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III.Die Vorschrift des § 48 Absatz 1 Satz 1

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4Die Unberührtheitsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 1 hat eine Entstehungsgeschichte, die zu ihrem Verständnis beiträgt. Sie war bereits in § 53 des Regierungsentwurfs von 1975 in ähnlicher Formulierung enthalten (BR-Drs 350/75) und auch in dem § 47 des Regierungsentwurfs von 1977 (BT-Drs 8/1315) übernommen (zur Auslegung dieser Vorschrift Kühne, ZfB 1980, 58 ff.). Zweck der Vorschrift sollte sein, dass die früheren absoluten Schürfverbote des § 4 Abs. 1 ABG nicht mehr aufrechterhalten werden müssen, weil sie in einer Vielzahl anderer Bestimmungen bereits geregelt waren (BR-Drs 350/75, S. 114). Die Schürfverbote des § 4 Abs. 1 ABG bezogen sich auf öffentliche Plätze, Straßen, Eisenbahnen, Deiche, Friedhöfe. Das BBergG sollte hierzu keine Regelungen mehr treffen. Das sollte durch die Unberührtheitsklausel ausgedrückt werden.

Angesichts dieser Vorgeschichte dürfte die Klausel nicht als Kollisionsnorm in dem Sinne zu verstehen sein, dass bei überschneidenden Regelungen einer der Vorzug zugewiesen wird (Kühne, ZfB 1980, 58, 63). Denn in § 48 Abs. 1 Satz 1 wird ein Sachverhalt, der sich mit einem anderen überschneiden könnte, gar nicht geregelt. Es ist daher richtiger, die Unberührtheitsklausel als umfassenden Regelungsverzicht, als „eigentlich entbehrliche Rechtsnorm“ (Rausch, Umwelt- und Planungsrecht im Bergbau, S. 165) mit deklaratorischem Charakter anzusehen. Ihre Funktion liegt darin, als Brückenpfeiler zur Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 („bei Anwendung dieser Vorschriften“) und als Abgrenzung zur Gemeinwohlklausel des § 48 Abs. 2 Satz 1 ([…] „in anderen Fällen“ […]) zu dienen.

5Der Regelungsverzicht des § 48 Abs. 1 Satz 1 bezieht sich auf alle Grundstücke mit rechtlich verbindlicher, räumlich konkretisierter öffentlicher Zweckbestimmung oder Unterschutzstellung. Er schließt alle Tätigkeiten ein, die ihrer Art nach der Aufsuchung und Gewinnung dienen können. Damit sind Tätigkeiten gemeint, die üblicherweise oder gelegentlich mit der Aufsuchung und Gewinnung verbunden sind, z. B. Eingriffe in den Boden, Errichtung von Anlagen, Abholzen von Wald, Trockenlegung von Gewässern oder Abpumpen von Grundwasser.

Als Grundstücke sind nicht nur die katastermäßig vermessenen, sondern die durch Ge- und Verbote geschützten Flächen einschl. Gewässer zu verstehen (H. Schulte, ZfB 1987, 178, 194; Rausch, a. a. O., S. 173).

6Rechtsvorschriften i. S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 sind nur solche, die auf bestimmten gewidmeten oder geschützten Grundstücken, die der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, bergbauliche Tätigkeiten verbieten oder beschränken. Aus dieser Zweckbeziehung folgt, dass Rechtsvorschriften in diesem Sinne nur Gesetze, Verordnungen und Satzungen sind (Rausch, a. a. O., S. 168 mit Bezug auf BT-Drs 8/1315, S. 104 = Zydek, 322). Soweit Wege, Plätze, Straßen, Wasserstraßen dem öffentlichen Verkehr gewidmet oder militärische Schutzbereiche angeordnet sind, erfolgt das aufgrund von Gesetzen und damit von Rechtsvorschriften i. S. von § 48 Abs. 1 Satz 1.

