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3.2.2.3.Eigentum

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73. Verfügungen für das Seelenheil

In einigen Stammesrechten wurde betont, dass Eigentumsübertragungen an die Kirche zulässig seien:

Lex Baiuvariorum (Gesetz der Bayern, 8. Jh.), Titel I, 1:

Ut si quis liber persona voluerit et dederit res suas ad ecclesiam pro redemptione animae suae, licentiam habeat de portione sua, postquam cum filiis suis partivit. Nullus eum prohibeat, non rex, non dux, nec ulla persona habeat potestatem prohibendi ei. Et quicquid donaverit, villas, terra, mancipia vel aliqua pecunia, omnia quaecumque donaverit pro redemptione animae suae, hoc per epistolam confirmet propria manu sua ipse, et testes adhibeat VI vel amplius, si voluerit. (…) Et post haec nullam habeat potestatem nec ipse nec posteri eius, nisi defensor ecclesie, ipsius beneficium praestare voluerit ei (…).

Wenn ein Freier seinen Besitz um seines Seelenheils willen an eine Kirche geben will, soll er über seinen Anteil verfügen können, nachdem er mit seinen Kindern geteilt hat. Niemand darf ihn daran hindern; weder der König noch der Herzog noch sonst irgendjemand hat das Recht, ihn daran zu hindern. Alles, was er schenkt, Höfe, Land, Sklaven oder Geld: Alles, was er um seines Seelenheils willen schenkt, das soll er in einer Urkunde festhalten und eigenhändig unterzeichnen, und er soll sechs – falls er es wünscht, auch mehr – Zeugen dazu heranziehen. (…) Danach sollen weder er noch seine Nachkommen Verfügungsgewalt darüber haben, außer der Schutzherr der Kirche will es ihnen zum Gebrauch überlassen (…).

Derartige Regelungen belegen einen Einfluss des Christentums auf die Rechtsaufzeichnungen germanischer Völkerschaften. Sie entsprachen kirchlichen Lehren, die forderten, dass Gläubige einen Teil ihres Vermögens der Kirche überlassen sollten. Dafür wurde die Vergebung von Sünden versprochen. Dieses Versprechen stand im Zusammenhang mit der Vorstellung, dass es ein Leben nach dem Tod gebe und dass Gott zu einem unbekannten Zeitpunkt über die Lebenden sowie die Verstorbenen bzw. über deren Seelen ein sog. Jüngstes Gericht abhalten werde. Es wurde erwartet, dass dabei Personen, die ein sündhaftes Leben geführt und keine Vergebung für ihre Sünden erlangt hatten, zu ewigem Aufenthalt in der Hölle verurteilt würden. Die anderen erhielten dagegen einen Platz im Himmel. Vor diesem Hintergrund verfolgten Eigentumsübertragungen an die Kirche das Ziel, die Position der Geber beim Jüngsten Gericht zu verbessern. Es handelte sich somit um Verfügungen für das „Seelenheil“.

Wenn in verschiedenen Leges betont wurde, dass eine Übertragung von Vermögenswerten an die Kirche zulässig sei, kann daraus geschlossen werden, dass derartige Verfügungen auf Widerstand stießen. In diese Richtung deutet auch die Bemerkung in der zitierten Passage, dass niemand solche Verfügungen verhindern dürfe. Widerspruch war insbesondere von den Kindern des ehemaligen Eigentümers zu erwarten, da deren spätere Erbschaft durch solche Übertragungen vermindert wurde. Häufig bildeten Ländereien den Gegenstand von Verfügungen zugunsten der Kirche. Da die germanischen Völkerschaften vor allem Ackerbau betrieben, hatten Ländereien einen hohen Wert. Nicht selten waren sie die Lebensgrundlage der Familie. Um der nächsten Generation diese Grundlage zumindest teilweise zu sichern, wurden in einigen Stammesrechten die Verfügungen für das Seelenheil auf einen bestimmten Teil des Vermögens begrenzt (sog. Freiteil). Bei den Bayern (s. Zitat) musste beispielsweise der Vater zunächst das Vermögen mit seinen Söhnen teilen; erst danach durfte er – nur über seinen Anteil – zugunsten der Kirche verfügen. Außerdem ließen sich die ehemaligen Eigentümer häufig von der Kirche die Zusicherung geben, dass sie und ihre Erben auch nach der Eigentumsübertragung das Grundstück weiter nutzen durften (s. Andeutung im Zitat am Ende).

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