber von klagendem oder werbendem Liebhaber und stummer Geliebter, die als „reaktionsloses Anredeobjekt“132 verharrt.

Als einer der bedeutenden, gleichwohl schwer einzuschätzenden Lyriker des Barock ist schließlich Johann Christian Günther hervorzuheben, dessen Werk nicht nur zahllose Gelegenheitsgedichte zu verschiedensten Anlässen, sondern auch viele Liebesgedichte enthält. Günther ist oft der Durchbruch zur Erlebnislyrik der Goethezeit zugeschrieben worden, doch beruht dieses Urteil, zumindest wo es undifferenziert abgegeben wurde, auf dem Missverständnis derer, die seine Gedichte vorschnell auf sein von existenziellen Krisen geschütteltes Leben bezogen haben, beispielsweise sein Liebesleid ganz unmittelbar in seinen Texten sich niederschlagen sahen und ihn so zum Frühsubjektivisten stilisierten. Aber auch Günther stand fest in der humanistisch geprägten Gelehrtendichtung und verstand sich selbst als Opitzianer. Seine Ablehnung des hochbarocken Bildstils, dessen Hoffmannswaldau und Lohenstein sich bedienten, rückte ihn zudem in die Nähe der ‚Galanten‘. Viele seiner Gedichte (man vgl. seine 1718 entstandenen sog. Rosetten-Lieder, z. B. An Rosen such ich mein VergnügenMit dieser Rose will ich scherzen …), in denen die Sprödigkeit der Frau, ihre Scham und zugleich ihr Wunsch, verführt zu werden, ihre Verstellung, ihre erotische Inkonstanz angesprochen werden, berühren sich mit der erotischen Lyrik der Galanten und greifen in ihren Motiven bis in die Antike zurück. In Leipzig, wo Günther zeitweilig studierte, fand er zudem das Publikum, das mit antiker Dichtung vertraut war und ihn als ‚deutschen Ovid‘ bewundern konnte. – Aber auch ein anderes Motiv kommt bei Günther zur Geltung, das der Treue, das schon für Fleming bedeutsam war. Bleiben die Galanten in ihren Imaginationen erotischer Erfüllung unverbindlich, so tritt in manchen Gedichten Günthers, nachdem das Mädchen dem Verführer seine Tugend geopfert hat, das Treueversprechen, die Beschwörung der Dauer des Gefühls. An dieser Stelle ist die Einordnung seiner Lyrik in seine Biographie am ehesten plausibel. Denn die Adressatin bleibt nicht anonym, sondern wird mit Namen genannt und ist als Geliebte Günthers identifizierbar. An die Stelle des galanten Scherzes tritt die Intimität der exklusiven Beziehung, dabei tritt neben die barocke Topik zuweilen auch eine ganz schmucklose Redeweise, etwa in einigen Strophen der Abschieds-Aria.133 Doch deswegen ist Günther noch kein Vorbote Goethes; wohl aber werden bei ihm, der das galante ‚carpe diem‘-Motiv ins bürgerliche Treueideal, die Erotik ins Eheversprechen einbindet und – wie in seinem Gedicht An Leonore von 1715– während der Abwesenheit des liebenden Ichs die Abstinenz der Geliebten fordert, sie also gleichsam zur Ehefrau zu erziehen unternimmt,134 bereits Tugendvorstellungen der Aufklärung angesprochen.

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