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Einige schlecht durchdachte Projekte kollidieren mit der Realität

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Die Risiken wurden keinen Augenblick zu früh erkannt. Wie Regal sagt, waren zur Zeit der Philadelphia-Konferenz geschätzt Hunderte neuartiger Mikroben, die in verschiedenen Labors gezüchtet wurden, auf der Schnellstraße in Richtung Freisetzung. Und etliche davon stellten Risiken dar, die sowohl unübersehbar als auch unheilvoll waren.

Neue Formen mikrobiellen Lebens zu erschaffen, die außerhalb der Laborbedingungen gedeihen sollen, ist ein riskantes Unterfangen, denn die Intention, dass die Mikroben sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, liegt nicht in den Mikroben, sondern nur in den Köpfen der Leute, die sie erschaffen; und diese Köpfe können nicht vollkommen ergründen, was die Mikroben letztlich machen. Regal zufolge lässt sich zwar durch Genspleißen relativ unkompliziert ein neuer Bakterientyp herstellen, doch sicher vorherzusagen, wie er sich in der Natur verhalten wird, ist fast unmöglich. Die Wissenschaft weiß zu wenig darüber, welche Spezies mit den neuen Bakterien interagieren werden, geschweige denn über die Dynamik.

Selbst wenn das in einen neuen Bakterienstamm eingesetzte Gen für ein Merkmal codiert, das als harmlos gilt, bleibt vieles im Ungewissen. Und wenn es stattdessen für ein bekanntermaßen gefährliches Merkmal codiert, ist die Situation besonders riskant. Dennoch waren solch hochriskanten Projekte im Gange.

Eines der eher alarmierenden rief eine Biotech-Firma ins Leben, die nach einer neuen Möglichkeit suchte, Pflanzenschädlinge zu zerstören. Entsprechend diesem Ziel stellten ihre Techniker einen neuartigen Bakterienstamm her, in den sie das Gen gespleißt hatten, das einen bestimmten ungenießbaren Pilz giftig macht. Man hoffte, diese giftgeladenen Bakterien würden, in den Garten ausgebracht, Schnecken und andere Schädlinge vernichten und so die Gartenbesitzer glücklich und die Firma reich machen. Doch bei all den Berechnungen der biotechnologischen Schritte, der Kosten, die entstehen, der Gewinne, die sich daraus ergeben würden, hatten sie sich kaum mit der Frage beschäftigt, wie sich die Bakterien auf die unzähligen anderen Spezies auswirken würden, die in Gärten vorkommen – und auf die Haustiere und Kinder, die darin spielen. Es waren nur ein paar schlecht durchdachte Studien zu möglichen Auswirkungen auf Honigbienen und Regenwürmer durchgeführt worden. Ebenso wenig war analysiert worden, ob die Bakterien sich über die Gärten hinaus verbreiten könnten – und was in diesem Fall geschehen würde. Dazu bemerkt Regal: „Man nahm einfach an, die Bakterien würden nur die Schädlinge vernichten und sich ansonsten kooperativ nicht von der Stelle rühren.“

Glücklicherweise wurden dieses Projekt und etliche genauso schlecht durchdachte andere abgebrochen, weil man zunehmend die Risiken erkannte. Doch damit war die Kurzsichtigkeit der Industrie noch lange nicht geheilt. Weiterhin tauchten schlecht konzipierte Projekte auf, obwohl viele nicht nur größere, sondern auch greifbare Risiken bargen. Ein Beispiel: Ein Biotech-Unternehmen entwickelte als Nahrung dienende Nutzpflanzen, in die Gift produzierende Gene von Skorpionen eingesetzt waren. Damit wollte man die Nutzpflanzen unverwundbar für Fressfeinde machen, denn jedes unglückselige Insekt, das in diese Pflanzen hineinbisse, würde sofort das Gleiche erleiden wie beim Stich eines Skorpions. Doch beim Entwickeln dieser Pflanzen, die praktisch zurückbeißen konnten, waren die Erfinder überraschend naiv gewesen. Wie so viel andere Biotechnologen agierten sie in der Annahme, sie hätten es mit einer biologisch einfachen Situation zu tun und ihre Manipulation über die Artgrenzen hinweg würde keine unerwarteten Risiken hervorrufen.

