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Am Sonntag ließderKeßen nach, verwandelte sich in ein sanftes Nieseln, um, als die verabredete Stunde nahte, allmählich einzuschlafen. Auf riss der Himmel, es zeigte sich ein blasses Blau mit schnell ziehenden, schleirigen weißen Wolken, kaum sichtbar wölbte sich ein Regenbogen, und nichts war natürlicher, als dass die beiden Schwestern das düstere, stickige Dachgeschoss des Bäckers Thorpe verließen, um zu einem kleinen Gang in frischer Luft in Richtung der Ländereien des Admirals aufzubrechen.

Der griechische Pavillon, in Weiß und Gelb gehalten, lag inmitten von Nadelhölzern in halber Höhe auf einem felsigen Vorsprung der Anhöhe, welche sich um eine Mulde mit einem Fischteich zog und den Blick zum Haus versperrte. Da die Mädchen in diese geschützte Mulde eintraten, verließ Lucy den matschigen Pfad und suchte sich, wie zu Kinderzeiten über Stock und Stein durchs Gehölz huschend, ein Versteck hinter einem knorrigen Baum. Über einer niedrig stehenden Astgabel hervorlugend, verfolgte sie, wie Anne den Weg hinauf zum Pavillon erklomm und sich dort umsah, ein wenig verloren allein zwischen den Säulen. Jedoch nicht lange danach erschien sehr plötzlich Witherspoon, gerade als rasch herantreibende schwarze Wolken erneut die Sonne verdeckten, doch nur zum Teil, denn aus einem Schacht am Himmel fiel ein schräges Bündel Licht und erhellte den Pavillon. Alles ringsumher lag in Dunkelheit. Lucy sah die beiden Gestalten sich unter der Kuppel eng gegenüberstehen, wobei Witherspoon mit seinen Händen häufig Anne berührte, dann jedoch einen Schritt zurücktrat, während er ihr lebhafte und eindringliche Vorstellungen zu machen schien, wie Anne darauf den Kopf schüttelte und ernsthaft zu ihm sprach und wie am Ende die beiden Silhouetten in einem innigen Kuss zu einer einzigen verschmolzen. Diese Szene dauerte länger an, als es Lucy in ihrer kindlichen Einfalt möglich schien. Endlich aber sprang Witherspoon die Stufen des Pavillons herab und verschwand so plötzlich im Gehölz, wie er gekommen war. Anne winkte in die Richtung, in welcher sie Lucy versteckt wusste, zum Zeichen, sie solle hervorkommen, verließ ihrerseits den Pavillon, raffte ihre Röcke und stakste der Schwester den steilen, morastigen Pfad herab entgegen.

«Oh, Lucy», rief sie, als die Mädchen sich einander auf zehn Schritt genähert hatten, «er hat mich geküsst! Oh! Du ahnst nicht wie, ach, Lucy!» – «Ich habe alles gesehen», lachte diese, «aber nun verrate mir: Was habt ihr vereinbart? Hat er zugestimmt, die Hochzeit bis nach seiner Beförderung zu verschieben?» – «Oh, nein, das könnte er unmöglich ertragen, hat er gesagt, und es wäre schrecklich gemein von mir, es ihm vorzuschlagen! Wenn ich ihn nur halb so sehr liebte wie er mich, so waren seine Worte, dann würde ich eher sterben, denn einen Tag länger zu warten als notwendig! Er glaube bald, ich liebte ihn gar nicht, und oh, Lucy, ich musste schwören, hoch und heilig musste ich beschwören, dass ich ihn doch mit ganzer Seele und ganzem Herzen liebe und dass ich nicht zögern und am Dienstag in einer Woche mit ihm kommen werde. Ich soll mich in der Nacht noch nach Totnes aufmachen und ihn am Vormittag dort erwarten, und dann, oh!, dann werden wir für immer zusammen sein und zwei Tage später verheiratet! Er zählt die Stunden bis dahin, sagt er! Oh, Lucy, ich weiß wirklich nicht, wie du auf diese alberne Idee kamst, wir müssten bis nach seiner Beförderung warten und ich müsste ihn allein nach Blackpool fahren lassen. Stell dir nur vor, wie viele Meilen wäre ich von ihm getrennt, denn ich glaube, dass Blackpool sehr weit von hier ist, noch weiter als Gretna Green, wo wir auf dem Weg dorthin vorbeikommen, und das muss schrecklich weit sein, denn wir werden zwei Tage dorthin brauchen. Oh! Ich bin so aufgeregt. Nun hab dich nicht so, Lucy, und mach ein fröhliches Gesicht. Will denn nicht jedes Mädchen heiraten? Und wenn man es bald tun kann, warum sollte man es aufschieben?»

