Читать книгу Leitfaden der Rechtsgeschichte - Sibylle Hofer - Страница 27
2.2.4.1.Verfolgung durch Privatpersonen
Оглавление58. Frühzeit
Aus dem Zwölftafelgesetz (s. Rn. 28) ergibt sich nur ein fragmentarisches Bild der Reaktion auf Straftaten.
Zwölftafelgesetz, Tafel 8:
2. Si membrum rupsit, ni cum eo pacit, talio esto.
3. Manu fustive si os fregit libero, CCC (…) poenam subito.
2. Wenn jemand einem anderen ein Glied verstümmelt, soll der Täter das Gleiche erleiden, wenn er sich nicht mit dem Verletzten gütlich einigt.
3. Wer mit der Hand oder dem Stock einem Freien einen Knochen gebrochen hat, muss 300 [As, römische Währung] als Buße zahlen (…).
Die Verfolgung einer Straftat galt wohl grundsätzlich als Sache des Verletzten. So ist Ziffer 2 des Zitats zu entnehmen, dass das Opfer entweder Gleiches mit Gleichem vergelten oder sich mit dem Täter über eine andere Art der Sanktion einigen konnte. Im Zwölftafelgesetz wurden vor allem Bußzahlungen festgelegt, die der Täter an den Verletzten zu leisten hatte (s. Ziff. 3). Die Beträge gingen über den Ersatz des Schadens hinaus und stellten damit (Privat-)Strafen dar.
59. Deliktsrecht
Auch als später grundsätzlich zwischen Zivil- und Strafrecht unterschieden wurde, blieb bei bestimmten Delikten eine Verbindung von Schadenersatz und Bestrafung erhalten. Persönlichkeitsverletzungen (z. B. Körperverletzungen, Beleidigungen) sowie Eigentumsverletzungen (z. B. Diebstahl, Raub, Sachbeschädigung inklusive der Tötung von Sklaven) wurden zwar dem Privatrecht zugeordnet. Als Rechtsfolgen waren jedoch Geldzahlungen vorgesehen, die über den Ersatz des Schadens hinausgingen und damit zugleich Strafcharakter hatten. Ein Beispiel dafür bieten die Regeln für die Tötung von Sklaven und Tieren:
Corpus iuris civilis, Digesten 9, 2, 2, 2 (Gaius im 7. Buch zum Provinzialedikt):
Lege Aquilia capite primo cavetur: „ut qui servum servamve alienum alienamve quadrupedem vel pecudem iniuria occiderit, quanti id in eo anno plurimi fuit, tantum aes dare domino damnas esto“.
Im ersten Kapitel der Lex Aquilia wird bestimmt: „Wenn jemand einen fremden Sklaven oder eine fremde Sklavin oder ein fremdes vierfüßiges Herdentier widerrechtlich tötet, soll er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Kupfergeld zu geben, wie die Sache in diesem Jahr maximal wert gewesen ist“.
Indem für die Ersatzverpflichtung auf den Maximalwert innerhalb des letzten Jahres abgestellt wurde, konnte der Betrag weit über den Wert hinausgehen, den der Sklave oder das Tier zum Zeitpunkt der Tötung gehabt hatte. Dies war beispielsweise dann der Fall, wenn ein Sklave im Jahr vor der Tötung einen Unfall erlitten hatte, dessen Folgen seine Arbeitsfähigkeit und damit seinen Marktpreis beeinträchtigten.
Bei der Lex Aquilia, welche die Rechtsfolgen von Sachbeschädigungen festlegte, handelte es sich um ein Plebiszit (s. Rn. 29) aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. Es war von einem Volkstribun namens Aquilius beantragt worden. Die Regelungen wurden auch im 6. Jahrhundert n. Chr. noch als geltendes Recht angesehen. Dies belegt der Umstand, dass rechtswissenschaftliche Erläuterungen zu diesem Gesetz in das Corpus iuris civilis aufgenommen wurden.