Nachdem ihre giftigen Pflanzen in den Gewächshäusern gediehen, wollten die Chefs Feldversuche auf Farmen durchführen. Zum Glück befanden sie es für klug, erst die Risiken umfassender bewerten zu lassen, und zogen Regal zu Rate, der eine Überprüfung durchführen sollte. Im Gespräch mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern wurde deutlich, dass sich ihre Bedenken bis dahin nur auf mögliche toxische Auswirkungen auf Menschen und andere Säugetieren beschränkt hatten, die die veränderten Organismen zu sich nehmen würden. Dementsprechend waren sie auf viele Fragen, die er stellte, nicht vorbereitet.

Hatten sie die Auswirkungen des Gifts auf Bienen untersucht, die Pollen und Nektar von den Pflanzen sammeln würden? Nein, das hatten sie nicht – aber vielleicht würde sich jemand anders im weiteren Verlauf damit befassen. Wie sah es mit Studien darüber aus, ob nützliche Insekten oder Vögel, die sich normalerweise von der Pflanze ernähren, vergiftet würden – oder ob diejenigen, die sich von den Fressfeinden der Pflanze ernähren, geschädigt würden, wenn sie Kadaver mit einem Schuss Skorpiongift fräßen? Auch dazu hatten sie keine Studien durchgeführt. Wie sie erklärten, sei ihr Job gewesen, eine neue Nahrungspflanze herzustellen, die Schädlinge abwehren würde. Sie hätten sich darauf konzentriert, wie sich das auf die bekannten Schädlinge der Pflanze und die sie verzehrenden Säugetiere auswirken würde. Wie sah es mit Bewertungen der Folgen für die Erde und die darin lebenden Mikroorganismen aus? Könnte ein großflächiger Anbau der Pflanzen, deren Wurzeln unablässig dieses starke Gift absondern und deren verwelkende Stiele und Blätter voll davon waren, die Ökologie der Erde ringsum nachhaltig stören? Das war noch eine Frage, über die sie nicht nachgedacht hatten. Wie sah es damit aus, dass die Pflanze unkrautartige Verwandte mit dem Skorpion-Gen bestäuben kann und so deren Schadwirkung verstärkt? Ausdruckslose Blicke ringsum.

Zur größten Peinlichkeit kam es, als Regal sie darauf hinwies, dass sie eine potenzielle Gefährdung für die menschliche Gesundheit übersehen hatten. Zuvor waren sie sich sicher, dass für die Verbraucher keine Gefahr bestehe, weil das Gift der speziellen Skorpionart, deren Gene sie genommen hatten, als nicht giftig für Säugetiere galten. Ihr Vertrauen wurde jedoch erschüttert, als Regal erklärte, dass Toxizität etwas ganz anderes ist als Allergenität und dass eine Substanz zwar nicht-toxisch, aber dennoch hochallergen sein kann. Wie er ihnen mitteilte, sind viele Menschen auf Insektengifte hochgradig allergisch, und jedes Jahr sterben Tausende an Unverträglichkeitsreaktionen oder erkranken schwer, wenn sie von Bienen oder Spinnen gestochen oder gebissen werden. Welche Auswirkungen hätte es, fragte er, wenn diese Lebensmittel in die Supermarktregale kämen? Und welche Folgen hätte es für Menschen, die mit der Herstellung und Verarbeitung der Nahrungspflanzen zu tun hätten? Würde der Staub der Pflanzen den Landarbeitern und Getreideverarbeitern Probleme bereiten? Wie könnte er sich auf die Luft um die landwirtschaftlichen Gemeinschaften auswirken? Die Wissenschaftler waren sichtlich fassungslos, dass sie das Projekt so weit vorangetrieben hatten, ohne über diese Themen nachzudenken – und wegen der von Regal injizierten Dosis an Realität ging es auch nicht weiter.

Doch selbst als die Bioingenieure ein besseres Verständnis für die Risiken entwickelten, sprachen sie nur sehr ungern offen darüber. Regal bemerkt: „Die Industrie hatte massive Schulden angehäuft und der Druck, weiterzudrängen, Gewinne auszuweisen und die Investoren zu befriedigen, blieb enorm. Man befürchtete, jegliche offene und saubere wissenschaftliche Diskussion über die Risiken würde Investoren abschrecken, einen unsicheren rechtlichen Status mit sich bringen und eine tatsächlich wirksame staatliche Regulierung auf den Plan rufen, eine Regulierung, die „Zähne zeigt“.

Durch die betriebene Molekularpolitik hatten sich diese Zähne nie gebildet – obwohl der Öffentlichkeit, wie wir noch sehen werden, der Eindruck vermittelt wurde, es seien kräftige Zähne vorhanden.

Manipulierte Gene – Verdrehte Wahrheit

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