7Als Anwendungsfälle des § 48 Abs. 1 Satz 1 wurden außer den öffentlichen Verkehrsanlagen angesehen: Natur- und Landschaftsschutzgebiete (schon BT-Drs 8/1315, S. 104 = Zydek, 224; ferner VG Freiburg, ZfB 1985, 108, 120; VGH Mannheim, VBlBW 1988, 398 = ZfB 1989, 57, 67; OVG Bautzen, NUR 1999, 344; VG Aachen, ZfB 2003, 89; ZfB 1989, 217; OVG NRW, NWVBl 1996, 19 = ZfB 1995, 304; Boldt/Weller, § 48 Rn 2; Rausch, Umwelt- und Planungsrecht im Bergbau, S. 182 f.; s. auch Anh. § 56 Rn 346 ff.). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gebiete durch Rechts-VO (Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiete) oder Satzung (z. B. Landschaftspläne NRW) rechtsverbindlich werden.

8Bei der Abwägung zwischen Rohstoffsicherung und Landschaftsschutz-VO ist zu berücksichtigen, dass Natur- und Landschaftsschutz ebenfalls standortgebunden sind (OVG Bautzen, NUR 1999, 344). Andererseits muss bei der Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen das Verhältnismäßigkeitsgebot beachtet werden. Der Verordnungsgeber ist gehalten, vor Unterschutzstellung eine grundsätzliche Bewertung gegenläufiger Interessen einschl. des Eigentümerinteresses vorzunehmen (VG Aachen, ZfB 1989, 217, 220). Die erforderliche Bewertung wird nicht durch eine Ausnahmeregelung ersetzt, die daran gebunden ist, dass der Charakter des Gebiets oder der Schutzzweck der Verordnung nicht durch den Eingriff verändert wird. Die Abwägung wird auch nicht durch eine Befreiungsmöglichkeit ersetzt, sofern die Befreiung nur in Betracht kommt, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, d. h. ein überwiegendes Ausbeutungsinteresse aus Gründen des Allgemeinwohls festgestellt wird (VG Aachen, a. a. O.).

9Weitere Anwendungsfälle: Festgesetzte Grabungsschutzgebiete nach Denkmalrecht; Heilquellenschutzgebiete (§§ 53 Abs. 5, 52 Abs. 1 WHG); festgesetzte Überschwemmungsgebiete (§ 78 Abs. 1 WHG); Wasserschutzgebiete (VG Arnsberg, ZfB 2012, 49, 55), bei denen allerdings die schützende Wirkung nicht schon durch § 52 Abs. 1 WHG, sondern erst von der Wasserschutzgebiets-VO ausgeht; die Vorschriften des § 9 Abs. 1 BWaldG (Umwandlungsgenehmigung; OVG Greifswald, ZfB 2000, 32, 37; VG Greifswald, ZfB 2007, 301; Frenz, Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung, S. 46).; Schutzwald-VO (OVG Brandenburg, LKV 2000, 496, 500). Zur Rohstoffsicherung in der Raumordnung und Landesplanung s. Anh. § 56 Rn 413, 425 f., 444 ff.

10Typische Anwendungsfälle des § 48 Abs. 1 Satz 1 sind Bebauungspläne (BVerwGE 74, 318 = ZfB 1987, 60 – Altenberg; VG Freiburg, ZfB 1990, 323; im Einzelnen s. Anh. § 56 Rn 53). Bergbauliche Vorhaben, die den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen, sind unzulässig. Ebenso kann § 48 Abs. 1 Satz 1 anwendbar sein auf Fälle des § 34 BauGB (unbeplanter Innenbereich), § 35 BauGB (Außenbereich) und § 14 BauGB (Veränderungssperre). Auch sie können für den Bergbau verbietend oder untersagend wirken (H. Schulte, ZfB 1987, 178, 194; Rausch, a. a. O., S. 172 f.). Für die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 ist es unerheblich, ob im Einzelfall durch die Möglichkeiten des § 31 BauGB (Ausnahme und Befreiungen vom Bebauungsplan) oder § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB (Zulässigkeit im Außenbereich) das bergbauliche Vorhaben zulässig ist.

11Kein Grundstücksschutz i. S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 geht von einer wasserrechtlichen Erlaubnis, Genehmigung oder Planfeststellung aus, obwohl sie „für ein Grundstück erteilt“ sein können (§ 8 Abs. 4 WHG).

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