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Die Politik kommt weiterhin der Wissenschaft zuvor

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Dass bei der Konferenz in Philadelphia wissenschaftliche Erkenntnisse zur Sprache gebracht worden waren, machte eine unverhohlene Deregulierung der Gentechnologie schwierig; und die Reagan-Regierung fühlte sich verpflichtet, auf die nach wie vor bestehenden Bedenken der Öffentlichkeit zu reagieren. (30) Doch sie war eher darauf aus, die öffentliche Wahrnehmung zu manipulieren, als neue Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Dadurch wiegelte sie Forderungen nach mehr Umwelt- und Verbraucherschutz ab, ohne ihre Agenda zu behindern, das Wachstum der US-amerikanischen Biotechnologie-Industrie anzukurbeln.

Um der Industrie freie Fahrt zu gewähren, beschloss die Reagan-Mannschaft, es solle keine neuen Gesetze zur Biotechnologie geben. Im Kapitol verfügte sie über genügend politische Macht, jegliche neue Gesetzgebung zu verhindern. Weil die Bundesverwaltungsbehörden trotzdem neue, speziell auf GVOs unter den bestehenden Gesetzen zugeschnittene Vorschriften erlassen hätten können, ordnete das Weiße Haus darüber hinaus an, sie hätten sich an die damals rechtskräftigen Vorschriften zu halten und davon abzusehen, neue zu erlassen. (31)

Zudem änderte es die Zuständigkeitslinien, um die Rolle der EPA einzuschränken. Das erschien notwendig, denn diese Behörde wollte die GVOs überwachen und argumentierte, nach dem Toxic Substances Control Act (Gesetz zur Kontrolle giftiger Stoffe) könne sie regulierend eingreifen, weil diese neue chemische Substanzen enthielten. Denn dieses Gesetz autorisierte sie, Tests für in der Industrie verwendete chemische Stoffe vorzuschreiben, die für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit gefährlich sein könnten. (32) Im Weißen Haus war man von dieser ehrgeizigen Einstellung beunruhigt. Deshalb stattete man nicht die Behörde mit der umfassendsten Umweltkompetenz in größtmöglichem Umfang mit der Befugnis für die Umweltsicherheit von GVOs aus, sondern das USDA (Landwirtschaftsministerium) – wegen dessen wohlwollenderen Haltung zur Biotechnologie und seiner Abneigung, sie einer Regulierung zu unterwerfen. (33)

Allerdings konnte der EPA die Kontrolle über GVOs nicht vollständig entzogen werden, da sie die gesetzlich gewährte Befugnis hatte, Pestizide zu regulieren, und daher berechtigt war, Organismen zu überwachen, die schädlingsbekämpfende Proteine exprimieren. Dennoch gelang es dem Weißen Haus (unter Reagan und dann unter George H. W. Bush) durch Ernennungen und andere Maßnahmen zunehmend besser, die Sichtweise der Behörde stärker seiner eigenen anzugleichen.

Um die Förderpolitik zu ordnen, verlangte die Reagan-Regierung eine Publikation, die die von ihr favorisierte Aufteilung der Zuständigkeiten klar abgrenzte, Leitlinien für die verschiedenen staatlichen Stellen aufstellte und die Öffentlichkeit überzeugte, es finde eine wissenschaftlich fundierte Aufsicht statt. Daraus resultierte das Coordinated Framework for Regulation of Biotechnology, (dt. etwa Koordinierter Rahmen für die Regulierung der Biotechnologie), das der Präsident am 18. Juni 1986 unterzeichnete.

Als ein Hauptmerkmal wurde darin die Anweisung des Weißen Hauses aufgenommen, „das Produkt, nicht den Prozess zu regulieren“. Mit diesem Ansatz sollten GV-Organismen auf der Grundlage ihrer spezifischen Eigenschaften statt auf der ihres Herstellungsverfahrens behandelt werden – was verhindern sollte, dass sie speziellen Anforderungen unterliegen würden, nur weil sie mit rDNA-Technologie hergestellt worden waren.

Allerdings warf die Anwendung dieses Prinzips weitere Fragen auf, denn ohne Tests durchzuführen, lässt sich nur schwer feststellen, wie sich die spezifischen Eigenschaften eines GVO auswirken. Die entscheidende Frage lautete also: Eine wie weit reichende Prüfung würden als notwendig erachtet werden? In Übereinstimmung mit dem Ziel des Weißen Hauses, die Regulierung gering zu halten, machte sich das USDA eine Kernannahme zu eigen: Biotechnologieprodukte sollten bis zum Beweis des Gegenteils als umweltverträglich betrachtet werden. (34) Schließlich übernahm auch die EPA diese Annahme; und dann dehnte die FDA sie auf die Lebensmittelsicherheit aus (wie in Kapitel 5 besprochen wird). Infolgedessen wurden zum Erkennen potenzieller Gefahren notwendige Tests nicht verlangt und stattdessen dem Ermessen der Hersteller überlassen – was eine sinnvolle Regulierung praktisch ausschließt. Phil Regal stellt dazu fest: „Abweichend von der Litanei über die Regulierung des Produkts und nicht des Prozesses, war der zentrale Vorstoß der Politik der, eine gründliche Untersuchung des Produkts zu vermeiden.“

Damit war die Auffassung, es sei wissenschaftlich gerechtfertigt, GVOs allgemein für sicher zu halten, als Grundprinzip der US-amerikanischen Regulierungspolitik etabliert. Diese Auffassung war zunächst auf der Grundlage des vermeintlichen „neuen Beweises“ verbreitet und bei den Konferenzen von Bethesda, Falmouth und Ascot vorgestellt worden. Und die Umkehr der Beweislast, die die NIH 1978 infolge dieser Konferenzen eingeführt hatte, wurde in allen Regulierungsstellen Standard. Das geschah, obwohl es sich bei dem „neuen Beweis“ tatsächlich im Grunde um eine Reihe von Mutmaßungen handelte, obwohl die wenigen Daten, auf denen diese Mutmaßungen basierten, und die Logik, die sie heranzogen, bei gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren praktisch keine Rolle spielten (oder sogar bei den Mikroorganismen, die außerhalb des Labors überleben sollten), und obwohl die tatsächlich vorhandenen Beweise eine allgemeine Annahme der Sicherheit nicht stützten – und stattdessen signalisierten, dass es gute Gründe gab, Vorsicht walten zu lassen.

Das Weiße Haus präsentierte dieses Ergebnis zwar als wissenschaftsorientiert, doch es ist klar, dass die vorherrschenden Kräfte politischer Art waren. Mary Ellen Jones zog aus ihrer eingehenden Untersuchung dazu in einer Dissertation in Wissenschafts- und Technologiestudien am Virginia Polytechnic Institute folgenden Schluss: „… der US-amerikanische koordinierte Rahmen für die Regulierung der Biotechnologie stützt sich hauptsächlich auf politische Kriterien und ist nicht fest in der Wissenschaft begründet, wie es seine Befürworter behaupteten.“ (35) Die Rolle der Politik war so auffällig, dass sie ihre Dissertation „Politically corrected science“ (dt. etwa „Politisch korrigierte Wissenschaft“) betitelte. Doch ungeachtet der Realität setzte sich der Eindruck, der Rahmen sei wissenschaftlich untermauert, weitgehend durch; und wie die RAC-Richtlinien zehn Jahre vorher beruhigte er die Öffentlichkeit erheblich. (36)

Manipulierte Gene – Verdrehte Wahrheit

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