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3.Die Bundesauftragsverwaltung

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51Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, bleibt die Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Doch kommen auch hier der Bundesregierung erhebliche, im Vergleich zu Art. 84 Abs. 1 GG deutlich weitergehende Zugriffsrechte zu. So kann die Bundesregierung – mit Zustimmung des Bundesrates – allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, das Verwaltungsverfahren17 und die einheitliche Ausbildung der Beamten und Angestellten regeln. Die Leiter der Mittelbehörden sind mit ihrem Einvernehmen zu bestellen (Art. 85 Abs. 2 GG). Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden. Diese sind – außer wenn es die Bundesregierung für dringlich erachtet –, an die obersten Landesbehörden zu richten, die den Vollzug der Weisung sicherzustellen haben (Art. 85 Abs. 3 GG). Ferner erstreckt sich die Bundesaufsicht auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung. Zu diesem Zweck kann die Bundesregierung Bericht und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu allen Behörden entsenden (Art. 85 Abs. 4 GG).

Diese weitgehenden Möglichkeiten des Bundes, auf die Länderverwaltung insbesondere durch Weisungen zugreifen zu können, bedeuten, dass dem Land lediglich die sog. Wahrnehmungskompetenz in Form des Handelns und der Verantwortlichkeit nach außen im Verhältnis zu Dritten zukommt. Diese Wahrnehmungskompetenz bleibt stets Landesangelegenheit. Hingegen liegt die Sachkompetenz, also die Kompetenz zur Sachbeurteilung und Sachentscheidung, zwar zunächst ebenfalls beim Land, der Bund kann sie aber nach eigener Entscheidung dadurch an sich ziehen, dass er das ihm zuerkannte Weisungsrecht in Anspruch nimmt. Diese Inanspruchnahme ist nicht auf Ausnahmefälle begrenzt und auch nicht weiter rechtfertigungsbedürftig. Sie ist nach Maßgabe des Art. 85 Abs. 3 GG als reguläres Mittel gedacht, damit sich bei Meinungsverschiedenheiten das insoweit vom Bund zu definierende Gemeinwohlinteresse durchsetzen kann. Die Sachkompetenz steht dem Land sonach von vornherein nur unter dem Vorbehalt mangelnder Inanspruchnahme durch den Bund zu.18

Beachte: Eine Verletzung des Landes in seinen kompetenziellen Rechten liegt nicht vor, wenn der Inhalt der Weisung, die das Land auszuführen hat, wegen eines Verfassungsverstoßes, insbesondere einer Grundrechtsverletzung, rechtswidrig ist. Ein Land kann kraft seiner Kompetenz vom Bund nur die Achtung solcher Verfassungsnormen verlangen, die die Bundesgewalt in ihrer Auswirkung auf das Verfassungsleben der Länder beherrschen und damit eine rechtliche Beziehung zwischen Bundesgewalt und Landesgewalten herstellen.19

Die in Art. 84 und 85 GG geregelten Vorbehalte betreffen nicht nur das föderale Bund-/Länder-Verhältnis, sondern sie enthalten auch allgemeine organisationsrechtliche Aussagen, die das Verhältnis des Parlaments zur Regierung betreffen.

Fall 3:20 Mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedet der Bundestag ein Gesetz, durch das die Anforderungen an den Betrieb von Atomkraftwerken geändert werden. Künftig sollen für die Auslegung der gesetzlichen Voraussetzungen zum Betrieb eines Atomreaktors Leitlinien berücksichtigt werden, die das für die kerntechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständige Bundesministerium nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Lösung Fall 3: Das AtomG wird – soweit hier relevant – nach § 24 Abs. 1 S. 1 AtomG in Bundesauftragsverwaltung vollzogen. Dann kann der Bund mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen (Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG). In diesem Sinne sind Leitlinien allgemeine Verwaltungsvorschriften (Rn. 28): es handelt sich um einseitige Entschließungen eines Bundesministeriums, in dem nähere Einzelheiten zur Vorsorge gegen Risiken für die Allgemeinheit bei der Genehmigung der Errichtung und des Betriebs von Reaktoren geregelt sein sollen, die die Länder bei der Ausführung des AtomG zu beachten haben.

Das dem Fall zugrunde liegende Bundesgesetz weicht von Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG in zweierlei Hinsicht ab: erstens soll ein Bundesministerium und nicht die Bundesregierung die Verwaltungsvorschriften erlassen, zweitens soll keine Zustimmung, sondern lediglich eine Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden erfolgen.

Um zu beurteilen, ob entgegen dem Wortlaut des Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG der Erlass von Verwaltungsvorschriften auch durch ein einzelnes Bundesministerium aufgrund eines Zustimmungsgesetzes in Betracht kommt, muss Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG ausgelegt werden: Zunächst hatte das BVerfG21 die Bestimmung von ihrem Sinn und Zweck her so verstanden, dass sie nur das Bund/Länder-Verhältnis betrifft und Vorkehrungen zum Schutz der Eigen­ständigkeit der Verwaltung der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen schafft. Deshalb soll auch ein einzelner Bundesminister Verwaltungsvorschriften erlassen können, wenn er hierzu durch ein Bundesgesetz ermächtigt wird, das mit Zustimmung des Bundesrates ergangen ist.

Diese Rechtsprechung hat das BVerfG jedoch korrigiert: Den Grundsätzen, die in Art. 30 und Art. 83 GG ihren Niederschlag gefunden haben, entspricht es, die Regelung dieser Einwirkungsmöglichkeit strikt auszulegen. Denn würde für den Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften von vornherein auf die Zustimmung des Bundesrates verzichtet, so wäre der Schutz der Länderhoheit im Bereich ihrer Verwaltung gegenüber dem in Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG vorgegebenen Niveau gemindert. Wird nämlich das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetz beschränkt, indem ein einzelnes Bundesministerium ermächtigt wird, allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen, so haben die Länder keine Möglichkeit mehr, auf die damit verbundene nähere Ausgestaltung ihrer Wahrnehmungskompetenz über den Bundesrat einzuwirken. Der Bundesrat würde praktisch eine Blankettermächtigung erteilen, nämlich ohne Kenntnis und Bestimmung des konkreten Inhalts künftiger allgemeiner Verwaltungsvorschriften.22

Die Begründung überzeugt, soweit die Zustimmung des Bundesrates auf das Ermächtigungsgesetz bezogen wird. Sie überzeugt hingegen nicht, was den Ermächtigungsadressaten betrifft. Denn vor dem Sinn und Zweck des Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG, der auf das Bund-/Länder-Verhältnis bezogen ist, ist es irrelevant, ob die Bundesregierung oder ein Bundesminister die Verwaltungsvorschriften erlassen hat. Insoweit enthält Art. 85 Abs. 2 GG kein Verbot, durch Zustimmungsgesetz einen Ressortminister zum Erlass von allgemeinen Ver­waltungsvorschriften zu ermächtigen, sofern dabei der Vorbehalt einer weiteren Zustimmung des Bundesrats besteht.

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