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Als sich im Jahre 1770 Miss Charlotte Pratt mit dem Lieutenant zur See Thomas Steele verehelichte, galt dies an ihrem Heimatort Woodham als grundsolide Verbindung. Zwar hatte Miss Pratt, eine durchaus nicht als vorlaut geltende junge Dame von tadellosen Manieren, der man Abenteuerlust kaum zugetraut hätte, ihren Zukünftigen während eines winterlichen Aufenthalts in Bath, zu dem sie von einer spendablen, jedoch nicht ausreichend wachsamen älteren Verwandten geladen worden war, ganz allein erwählt. Nun war aber der junge Mann, mit dem sie auf so ungebührlich eigenmächtige Weise Bekanntschaft, Freundschaft und eine Verlobung geschlossen hatte, alles in allem nicht unpassend. Um genau zu sein, er war gerade das, was Reverend Pratt und seine Frau fur ihre gerade erst achtzehnjährige, jüngere Tochter ohnehin angestrebt hätten, wenn ihnen denn eine Wahl geblieben wäre. Daher erholten sie sich rascher denn vermutet von dem Schrecken, der sie überkam, als eines schönen, fliederduftenden Frühlingsmorgens die vollendete Tatsache in Form des Lieutenants Thomas Steele in ihre Wohnstube eingeführt wurde.

Zunächst freilich erlitt Reverend Pratt nach der Offenbarung der Verhältnisse zwischen den jungen Leuten einen der übelsten Gichtanfälle, deren man sich in der Familie entsinnen konnte. Halbwegs wieder umgangsfähig, schloss er sich mit seiner Tochter zu einer Moralpredigt ein, die in ihrer Schärfe dem Anlass entsprach. Es juckten den Reverend geradezu die Finger, Charlotte eine Tracht Prügel zu verpassen; doch der Gedanke, sie sei hierfür nicht mehr im rechten Alter, paarte sich mit der Hoffnung, dass aus diesem so genannten Verlöbnis eine akzeptable Ehe erwachsen würde. Darauflud er den kaum verschüchtert wirkenden, uniformierten jungen Mann in sein Studierzimmer.

Hier erfuhr er einiges, das angetan war, seinen Zorn wie die Schmerzen im Fuß zu lindern. Thomas Steele war nämlich, wie sich herausstellte, Sohn der bekannten und höchst ehrbaren Familie Steele mit Sitz in Surrey. Leider hatten die Steeles in den letzten Jahren aufgrund unglücklicher Umstände große Teile ihres ehemals beträchtlichen Vermögens eingebüßt und waren jetzt reich nur noch an Grundbesitz, der, wie nicht selten, unveräußerlich war und jeweils dem ältesten männlichen Erben zufiel. Der Lieutenant hatte einen älteren Bruder, Mr. Lawrence Steele, welcher, da der Vater nicht mehr lebte, das Anwesen bereits jetzt in seinem alleinigen Besitz hielt. Thomas Steele war also im Prinzip mittellos. Doch er war, wie der Reverend sich überzeugen konnte, mit einem wachen Kopf, geschliffenem Auftreten und einem einnehmenden Äußeren gesegnet, was in Verbindung mit dem Ruf und den Beziehungen seiner Familie die besten Aussichten für eine schöne Karriere eröffnete. Zudem hatte er vor kurzem seine Kommission als Lieutenant der Marine erhalten, und Reverend Pratt zweifelte nicht, dass er es bei seinen Voraussetzungen in Windeseile bis zum Admiral bringen würde.

So jedenfalls setzte der Reverend die Lage am Abend seiner Frau auseinander, als er es sich im grün bespannten Himmelbett bequem machte. «Du siehst», fasste er zusammen, während er seine Bettpfeife entzündete und Mrs. Pratt ganz vergaß, sich darüber zu ärgern, «nicht nur werden wir ohne Ehrverlust aus der Sache herauskommen, wir können sogar dankbar sein. Was hätte es uns gekostet, Charlotte in die Gesellschaft einzuführen! Saison für Saison hätte sie ein neues Kleid gebraucht, Gäste hätten wir uns einladen, Berge von Fleisch ihnen vorsetzen müssen. Nun hat uns der Herrgott in seiner unendlichen Güte davor bewahrt.»

In der Tat bestand für den Reverend Grund zur Zufriedenheit. Er selbst war der jüngste von drei Söhnen einer durch nichts herausragenden Familie sehr kleiner Landadeliger, der mit seiner erbärmlich dotierten geistlichen Position sich und die Seinen mehr schlecht als recht durchbrachte. Die Mitgift, welche man aus einem privaten Kapital Mrs. Pratts für die jüngste Tochter bereithielt, war der Rede kaum wert, nicht mehr als ein Almosen von dreihundert Pfund. Vernünftigerweise war daher nicht zu erwarten, dass sich für Charlotte jemals eine bessere Gelegenheit als diese ergeben würde. Der Reverend hatte allerdings gegenüber dem Lieutenant anklingen lassen, es könne klug sein, die Heirat bis zu einer Beförderung zu verschieben. Davon mochte dieser nichts hören und konterte mit dem ausgezeichneten Vorschlag, er wolle mit seiner Frau nach der möglichst bald stattfindenden Hochzeit zunächst seinen Wohnsitz in Wistlinghurst nehmen, dem Landgut seines Bruders, Lawrence Steele, bis die Umstände ihn in die Lage versetzen würden, einen eigenen, angemessenen Hausstand zu gründen.

Damit schienen alle Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt.

Die erste Verlobte

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