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Motivation und Inspiration

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Je mehr ich mich in meinem Leben der Zubereitung von Essen gewidmet habe, desto größer ist meine Liebe zu dieser Tätigkeit geworden. Weil es ein Prozess ist, bei dem man sich ein Leben lang weiterentwickeln kann und nie das Gefühl hat, alles zu wissen oder zu können. Diese Demut der ständigen Entwicklung und Entdeckung birgt für mich mehr Motivation als die Idee, ein bestimmtes Ziel zu erreichen bzw. irgendwo anzukommen und dort zu verharren.

Die Quellen der Inspiration sind schier unendlich. Nicht nur was das kulturelle und historische Spektrum von Kulinarik weltweit anbelangt, sondern auch die neuen innovativen Perspektiven gerade im Bereich pflanzlicher Küche.

Vor einigen Jahren habe ich an einem Workshop zur Tofuherstellung teilgenommen und da erst verstanden, dass dieses Produkt, das bei uns leider oft das Image eines langweilig schmeckenden Fleischersatzes hat, in seiner Herstellung Milchprodukten ähnelt und Jahrtausende asiatischer Esskultur mit sich bringt. Obwohl ich schon vorher gerne Tofu aß, erkannte ich, wie groß meine unbewusste Ignoranz diesem Sojaquark gegenüber war, schlichtweg durch Unwissen. Wer einmal frischen unpasteurisierten Tofu mit Frühlingszwiebeln, Shoyu, Algenflocken und frischem Ingwer probiert hat, versteht, dass das mit eingeschweißten Fertigprodukten vom Discounter so wenig zu tun hat wie lange gereifter Gruyère mit Scheiblettenkäse.

Bleiben wir kurz beim (veganen) Käse: Viele Menschen haben vielleicht mal veganen Scheibenkäse probiert, der häufig auf Basis von Kartoffelstärke, Kokosöl oder Mandeln hergestellt wird. Ist okay, kann man machen, aber natürlich kann er geschmacklich nicht mit monatelang sorgfältig gereiftem Käse aus tierischer Milch mithalten. Aber hast du schon mal gereiften pflanzlichen Käse probiert, der mittlerweile von vielen kleinen Manufakturen weltweit angeboten wird? Camembert, geräuchtere Varianten und sogar Blauschimmelkäse, der auf der Basis von Nüssen und Kernen hergestellt wird. Der kommt der Sache schon wesentlich näher. Und wenn ich mir dann die Entwicklung ansehe, die alleine in den letzten zehn Jahren in diesem Sektor stattgefunden hat, und diese abgleiche mit den jahrtausendealten Traditionen der klassischen Käseherstellung, muss ich sagen: Ich bin euphorisch, wie viele tolle Produkte innerhalb kürzester Zeit den Markt erobert haben, und sehe hier noch schier endloses Potenzial. Mit diesen Beispielen möchte ich nur noch einmal unterstreichen, weshalb sich der Schwerpunkt pflanzliche Küche für mich noch nie wie eine Einschränkung, sondern immer wie eine spannende kreative Herausforderung angefühlt hat. Zudem ist die Zubereitung von Speisen die wohl unmittelbarste kreative Tätigkeit, mit der man innerhalb kürzester Zeit ein Ergebnis erzielen und teilen kann:

Man serviert, und das Ganze wird verspeist.

Man kann sich und andere Menschen damit glücklich und satt machen.

Was kann man sich Schöneres denken?

Das sind Aspekte, die mir sehr viel geben, nicht weil es mein Ego nach permanenter Bestätigung dürstet (was sicher auf manche Köch*innen zutrifft, das wäre für mich die falsche Motivation), sondern weil es mich glücklich macht, andere glücklich zu machen. Klingt kitschig, ist aber so.

Und nicht zuletzt mag ich das Kochen, weil es eine handwerkliche Tätigkeit ist und für mich den perfekten Ausgleich zu geistigen Tätigkeiten bietet. Während ich gerade am Schreibtisch sitze und dieses Buch schreibe, gibt es für mich nach einigen konzentrierten Stunden nichts Schöneres als die Aussicht, noch schnell ein Sauerteigbrot für den nächsten Tag anzusetzen oder ein paar Weihnachtsplätzchen zu backen. Denn da habe ich meine Routine und kann mich mental entspannen, während ich den Teig knete, und am Ende wartet ein köstliches Ergebnis, mit dem ich mich und mein soziales Umfeld verwöhnen kann.

