Читать книгу Die erste Verlobte - Ruth Berger - Страница 15

Zwar galt ihr Rat so wenig wie ehedem bei ihrer Mutter und Schwester, doch waren diese sehr wohl geneigt, die verschiedenen bescheidenen Wohltaten zu genießen, die Lucy, mit fast jedem am Ort gut bekannt, bei mancher Gelegenheit für ihre Familie erwirkte. Auch nahm sie es auf sich, die Korrespondenz mit der Verwandtschaft zu beleben, welche mit den Jahren gänzlich eingeschlafen war. Bei Mutter und Schwester erregten ihre ersten Versuche darin Heiterkeit und Spott, wenn sie ihnen die Briefe, an denen sie viele Stunden gesessen, am Ende zum Durchlesen gab. Unter schallendem Lachen lasen sie sich gegenseitig vor, was Lucy verbrochen hatte und was in der Tat zur Belustigung gewissen Anlass bot. Das einzige Buch, das sie jemals gelesen hatte, war die Bibel. Folglich strotzten ihre ersten Versuche nicht ganz überraschend von Wendungen wie: «Lieutenant Steele aber antwortete und sprach: Wahrlich, ich sage euch …», oder: «Siehe, ich werde euch neu schreiben um die dritte Woche des Monats Oktober», oder: «Es begab sich aber zu der Zeit, dass Mrs. Thorpe der Hexenschuss traf», und so weiter. Doch geschult an der Schelte von Mutter und Schwester sowie den Antworten, die sie erhielt, lernte sie immer besser, wie man sich auszudrücken hatte, und unterhielt bald, im Namen ihrer Mutter und Annes mehr als in ihrem eigenen, eine lebhafte Korrespondenz mit dem Lehrer Mr. Pratt, mit Mrs. Lawrence Steele sowie mit mehreren anderen Tanten, was ihr so viel echte Freude bereitete, wie sie zugleich hoffte, die enger geknüpften Bande könnten ihrer Familie in Zukunft einmal von Nutzen sein. Geflissentlich überhörte sie alle Vorwürfe über die hohen Kosten von Papier und Porto, welche sie verursachte, und vermerkte insgeheim, dass diese Vorwürfe nach und nach immer weniger ernst gemeint schienen und schließlich wohl nur noch aus bloßer Gewohnheit geäußert wurden. Das Gefühl, in freundlichem Austausch mit Verwandten zu stehen, tat allen wohl. Mr. Pratt kam nun zwei-, dreimal im Jahr während der Schulferien zu Besuch, was er eigentlich schon lange vorgehabt, und brachte aus Plymouth stets Seefisch und einige fliegende Blätter zum Lesen mit, an denen die Mädchen noch lange Freude hatten. Mrs. Lawrence Steele sandte regelmäßig zu den Feiertagen Pakete mit Naschwerk und abgelegten Kleidern.

Einige Jahre gingen ins Land, bis durch eine unerwartete Verkettung von Ereignissen der Nutzen von Lucys verschwenderischer Korrespondenz und die Freundschaft ihrer Verwandten auf eine harte Probe gestellt werden sollten.