Hierin konnte Lucy ihrer Schwester nicht Unrecht geben. Doch wenn sie an den nächsten Dienstag dachte, wurde ihr bang. Sie stellte sich das böse Erwachen ihrer Eltern vor, wenn sie bemerkten, dass ihre liebste Tochter, ohne ein Wort zu sagen, mit einer Tasche voll Gepäck verschwunden war, wie sie sich ängstigen und hoffen und warten und einen um den anderen Tag nichts von Anne hören und vor Sorge schier wahnsinnig werden würden. Lucy hatte, neben der Gesundheit ihrer Eltern, die ein solches Erlebnis beschädigen musste, zur Bangigkeit auch noch einen weiteren Grund. Von Anne war ihr eingeschärft worden, nichts zu verraten und die Ahnungslose zu spielen, damit ihr Vater niemanden schickte, das flüchtige Paar nach Gretna Green zu verfolgen. Schwer genug würde ihr solche Verstellung fallen, angesichts der zu erwartenden verzweifelten Sorge der Eltern. Doch wenn am Ende herauskäme, sie habe alles gewusst, aber geschwiegen – und Lucy zweifelte nicht daran, dass es herauskommen würde -, dann, so ahnte sie richtig, würde ihr nur Gottes Gnade gegen den gerechten Zorn ihrer Eltern helfen können.

Dies alles bat sie Anne auf dem Heimweg zu bedenken, atemlos, denn die Mädchen liefen, um einem wiederum drohenden Regenguss zu entkommen, in zügigem Schritt, und die aufgeweichten Wege waren nicht leichtgängig. Sie wollte Anne überreden, wenigstens einen Brief an die Eltern zu hinterlassen, wenn sie führe. «Schön blöd wäre ich, wenn ich das täte», lachte Anne verächtlich, «du Dummerchen, in Totnes schon würde ich eingefangen und zurückgebracht! »

Man trat beim Bäcker Thorpe ins Treppenhaus, es mit sehr verdreckten Schuhen malträtierend, als Lucy flüsternd vorschlug: Man könne doch wenigstens die Verlobung vor der heimlichen Abreise offiziell machen, und sei es gegen den Willen der Eltern. Dann sei der Skandal, wenn sie am Dienstag mit Witherspoon durchbrennen würde, nur noch halb so groß. Zudem binde man ihn, indem man es öffentlich machte, an sein Wort und versichere sich gegen die Möglichkeit, dass er Anne gar nicht heiraten, sondern sie nur in einem Landgasthof ihrer Unschuld berauben wolle.

Hier wandte sich Anne ihrer Schwester auf der Treppenstufe abrupt ganz zu, die freie Hand auf die Hüfte gestemmt, und schimpfte entrüstet und viel lauter, als es den Umständen gemäß opportun sein musste: «Lucy, du bist nicht nur dumm, du hast auch eine böse, gemeine, schmutzige Phantasie und findest nichts daran, ehrbare, fromme Menschen zu beleidigen. Bitte halte künftig dein Mundwerk und lass mir meinen Spaß! Ich war noch nie in meinem Leben so glücklich wie jetzt, und da willst du es mir verderben! Pfui, schäm dich!»

Die erste Verlobte

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