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Lernen von den Großen

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Mein Vater war Hausmann und Künstler, meine Mutter als Grundschulrektorin die Hauptverdienerin. Diese heute noch ungewöhnliche Aufteilung sorgte auch für eine klare Rollenverteilung, was die Lebensmittelversorgung anging. Meine ersten frühkindlichen Erinnerungen habe ich von den Einkaufstouren mit meinem Papa in den Supermarkt, die Bäckerei und den Gemüseladen, später auch in den Bioladen. Er war es, der das Mittagessen kochte: improvisatorisch, intuitiv und extrem experimentierfreudig. Da er noch aus einer Generation stammt, in der die Buben von der Mama aus der Küche geschickt wurden, hat er sich alles selbst beigebracht.

In den 1970er-Jahren jobbte er auch mal eine Weile als Hilfskoch, und spätestens seit meiner Geburt entdeckte er die Liebe zum Kochen am heimischen Herd. Rezepte benutzte er eigentlich kaum, und wenn, dann überflog er sie gerne mal so flüchtig, dass das Ergebnis eher einer freien Interpretation glich. Noch heute kann ich mich daran erinnern, wie er einmal Kärnter Kasnudeln nachkochen wollte, bis heute eines meiner Lieblingsgerichte, das wir von unserem jährlichen Österreich-Urlaub mitgebracht hatten. Irgendwie übersah er dabei, dass die Kartoffel-Topfen-Füllung in einen Nudelteig gepackt wurde – ein nicht ganz unwesentlicher Part der Zubereitung. Er vergaß den Nudelteig komplett. Somit glich das Ergebnis am Ende eher einer Art Kartoffel-Bratling, der zwar lecker war, aber mit der Grundidee relativ wenig zu tun hatte. Davon ließ er sich jedoch nicht weiter beeindrucken, mit einem gemütlichen Schulterzucken deutete er kulinarische Fehlschläge zu individuellen Neuinterpretationen um, und ich lernte: Aus Fehlern kann Neues entstehen. Nur wer wagt, gewinnt oder erfindet zumindest manchmal etwas Schmackhaftes!


Meine Mama wiederum übernahm zu Hause das Backen und Einmachen: Weihnachtsplätzchen, Mehlspeisen, Marmeladen und Kompotte fielen in ihren Aufgabenbereich. Hier folgte sie streng den oft schon über Generationen übermittelten Familienrezepten, die teils noch auf Altdeutsch und mit kaum mehr gebräuchlichen Mengeneinheiten verfasst waren. Für mich hatten diese Rezepte fast etwas Mystisches: der Familienschatz, aus dem kindliche Plätzchenträume sind. Sobald ich körperlich dazu in der Lage war, half ich bei diesen ritualisierten Umsetzungen: Mandeln blanchieren für die Vanillekipferl, die noch heißen Kipferl vorsichtig in selbst gemachtem Vanillezucker wälzen. Oder mit dem Ende eines bestimmten Holzkochlöffels Löcher in die Golatschen drücken, die dann mit Johannisbeergelee gefüllt wurden. Auch das Gelee stellte meine Mutter selbst her, hierfür ließ sie den mit Gelierzucker aufgekochten Saft über Nacht durch eine meiner ausrangierten (natürlich abgekochten) Stoffwindeln abtropfen, die Ecken band sie an den Beinen eines umgedreht auf den Tisch gestellten Küchenstuhls fest. Der Dreibeinige eignete sich hierfür besonders gut. Für mich waren diese Techniken und Rituale als Kind völlig selbstverständlich, mir wäre gar nicht in den Sinn gekommen, dass nicht jede Mama daheim Marmelade selber kocht und durch Windeln tropfen lässt.

Die kleine Hoffmann

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