Читать книгу Die erste Verlobte - Ruth Berger - Страница 12
8
ОглавлениеWann immer Lieutenant Steele in den Wochen und Monaten nach seiner schweren Verletzung vor anderen Offizieren seine Sorge darüber zum Ausdruck gebracht hatte, auf welche Weise er seine Familie in Zukunft wohl werde ernähren können, war ihm auf abwehrend-aufmunternde Weise bedeutet worden, diese Sorge sei grundlos. Es gebe genügend hervorragende Marineoffiziere, die trotz des Verlusts eines Armes oder Beines ihrem Beruf nachgingen, ja Heldentaten für Krone und Vaterland begangen hätten. Überhaupt werde der König niemanden mit Undankbarkeit strafen, der sich in seinen Diensten verletzt habe.
In der Tat erhielt der Lieutenant einige Zeit nach der Ankunft in der Heimat eine kleine Entschädigungszahlung, von welcher man die Miete für das Cottage bezahlte, denn Mr. Lawrence Steele war auf sein großzügiges Angebot, einen Teil hierzu beizusteuern, wegen der unerwartet hohen Kosten des Umbaus von Wistlinghurst nicht mehr zurückgekommen. Auch das Jahresgehalt des Lieutenants wurde pünktlich ausgezahlt.
Nun kommt aber ein Unglück selten allein, und zu der Verstümmelung gesellte sich eine fiebrige Krankheit. Schon während der Überfahrt von den Westindischen Inseln hatte der Lieutenant unter einer hitzigen Fieberattacke gelitten, während deren er sich sehr elend befand und von der er ahnte, dass sie nicht auf seine gut heilende Amputationswunde zurückzuführen sei. Nach einer Woche schon ward ihm jedoch viel besser, und als er von der schwülen, ungesunden, tropischen Hitze in die englischen Herbstwinde kam, glaubte er, solches nicht wieder erleben zu müssen. Doch sowie ihn zur Weihnachtszeit, während der Stumpf inzwischen sauber abgeheilt war, dieselbe Krankheit erneut überfiel, da ahnte er, es habe ihn die Malaria erwischt. Zugleich plagte ihn immer häufiger ein heftiger, plötzlich sich einstellender Schmerz, der ihn an nichts so sehr erinnerte wie an Zahnschmerzen und ihn anfallsweise genau an dem Fuß befiel, den er nicht mehr besaß. Seine Frau nannte diesen Schmerz folglich einen eingebildeten, und er wusste selbst, dass es sich viel anders nicht verhalten konnte. Dennoch quälte ihn der Phantomschmerz vorzüglich nachts solcherart, dass er kaum noch ein Auge schloss.
Für die Marine, das wusste er längst, war er so oder so nicht mehr zu gebrauchen. Wo man einen Admiral, auch einen Captain vielleicht noch gehalten hätte, ließ man einen bloßen Lieutenant gerne gehen, wenn er nicht mehr ganz tauglich war. Überall gab es frische, gesunde junge Männer, die sich darum rissen, das Lieutenantsexamen abzulegen oder das Geld fur die Kommission zu bezahlen.
Der Lieutenant war also nicht überrascht, als ihm aus London nahe gelegt wurde, den Dienst zu quittieren. Er beantragte eine Invalidenpension. Die bürokratischen Mühlen mahlten und beschieden ihn am Ende, er habe sich sein gebrochenes Bein auf unehrenhafte Weise, beim befehlswidrigen Fliehen aus der Kampfzone, zugezogen. Die Malaria sei so selten auf den Westindischen Inseln, dass es sich bei seinem Fieber um eine andere Krankheit handeln müsse, eine, die er sich jedenfalls nicht im Dienste für den König geholt habe, sondern allenfalls in denselben unsittlichen Ausschweifungen, welche ihm in der Vergangenheit bereits einmal nachgewiesen worden seien. Er habe demnach kein Anrecht auf eine Pension.
Zum Glück fügte es sich, dass ein in Moreleigh ansässiger, pensionierter Reer-Admiral namens Byrne, mit dem der Lieutenant Umgang pflegte, von der unerhörten Ablehnung in Kenntnis gesetzt, einen einzigen, kurzen Brief an die zuständige Londoner Instanz schrieb und damit verhindern konnte, dass die Familie Steele in die blanke Not gestürzt wurde. Nun gab es also doch die erhoffte Pension, wiewohl sie so niedrig bemessen war, dass Mrs. Steele, als sie die Nachricht vernahm, tief betrübt erklärte: Das sei ihr ganz gleich. Ob ein paar Pfund im Jahr oder gar nichts, was mache das schon für einen Unterschied.
Zu dieser Zeit ungefähr kehrte der Besitzer des Cottage, welches man für die Dauer seiner Abwesenheit gemietet hatte, in die Heimat zurück. Man hätte das Haus ohnehin nicht mehr halten können. Die Familie Steele zog nun in eine Wohnung von anderthalb Zimmern ohne eine Küche im Obergeschoss des Bäckers Thorpe.
Bald darauf starb Reverend Pratt, nur wenige Monate nach seiner Frau, an Wassersucht und hinterließ eine Summe von etwas über fünfhundert Pfund, die er zur Hälfte seinem Sohn und zur anderen Hälfte seinen beiden verheirateten Töchtern vermachte. Schweren Herzens beschloss der Lieutenant, das Geld, das man so nötig gebraucht hätte, vorläufig nicht anzutasten, sondern es für die Verheiratung von Anne und Lucy zurückzubehalten. Er gab es, damit es aus dem Weg und nicht Quelle ständiger Versuchung wäre, Admiral Byrne zur Verwaltung.