Auch wenn ich gewisse Handgriffe über die Jahre perfektioniert habe und diese Sicherheit mir viel Freude bereitet, liebe ich es, mich stetig neu herauszufordern. Wie etwa Techniken auszuprobieren, die ich noch nicht kenne, Aufgaben mit der linken Hand auszuführen, die ich sonst mit der rechten bewerkstellige, kleine Veränderungen vorzunehmen, die meine Geschicklichkeit schulen. Gerade in einem Alltag, in dem wir es zunehmend gewöhnt sind, dass Computer und andere Geräte uns bestimmte Tätigkeiten abnehmen, finde ich es beruhigend zu wissen, dass ich nicht zwingend auf diese angewiesen bin, da ich es bevorzuge, meinen menschlichen Fähigkeiten zu vertrauen, meiner Intuition. Weil mich das persönlich bereichert.

In der Küche bedeutet das konkret, keine Waage, keinen Messbecher und kein Rezept zu benötigen, weil ich genau weiß, wie viel Flüssigkeit in den Mixer muss, sodass der Aufstrich am Ende die richtige Konsistenz hat. Weil ich ein Gespür dafür habe, wie lange die Nudeln kochen müssen, ohne einen Wecker zu stellen. Weil ich mit bloßem Auge erkenne, ob der Kuchen durchgebacken ist, und mich mit der Stäbchenprobe lediglich vergewissere, dass ich recht hatte. Ich bin überzeugt, dass das Schulen solcher Fähigkeiten mich auch in anderen Lebensbereichen bereichert, weil es mein Selbstbewusstsein stärkt und mir hilft, auch andere Alltagssituationen intuitiver anzugehen und zu bewältigen.

Ein fester Bestandteil kreativen Kochens ist zudem auch die nicht vermeidbare Fehlerquote: trial and error. Zu lernen, mit Fehlern konstruktiv umzugehen und deswegen nicht gleich aufzugeben, ist in der Küche unerlässlich und überträgt sich auf unser Handeln allgemein.

Weitere Vorteile finden sich natürlich auch im Bezug auf Wohlbefinden und Budget. „Du bist was du isst“ steckt voller Wahrheit, und indem wir selbst das Ruder übernehmen und entscheiden, womit wir uns nähren, gibt uns dies in einer auch kulinarisch zunehmend komplexer werdenden Welt etwas Kontrolle zurück, was den Vorteil hat, dass wir besser lernen, auf unseren Körper und seine Signale achten zu lernen. Was tut mir gut, was nicht, was vielleicht nur ab und zu mal? Sich selbst zuzuhören, auch wenn es sich lediglich um einen zufriedenen Rülpser handelt, ist gelebte Selbstfürsorge.

Wenn wir achtsamer mit Lebensmitteln umgehen und diese sorgfältig auswählen und zubereiten, können wir in der Regel auch noch Geld sparen, da wir einen größeren Überblick über das behalten, was an Vorräten vorhanden ist, und das Vorhandene fast vollständig verwerten können. Wo man beim Einkauf konkret sparen kann und wo man lieber etwas mehr investieren sollte, erläutere ich auf Seite 41 (Kapitel Lebensmittel).

Ein weiterer wunderbarer Grund zu kochen ist für mich die stets anhaltende Freude am Umgang mit Lebensmitteln. Sinnesfreuden, wie der Anblick und der Geschmack gerade geernteter Erdbeeren, das Aroma perfekt gereifter Tomaten, der Geruch frischer Kräuter, die Saftigkeit einer Gurke, die trotz ihres hohen Wassergehalts einzigartig nach Gurke schmeckt. Für mich bedeuten diese Empfindungen pure Euphorie, die mein Leben täglich bereichert, das kulinarische Puzzleteil der Lebensphilosophie, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen und diese bewusst wahrzunehmen. Welch Privileg, mit dem arbeiten und kreativ sein zu dürfen, was dieser einzigartige Planet hervorbringt!

Die kleine Hoffmann

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